Julie Hastrup: „Blut für Blut“

Zwei Ermittlungen, ein Täter?

Julie Hastrup: „Blut für Blut“ (Thriller)

Es ist alles andere als einfach für die Polizei in Kopenhagen: Bereits seit einiger Zeit versetzt ein ungewöhnlich brutaler Serienvergewaltiger die Stadt in Angst und Schrecken, und dann geschieht auch noch ein Mord. Das einzige, was beide Fälle zunächst verbindet, ist, dass die Ermittler völlig im Dunklen tappen.

Von Stefanie Feineis.

blutfürblutFür den Gärtner des Kopenhagener Kastells beginnt der Morgen mit einem Schock: Beim Rasenmähen stösst er auf eine weibliche Leiche, die sich bald als die bekannte Sozialarbeiterin Kissi Schack entpuppt.

Viele Verdächtige, keine Hinweise

Im Gegensatz zu ihrem Kollegen Niclas Lundell, der bei der Jagd nach dem unheimlichen Serienvergewaltiger noch keinen Schritt weiter gekommen ist, stossen die Ermittlerin Rebekka Holm und ihr Kollege Reza Aghajan bald auf die ersten Verdächtigen im Mordfall Kissi: Ein Mann aus ihrem Hundeclub ist ein mutmasslicher Kriegsverbrecher und der neue Partner ihres Ex-Mannes scheint nicht wirklich traurig über Kissis Tod zu sein. Die heisseste Spur scheint aber zunächst Kissis Arbeitsplatz zu sein, ein Frauenhaus, in dem vor allem Ausländerinnen Schutz vor ihren gewalttätigen Männern suchen. Und von einigen dieser Männer wurde Kissi mehrfach bedroht. Zudem scheint eine Arbeitskollegin gerade krankhaft eifersüchtig auf die Tote gewesen zu sein. Doch trotz der grossen Anzahl von Verdächtigen, zahlreicher Verhöre und Nachforschungen lässt der Ermittlungserfolg auf sich warten, genau wie im anderen Fall. Hängen die beiden Verbrechen etwa zusammen?

Ein Pageturner?

Was auf dem Papier (und dem Buchcover) noch nach guten und ungewöhnlichen Ideen klingt, scheitert leider an der Umsetzung. Wieder einmal wird davon ausgegangen, dass ‚Thriller‘ nur die Darstellung besonders brutaler Verbrechen beinhaltet, und viel zu bald stellt sich Langeweile ein – geradezu das Todesurteil für jeden Thriller. Statt rasanter Ereignisse, neuer Entwicklungen oder interessanter Figuren beobachten wir über 200 Seiten lang, wie die Polizei auf der Stelle tritt. Episodenartig und teilweise ohne grossen Zusammenhang wechseln sich Verhörsituationen, Gespräche zwischen den Ermittlern, Szenen mit möglichen Verdächtigen, die den Leser zu offensichtlich auf eine falsche Fährte locken sollen, und Einblicke ins Privatleben von Rebekka Holm ab, grösstenteils ohne einen Hauch von Spannungsaufbau. Anders als die Polizei scheint ein ehemaliger Journalist längst zu wissen, was hinter den beiden Fällen steckt – nur leider lässt er bis kurz vor Schluss weder die Polizei noch den Leser an seinem Wissen teilhaben.

Klichees statt Figuren

Die Zeiten, als es ausreichte, einen Ermittler mit einer zerrütteten Beziehung, einer gescheiterten Karriere und/oder einem steten Konflikt zwischen Beruf und Privatleben auszustatten, um ihn nachher als ‚real‘ und ‚menschlich‘ vermarkten zu können, sind definitiv vorbei. Somit hat man die ganze ‚Leidensgeschichte‘ von Rebekka Holm bereits schon mal irgendwo gesehen oder gelesen, und das oft sogar besser. Ein paar echte Ecken und Kanten oder individuelle Eigenschaften hätten ihr gut getan. Gleiches gilt für nahezu alle anderen Figuren. So sind Holms Kollegen in den Augen des Lesers schlicht „der indische Kommissar“ und „der schwedische Kommissar“. Komplexität und Persönlichkeit – Fehlanzeige. Auch die möglichen Verdächtigen kommen allesamt zu offensichtlich und zu ’schuldig‘ daher. Und nicht zuletzt ist es zwar lobenswert, dass die Autorin ein schwules Paar zeigt, doch könnte die Darstellung der beiden Männer nicht stereotyper sein; und die Enthüllung, dass der eine trotz Scheidung und Coming-Out nicht die Finger von seiner Exfrau lassen konnte, wirkt forciert und wenig glaubwürdig; ein verzweifelter Versuch, den neuen Partner noch verdächtiger erscheinen zu lassen.

Am ehesten für Fans des ersten Buches „Vergeltung“ oder als Notfalllektüre geeignet; ansonsten hat gerade der skandinavische Krimimarkt besseres zu bieten.

Titel: Blut für Blut
Autorin: Julie Hastrup
Verlag: Piper
Seiten: 444
Richtpreis: 14.90 CHF

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