Stefan Brader

Interview mit Stefan Brader

Mitglied des Organisationskomitees Jugendsession 2009, Gruppenleiter jugendsession.sommer 09

Stefan Brader (l.u.)
Stefan Brader (l.u.)

Wie lange engagierst du dich bereits für die Jugendsession?
Die eidgenössische Jugendsession 2008 war meine erste Jugendsession als Teilnehmer. Das Organisationskomitee hat damals einen Wandel durchgemacht und es wurden vier oder fünf Plätze frei. Ich habe mich gemeldet und so wurde ich Mitglied des OK für die eidgenössische Jugendsession..

Bist du sonst politisch aktiv?
Eigentlich nicht. In meiner Zeit am Gymnasium vor einem Jahr war ich für drei Jahre Vizepräsident der Schülerorganisation der Kantonsschule Enge. Ich habe dort mitgeholfen diese Organisation aufzubauen, habe dann aber die Schule gewechselt. Ansonsten bin ich nicht politisch aktiv, bin parteilos, konfessionslos und auch sonst gehöre ich keinem Verein an.

Wieso nicht? Fehlt es an Zeit, Motivation oder Gelegenheit?
Ich habe während meiner Zeit in der Schülerorganisation bemerkt, dass ich sehr gut darin bin, Dinge zu organisieren, aber wohl eher eine Meinung habe, die polarisierend und wohl auch zu radikal ist. Ich sehe meinen Platz darin, anderen die Gelegenheit zu geben politisch aktiv zu sein, doch selbst wäre ich dafür zu ungeduldig und zu aufbrausend.
Zudem ist es sicher auch ein Zeitfaktor, denn ich bin der Ansicht, dass wenn jemand wirklich Politik geht dies vollständig tun sollte. Das wäre es mir nicht wert und würde mich auch nicht glücklich machen.
Aber ich finde es sehr gut, dass es Leute gibt, die politisch aktiv sind. Ich finde es sehr schade, dass es so viele gibt, die es nicht sind. Vor allem aber finde ich es sehr schade, wie die Jungendlichen im momentan von der Politik gesehen werden und wie die Jugendlichen die Politik sehen.

Welche Gründe sind deiner Meinung nach für diese Sicht verantwortlich?
Zum einen ist es sicher ein Generationenkonflikt. Es hat es schon immer gegeben, dass die Alten sagten, die Jungen seien nicht anständig und die Jungen sagten, die Alten hören nicht auf sie. Aber man darf das nicht als Entschuldigung für alles sehen.
Ich sehe da auch neuere Gründe: Wir leben in einer extrem schnelllebigen Zeit, in welcher die Jungen grundsätzlich an nichts mehr interessiert sind. Werte die bis anhin gegolten haben, zerfallen schnell und neue Werte kommen auf. Nicht dass ich in der Ansicht konservativ bin, aber ich halte die momentane Gesellschaft für „jugendzerreissend“, d.h. die Jungen wissen gar nicht mehr wohin sie sich wenden sollen, sie strömen über all hin und versuchen trotzdem sich noch in die Gesellschaft einzugliedern. Kleider, Marken, das sind alles Versuche in eine Gruppe hineinzukommen, denn in der grossen Menge gehen sie völlig verloren. Drastisch formuliert sind die Jugendlichen heute verloren verwirrt und wenn da noch eine tiefe Frustrationstoleranz hinzukommt, dann artet es schnell aus. Ich finde den Zustand der Jugend in der Schweiz bedenklich. Das ist zwar Kritik auf einem hohen Niveau, aber ich glaube, wenn man hier keine Massnahmen ergreift, dann wird es später sehr schwierig hier eine Trendwende einzuleiten und diese Generationen wirklich in die Gesellschaft einzubinden.

Als ich mich im Vorfeld über die Jugendsession informiert habe und mich in meinem Umfeld umgehört habe, ob dies ein Thema ist, meinten viele, dass man ja nichts bewirke.
Ich persönlich bin der Ansicht, dass es bei der Jugendsession nicht vorrangig darum geht etwas zu bewirken. Trotzdem gibt es immer wieder Petitionen die weit kommen bzw. Anregungen schaffen und das Forum Jugendsession betreibt ja das ganze Jahr über Lobbyarbeit, d.h. sie treffen sich mit Nationalräten, Politikern usw. Hier bewegt sich wirklich etwas. Natürlich ist es schwer das zu beweisen oder aufzuzeigen. Doch es gibt viel wichtigere Effekte der Jugendsession: Diese kommt nun vielleicht bei dieser eintätigen Jugendsession.sommer etwas zu kurz, aber die dreitägige eidgenössische Jugendsession besitzt ein Rahmenprogramm, d.h. Aktivitäten zum Kennen lernen der Leute, der Stadt, ein Fest und man lernt so die Mechanismen und die Abläufe in der Politik kennen. Jugendliche die an der Jugendsession teilnehmen, die sind natürlich bereits politisch interessiert, das merkt man. Wenn nun aber jemand an der Jugendsession teilnimmt, dann geht der vielleicht danach nach Hause und sagt: „Die Jugendsession ist zwar nichts für mich, aber ich will trotzdem politisch aktiv sein.“ Damit hat die Jugendsession auch bereits viel getan.

Wenn man junge Politiker anschaut, dann werden diese werden diese zu starken Medienfiguren. Trägt das zu einem positiven Bild der jungen Politiker bei?
Es wird halt seitens der Partei sehr viel Zukunftsdenken in eine solche Person investiert und all diese Hoffnungen und Erwartungen kann eine solche Person eigentlich gar nicht erfüllen. Denn auch wenn man nun im Nationalrat ist, kann man alleine kaum etwas bewirken. Ein junger Nationalrat macht den Nationalrat noch nicht jung. Doch grundsätzlich haben junge Nationalräte, wie zum Beispiel der grüne Nationalrat Bastien Girod, ein sehr gutes Image.

Der zweite Vorwurf an die Jugendsession lautet, dass dies doch eh nur ein linker Haufen sei.
Ja, das steht auch gar nicht zur Debatte. Ich glaube beinahe jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin stehen politisch links oder zumindest mitte-links. An der eidgenössischen Jugendsession sind nicht einmal ein Dutzend Teilnehmer dem rechten Lager zuzuordnen, was natürlich den Nationalrat in keinster Weise repräsentiert. Geo Taglioni, der Projektleiter der Jugendsession, hat das Problem erkannt und weiss um das Problem. Es ist aber extrem schwer das Problem anzugehen, denn bei der Anmeldung weiss man ja nicht, welche politische Einstellung derjenige hat. Es gibt zwar einige, die ihre Parteizugehörigkeit angeben, doch viele sind nicht in einer Partei und auch noch nicht im Stimmalter. Oft haben sie auch noch keine gefestigte Meinung. Somit lädt man den Grossteil der Anmeldenden einfach ein. Rein statistisch sollten dann ja gleich viele Rechte wie Linke eingeladen werden. Da dies nun aber nicht so ist, heisst das, dass sich mehr Linke als Rechte für eine solche Veranstaltung anmelden. Solche Veranstaltungen sind ja auch ein kultureller bzw. sozialer Anlass und damit haben Rechte eher ein Problem als Linke. Wenn zu viele verschiedene Meinungen im Raum sind, verstehen sich Rechte meist missverstanden, sagen sie seien die einzigen, die recht haben und blocken dann einfach ab. Dann gibt es natürlich auch eine sehr starke Mund-zu-Mund-Propaganda: Wenn einmal ein Rechter an einer Jugendsession teilnimmt und dann zuhause erzählt, dass seien sowieso alles nur linke Socken, dann führt das rasch zu einem Boykott des Anlasses. An der letzten Jugendsession war ein Jung-SVP-Mitglied dabei, welches dann mit Geo Taglioni diskutiert hat und einen Aufruf in einer JSVP Zeitung gestartet hat, dass mehr Mitglieder der JSVP an der Jugendsession teilenehmen sollen. Vielleicht kann die rechte Front so wieder etwas gestärkt werden. Egal ob das nun gut oder schlecht wäre, würd dies die Jugendsession noch spannender machen. Verfolgt man im Parlament zum Beispiel die Diskussion über die Schweizer Armee, so ist diese extrem kontrovers, geladen und emotional. Sagt man in der Jugendsession, die Armee sei schlecht, dann nicken 90% der Leute. Das ist so ein Beispiel. An der letzten Jugendsession gab es drei öffentliche SVP-Mitglieder und am Ende sagt einer, dass er aufgrund seiner beiden Kollegen nun ein extrem schlechtes Bild seiner Partei hätte und er nun austrete. Darauf hin gab es flammenden Applaus, tosenden Beifall und Anfeuerungsrufe. Das ist wenig differenziert. Ich finde es nicht grundsätzlich schlecht, dass es die SVP gibt. Zum Teil haben sie unhaltbare Meinungen, aber die haben die Grünen auch. Aber genau durch diese Meinungsvielfalt funktioniert unser System: Durch die Zauberformel, durch die Vermischung auf allen Ebenen. Wenn man diese Vermischung nicht hat, wie an einer Jugendsession, muss man sich fragen: Ist das überhaupt repräsentierend.

Kannst du als Gruppenleiter hinter den Petitionen stehen, die hier erarbeitet werden. Diese sind doch alle sehr idealistisch geprägt.
Ja, aber diesen Idealismus nehme ich nicht als schlecht wahr. Diese Naivität, jetzt nicht im schlechten Sinne gemeint, gehört durchaus dazu. Hinter einer solchen Petition kann ja immer die gesamte Gruppe stehen, auch wenn nicht immer zu hundert Prozent, aber Politik ist ja immer Kompromisse schliessen. Doch auch wenn sich die Petitionstexte usw. sehr naiv anhören, so sind sie meistens, wenn man sich etwas eingehender damit befasst und die Begründungen liest, sehr sinnvoll. Da spielt es keine Rolle ob die Verfasser jung sind, es sind immer sinnvolle Ideen. Es ist meist eine rechte Arbeit, bis so ein Output – egal ob Petition, Statement oder was anderes – steht, doch am Ende kann man dahinter stehen. Und es ist ja auch nicht „spielen“ und deshalb idealistisch. Die Jugendsession ist nicht „Politik spielen“, es ist politisieren. Es ist vielleicht etwas einfacher, weil die Linken überwiegen, doch es ist trotz allem noch politisieren.

Fotos: Joel Krebs

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