„Marie Antoinette“ von Sophia Coppola

Lost in Transplantation

„Marie Antoinette“ von Sophia Coppola

marie antoinette

Marie Antoinette gehörte zu den Sündenböcken in der Französischen Revolution, da sie auf die Nachricht, das Volk habe kein Brot, geantwortet haben soll „Dann sollen sie Kuchen essen“. Sophia Coppola nahm sich der verhassten Französischen Königin im dritten Teil über ihre Trilogie über junge Frauen an und lässt Versailles mit Pink und Punk aufleben und in die Gegenwart herüberblinzeln.

Von Lukas Hunziker.

1770. Um die politische Allianz zwischen Österreich und Frankreich zu stärken, wird eine Heirat zwischen der Österreichischen Prinzessin Marie Antoinette und dem Französischen Königssohn Louis Auguste arrangiert. Marie Antoinette kommt als 14-Jährige allein an den französischen Hof und hat als Dauphine und zukünftige Königin von Frankreich eine denkbar einfache Aufgabe; sie soll ihrem Mann Louis einen Sohn gebären und damit seine Thronfolge sichern. Obwohl es sich als praktisch unmöglich herausstellt, den frischgebackenen Ehemann zum Kuscheln zu bringen, wird Marie Antoinette schliesslich schwanger und bekommt damit die Freikarte für alle Laster, denen man in Versailles folgen kann. Im Rausch von Partys und Affären entgehen der vom Volk gehassten Prinzessin die Zeichen, welche die Französische Revolution ankündigen.

Gefangen in der Dekadenz

Wie seine zwei Vorgänger „The Virgin Suicides“ und „Lost in Translation“ erzählt auch „Marie Antoinette“ vom Schicksal einer jungen Frau in einer aussergewöhnlichen Lebenssituation. Herausgerissen aus ihrer Jugend und ihrem bisherigen Leben muss Marie Antoinette als Fremdorgan in einem neuen Körper funktionieren: der dekadenten, künstlichen Gesellschaft des Französischen Hofes in Versailles. Der Tagesablauf ist geprägt von sterilen Zeremonien, die sozialen Beziehungen zwischen den Adligen sind äusserst reizbar und der Klatsch und Tratsch unerbittlich. Innerhalb dieses Körpers neuer sozialer Zwänge und Riten versucht sich Marie-Antoinette zu behaupten und schafft es für eine kurze Zeit, als Herz dieses Körpers zu pulsieren, nur um dann tief und tiefer zu fallen. Der Rest ist Geschichte.

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

„Marie Antoinette“ ist kein gewöhnlicher Kostümfilm. Dies wird schon mit dem Vorspann klar, während dem die Opening Titles in Rosa zu Punkmusik erscheinen. Der Film arbeitet – vor allem auf der Ebene des Soundtracks – mit Anachronismen, welche deutlich machen, dass Marie Antoinettes Geschichte auch die Geschichte junger Frauen von heute ist. Die höfische Dekadenz von Versailles und die Gleichgültigkeit gegenüber dem sozialen Elende jenseits des Gartenzauns sind heute genauso zu finden wie damals. Doch der Film geht leider nicht weit genug in diese Richtung. Er versucht – und das ist eine seiner Schwächen – Marie Antoinette als arme, von gesellschaftlichen Zwängen geplagte tragische Heldin zu präsentieren. Dies nimmt dem Film den Biss, mit dem die etwas zu ereignislose Story hätte aufgepeppt werden können. Was bleibt ist ein bunter, optisch berauschender Film, dessen Dramaturgie aber für ein breiteres Publikum zu eigenwillig ist.

Ausstattung

Im ‚Making of‘ kommen – und dies ist lobenswert – fast alle Darstellerinnen und Darsteller wie auch die Regisseurin zu Wort und erzählen über die Dreharbeiten in Versailles und ihre Herangehensweise an die historische Geschichte. Was leider fehlt ist eine Stellungnahme Coppolas zur Aktualität ihrer Hauptfigur und die Gesellschaft, die sie prägte. Das Bonusmaterial wird ergänzt mit zwei kurzen entfallenen Szenen und einer Schlossführung mit Louis XVI, angelehnt an die MTV Show „Cribs“. Keine grosse Ausbeute, aber immerhin.


Seit dem 3. April 2007 im Handel.

Originaltitel: Marie Antoinette (USA, Frankreich 2006)            
Regie: Sophia Coppola
Darsteller: Kirsten Dunst, Jason Schwartzman, Judy Davis, Asia Argento, Marianne Faithfull, Rip Torn, Steve Coogan
Genre: Drama
Dauer: 118 Minuten
Bildformat: 1.85:1
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Türkisch, Englisch für Hörgeschädigte
Audio: Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial: Making of, „Cribs with Louis XVI“, Entfallene Szenen, Trailer
Vertrieb: Impuls (Sony Home Entertainment)

Im Netz
Trailer
Offizielle Englische Seite
Schöne, liebevoll gestaltete englische Seite mit ausführlichen Infos zur historischen Marie Antoinette

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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