„Shortbus“ von John Cameron Mitchell

Viel Lärm (und Sex) um Nichts

„Shortbus“ von John Cameron Mitchell

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Eines der letzten Tabu, dass der Kinofilm immer noch nur selten zu brechen wagt, ist die Darstellung von „echtem Sex“ auf der Leinwand eines Nicht-Porno-Kinos. Noch immer kann man mit erigierten Penissen und expliziten Aufnahmen des Geschlechtsaktes für ziemlichen Aufruhr sorgen. Bei „Shortbus“ war es nicht anders. Aber einmal mehr steckt hinter all dem Skandal eine mittelmässige Geschichte über … ja, über was?

Von Lukas Hunziker.

Im New Yorker Club ‚Shortbus‘, wo sich jene treffen, die Sex offener gegenüberstehen als der Mehrheit ihrer amerikanischen Mitbürger, treffen die drei Protagonisten des Films zusammen. Sofia ist Beziehungsberaterin und verheimlicht ihrem Freund, dass sie noch nie einen Orgasmus gehabt hat, Severin ist Domina und unfähig eine Beziehung zu führen und Jamie arbeitet an einem Film, um seinem Freund die wohl schwerste Entscheidung seines Lebens zu erklären.

Porno oder Kunst oder keines von beidem?

„Shortbus“ wurde mehrfach ausgezeichnet und erhielt auch in der Schweiz hervorragende Kritiken, die sich das DVD-Cover nicht zu zitieren scheut. Man fragt sich allerdings, ob sich die Kritiker nicht fast zu einer Lobpreisung gezwungen fühlten, um nicht als prüde zu gelten. Wenn man drei Schwule am Boden liegen und sich gegenseitig einen blasen sieht, kann das ja nur Pornographie oder Kunst sein, und da der Film nicht im Sexkino lief, fällt das erste wohl weg. Richtig, der Film ist definitiv kein Porno, auch wenn man sehr expliziten Sex zu sehen bekommt.  „Shortbus“ nähert sich unverkrampft und ohne die in amerikanischen Filmen üblichen Prüderie dem Thema Sex und sexuelle Entfaltung. Am besten gelingt ihm das mit der Figur Sofias, obwohl die Geschichte der Sextherapeutin, die keinen Orgasmus kriegen kann, kaum originell genannt werden kann.

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

Den grossen Punkteabzug bekommt der Film tatsächlich für die Geschichten, die er erzählt. Die Geschichte des schwulen Pärchens Jamie und Jamie ist zwar origineller als jene von Sofia, aber so durchzogen von Sentimentalität und Klischees, dass man irgendwann einfach die Augen verdreht. Warum es als Angelpunkt der Geschichte den Sexclub braucht, ist eigentlich auch schleierhaft. Dazu kommt, dass es schlussendlich um das Sexleben einer Sextherapeutin, deren Sexleben aus Stellungskriegen besteht, eines schwulen Videokünstlers und einer Domina geht. Es wäre interessant gewesen, auch das Sexleben eines sexuell durchschnittlicheren Paares zu thematisieren. Damit hätte sich der Film etwas von Sensationalistischen befreien können, das ihm so anhaftet. Kurz: es fehlt dem Film an Tiefe, an Aussagekraft, an Alltagsbezug. Wenn sich ein Mann bei akrobatischen Masturbationsübungen filmt und danach weint, ist das einfach noch kein tiefgründiger Film über Sexualität in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.

Ausstattung

Den Hauptteil des Bonusmaterials auf der DVD machen zusätzliche Szenen von insgesamt einer halben Stunde aus. Die Szenen sind allerdings nicht immer neue Szenen, sondern meist etwas abgeänderte oder ausgebaute Szenen, die im Film schon zu sehen waren. Eine Bereicherung wären sie für den Film nicht gewesen und sind es deshalb auch nur beschränkt für die DVD. Neben den zusätzlichen Szenen gibt es den Trailer mit Einführung des Regisseurs und sieben Minuten ‚Behind the Scenes‘ Material von den Dreharbeiten der grossen Sexorgie. Damit bekommen alle, die die DVD wegen den sexuell expliziten Szenen gekauft haben, nochmals auf ihre Rechnung. Wer dem Film mit dem Bonusmaterial doch noch einen tieferen Sinn abgewinnen wollte, zuckt ein zweites Mal enttäuscht mit den Schultern.


Seit dem 19. April 2007 im Handel.

Originaltitel: Shortbus (USA 2006)            
Regie: John Cameron Mitchell
Darsteller: Sook-Yin Lee, Paul Dawson, Lindsays Beamish, PJ Deboy, Raphael Barker
Genre: Sexdrama
Dauer: 98 Minuten
Bildformat: 16:9
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Französisch
Audio: Dolby Digital 5.1, Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial: Zusätzliche Szenen, Feature „How to shoot sex“, Trailer
Vertrieb: Impuls

Im Netz
Trailer

Offizielle Deutsche Seite

Offizielle Englische Seite

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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