„Shooting Dogs“ von Michel Caton-Jones

Hervorragende historische Momentaufnahme

„Shooting Dogs“ von Michel Caton-Jones

shooting dogs 1

Das Kino hat den schwarzen Kontinent neu entdeckt: Filme über die politischen und kulturellen Tragödien, die sich in vielen Ländern Afrikas abspielen, überfluten unsere Kinos geradezu. Lange nicht alle vermögen ein authentisches Bild des Afrikaproblems zu zeigen. „Shooting Dogs“ jedoch ist eine erbarmungslose Ausnahme.

Von Lukas Hunziker.

1994. Pater Christopher (John Hurt) leitet in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, eine Schule, zusammen mit dem jungen, engagierten Lehrer Joe Connor. Noch immer stehen die zwei Bevölkerungsgruppen der Tutsi und der Hutu im Konflikt miteinander. Als am 6. April der Präsident von Ruanda ermordet wird, beginnen radikale Hutu die Tutsi zu verfolgen, was in einem bestialischen Völkermord endet. Schon in der Nacht des 6. April nehmen Pater Christopher und Joe eine grosse Zahl an Flüchtlingen auf, die sich unter dem Schutz von UN-Blauhelmen in der Schule vor den mordenden Hutu verschanzen. Doch die Tage der UN-Truppen in Ruanda sind gezählt und ausserhalb der Tore scharen sich radikale Hutu mit Macheten…

Unglaublich aber wahr

„Shooting Dogs“ beruht nicht nur auf wahren Begebenheiten, sondern wurde auch an Original-Schauplätze gedreht und entstand unter der Mitarbeit von den Überlebenden der Massaker, die 1994 in Ruanda stattfanden. Regisseur Michael Caton-Jones schrieb Authentizität für seinen wohl bisher besten Film gross und das hat sich gelohnt. Leichte Kost serviert er nicht; über 115 Minuten spitzt sich eine brenzlige Situation zu einer der grossen Tragödien des 20. Jahrhunderts zu. Psychologisch geschickt wird der Zuschauer zusammen mit den Tutsi-Flüchtlingen in Pater Christophers Schule isoliert und muss zusehen, wie er eingekreist wird. Popcorn wird zu diesem Film niemand essen; zu gross ist die Spannung, zu angespannt die Situation, zu unglaublich die Ereignisse, die vor dreizehn Jahren dennoch blutige Realität waren.

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

Obwohl der Film mit einem eher niedrigen Budget zustande kam, kann sich das Resultat mehr als sehen lassen. Mit John Hurt und Hugh Dancy wurden die zwei Hauptrollen hervorragend besetzt. Doch auch die Nebendarsteller, wie Dominique Horwitz als UN-Offizier und die Debütantin Clare-Hope Ashitey als Tutsi-Mädchen vermögen zu glänzen. Was verhindert, dass der Film ein wirklich breites Publikum ansprechen kann, ist die Schonungslosigkeit, mit welcher er Gewalt darstellt. Zwar gibt es keine sadistischen Nahaufnahmen, aber auch eine aus weiter Ferne beobachtete Ermordung mit einer Machete kann schockierend sein. In den USA startete der Film unter dem Titel „Beyond the Gates“ – wahrscheinlich weil man den Titel „Shooting Dogs“ nicht verstand und ihn deshalb als zu abschreckend befand. Wer sich den wenigen physischen Gewaltszenen aber zu stellen getraut, bekommt einen spannenden, unprätentiösen und psychologisch gewaltigen Film zu sehen.

Erstklassiges Bonusmaterial

Auch das auf der DVD enthaltene Bonusmaterial übertrifft alle Erwartungen. Nicht nur in einem Audiokommentar, sondern auch in einem 20minütigen Interview steht Regisseur Michael Caton-Jones Rede und Antwort. Dabei gibt es keine langweiligen Lobeshymnen auf die Crew, sondern unverblümte, ehrliche Antworten auf spannende Fragen. Ein 40minütiges ‚Making of‘ gibt weitere Infos und ist mit Interviews fast aller Darsteller gespickt. Auch John Hurt und Hugh Dancy haben mehr zu sagen, als dass die Arbeit mit Caton-Jones ihnen gefällt und man merkt, dass sie das Projekt ebenso gefesselt hat, wie es den Zuschauer fesselt. Doch damit nicht genug; wer noch mehr wissen will, erfährt in einer weiteren halbstündigen Dokumentation etwas über die Filmvorbereitungen, z.B. über den Originalschauplatz, der Schule in Kigali. Erstklassige Extras zu einem erstklassigen Film – solche DVDs sollte es mehr geben.


Seit dem 11. Mai 2007 im Handel.

Originaltitel: Shooting Dogs (Grossbritannien, Ruanda 2007)            
Regie: Michael Caton-Jones
Darsteller: John Hurt, Hugh Dancy, Dominique Horwitz, Clare-Hope Ashitey
Genre: Drama
Dauer: 115 Minuten
Bildformat: 16:9
Sprachen: Englisch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Französisch, Holländisch
Audio: Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial: Audiokommentar des Regisseurs, Interview mit Regisseur Michael Caton-Jones, Making of, Filmvorbereitungen, Trailer
Vertrieb: Moviemento

Im Netz
Trailer
Offizielle Englische Seite
Offizielle Amerikanische Seite zum Film

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert