NIFFF 2010 – Montag

Basler Psychiater und schachspielende Psychopathen

NIFFF 2010 Montag

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Nach dem spannenden und intelligenten ersten Open-Air Film „Die Tür“ bot der Dienstag erste Leckerbissen des frankokanadischen Kinos und der Schweizer Retrospektive: „Die ewige Maske“ zeigt, dass man sich auch in der Schweiz an den Expressionismus wagte, während in Quebec gute Erziehung (zu) gross geschrieben wird.

Von Lukas Hunziker.

Am Dienstag stand der erste Film der Schweizer Retrospektive „Im Schatten des Zweifels – die fantastische Seite des Schweizer Films“ auf dem Programm. „Die ewige Maske“ von 1935 ist eines der frühesten Werke des fantastischen Schweizer Films. Hauptfigur der fast ausschliesslich in einem Basler Spital spielenden Handlung ist Dr. Dumartin, welcher ein Heilmittel gegen die Meningitis-Epidemie gefunden zu haben glaubt, welche die Patienten des Krankenhauses reihenweise sterben lässt. Als der Chefarzt ihm jedoch verbietet, das vielversprechende aber noch nicht ausreichend getestete Serum einem Patienten zu verabreichen, entschliesst sich Dumartin, die Vorschriften zu missachten um damit Leben zu retten, und injiziert das Mittel einem sterbenden Kranken. Dieser spricht erst gut auf das Medikament an und befindet sich schon auf dem Weg der Besserung, als er Dumartin plötzlich doch unerwartet unter dem Händen wegstirbt.

Im Glauben, sein Heilmittel hätte den Patienten getötet, verliert Dumartin den Verstand. Während er im nächtliche Basel herumirrt, spaltet sich sein Ich und er hält sich für jemand anders als Dumartin. Inzwischen hat sich jedoch herausgestellt, dass das Heilmittel wirkt und der Tod des Patienten eine andere Ursache hatte. Selbst der Chefarzt will nun ohne Zögern das Heilmittel allen Patienten verabreichen, doch dazu muss Dumartin erst wieder zu sich finden, indem er in im Labyrinth seines Unterbewusstseins den ihm verhassten Dumartin findet und sich mit ihm versöhnt. In dieser Suche besteht die fantastische Handlung des Films: die zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschende Faszination für das Unterbewusstsein und psychische Krankheiten kommt in „Die ewige Maske“ deutlich zum Ausdruck. Wirklich packend ist die 85 Minuten lange Inszenierung eines Gewissenskonflikts nicht, als eher unbekanntes Stück Schweizer Filmgeschichte aber durchaus interessant.

Schachspiel um Leben und Tod

Etwas fantastischer ginge es im ersten Film der Kategorie „Gras Dur – Fantastische Filme aus Quebec“ zu. Der Horrorthriller „5150 Rue des Ormes“ lockte zahlreiche Zuschauer ins Théatre du Passage und begeisterte mit einer originellen und packenden Story. Der Filmstudent Yannik klingelt nach einem Fahrradunfall bei der Familie Beaulieu, die an der Adresse wohnt, welche dem Film den Titel gibt. Vater Jacques lässt ihn draussen warten und will ihm ein Taxi rufen, doch als Yannick merkt, dass er blutet, betritt er dennoch die Wohnung, um sich kurz zu waschen – der grösste Fehler seines Lebens, wie sich bald herausstellt. Kaum im Haus hört er nämlich eine Stimme, die um Hilfe schreit, und findet in einem Zimmer im ersten Stock einen Mann in einer Blutlache. Verständlich, dass Jacques Yannick nicht mehr gehen lassen kann, und so wird dieser unfreiwillig ein Mitglied der Familie Beaulieu, allerdings eingesperrt in einer kleinen Kammer.

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Die Beaulieus sind, wie sich bald herausstellt, fanatische Christen, und Jacques betätigt sich neben seinem Job als Taxifahrer als Rächer an sündigen Mitbürgern. Yannick gehört jedoch nicht zu diesen, so dass es für die Beaulieus keinen Anlass gibt, ihn umzubringen, obwohl er während seiner zahlreichen Fluchtversuchen immer wieder Familienmitglieder verletzt. Ihn laufen zu lassen kommt jedoch auch nicht in Frage, und so sucht Jacques nach einer Lösung für den Konflikt. Diese besteht schliesslich darin, dass er Yannick zum Schachspielen herausfordert. Sobald dieser ein Spiel gewinne, lasse er ihn frei, da dies ein Zeichen von Gott wäre, dass er, Jacques, unrechtschaffen sei. Yannick, der kaum Schach spielt, kann sich erst gar nicht für die Idee begeistern, fängt aber mit jedem Spiel mehr Feuer. Er wird täglich besser und sieht den Tag seines Sieges näherrücken. Was er nicht weiss, ist, dass das alles entscheidende Spiel auf einem Schachbrett der besondern Art, welches im Keller der Dumartins steht, ausgetragen würde.

Neben „Die Tür“ war „5150 Rue des Ormes“ das klare Highlight dieser ersten beiden Tage. Das frankokanadische Horrordrama ist originell, lustig, spannend, beängstigend und beklemmend zugleich. Eine DVD-Version ist derzeit leider nicht erhältlich bei uns. Bleibt zu hoffen, dass das NIFFF dazu beiträgt, dass Filme wie dieser aus Quebec auch bei uns ein Publikum finden und erhältlich werden.

Im Netz
Trailer zu „5150 Rue des Ormes“

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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