„Die Fremde in dir“ von Neil Jordan

Wenn Rache mal nicht süss ist

„Die Fremde in dir“ von Neil Jordan

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Dem Rachedrama „The Brave One“, mit deutschem Titel „Die Fremde in dir“, wurde von der Kritik heftig vorgeworfen, Selbstjustiz zu rechtfertigen. Tatsächlich scheint die Botschaft des Films arg bedenklich; lässt dieser doch eine mehrfache Mörderin ungestraft davon kommen. Doch der Film begeht noch weitere Fehler, über die selbst die gut inszenierten Spannungsmomente kaum hinweg täuschen mögen.

Von Lukas Hunziker.

Erica ist mit Glück sowohl im Beruf als auch in der Liebe gesegnet; sie hat eine erfolgreiche Radiosendung und bereitet ihre Hochzeit vor. Doch eine Gang tätowierter Rapper-Typen zerstört dieses Glück jäh, als sie dem Pärchen nachts in einer Unterführung auflauern, Erica spitalreif und ihren Freund gar zu Tode prügeln. Erica erholt sich von ihren Verletzungen, nicht aber vom Trennungsschmerz und einem Gefühl von Ungerechtigkeit. Noch immer von Todesangst erfüllt, wenn sie auf die Strasse geht, kauft sie sich eine Waffe, und als sie in einem Supermarkt Zeugin eines Mordes wird, macht sie ein erstes Mal Gebrauch davon, als sie in der U-Bahn bedroht wird, ein zweites Mal. Von Schuldgefühlen geplagt freundet sie sich mit dem Polizist an, welcher den beiden Mordfällen nachgeht, bringt es aber nicht über sich, sich selbst anzuzeigen. Es folgen weitere Morde, und Erica wird zur reuigen Rächerin, bis sie sich schliesslich dem Mörder ihres Freundes gegenüber sieht.

Bedenkliche Rechtsvorstellungen

Rachethriller haben eine unheimliche Faszination; sie entlarven uns, wie wir uns ob der Bestrafung der Bösewichte freuen, obwohl wir eigentlich wissen, dass Selbstjustiz zu den destruktiven Phänomenen unserer Gesellschaft gehört. „Die Fremde in dir“ versucht dieses Dilemma zur Sprache zu bringen, und Jodie Foster bemüht sich Erica als Frau darzustellen, die den Kampf gegen ihre Rachegelüste langsam aber sicher verliert. Doch gerade, da der Film ein so ernstes Thema behandelt, schockiert es, dass Erica als Identifikationsfigur aufgebaut wird, als sympathische Rächerin, die letztendlich davonkommt, ohne für ihre Morde in irgendeiner Form zu büssen. Mag dies auch kein Aufruf zur Selbstjustiz sein, so ist auch deutlich keine Verurteilung derjenigen – eine für die schiesswütige USA mehr als fragwürdige und dumme Botschaft. Denn reflektiert man nicht kritisch über ihn, so entnimmt man dem Film vor allem eine Message: böse Jungs umbringen ist okay, die haben’s ja verdient.

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

Konstruiert und reich an Klischees

Auch filmisch ist „Die Fremde in dir“ eher mässig gelungen. Zwar gibt es einige Spannungsmomente, gute Dialoge und interessante Figuren, doch insgesamt wirkt die Story schrecklicht konstruiert. Kein Klischee wird ausgelassen, um die Harmonie und das Glück Ericas zu inszenieren. Die Bösen sind tätowierte Mittelamerikaner, die U-Bahn-Belästiger schwarze Hip-Hopper mit Messer. Ericas Reaktion auf ihren ersten Mord wird in Zeitlupe dargestellt, die Musik strotzt in den feinen Szenen nur so von Sentimentalität. Den Tiefsinn, welcher die Macher und auch Jodie Foster im Film sehen, muss man lange suchen, denn dass er in den Monologen Ericas verborgen ist, darf man auch anzweifeln. Schade, denn wäre der Film immerhin gut umgesetzt worden, könnte man so knapp über das Fehlen der poetic justice hinwegsehen – so verliert der Film jedoch leider auf der ganzen Strecke.

Ausstattung

Neben ein paar entfallenen Szenen enthält die DVD ein ansehnliches, dichtes ‚Making of‘ mit diversen Interviewsequenzen und interessanten Kommentaren, aber auch eher belanglosem Blabla, welches die Beantwortung der wichtigsten Fragen dennoch nicht zulässt. Sehenswert aber allemal.


Seit dem 15.Februar 2008 im Handel.

Originaltitel: The Brave One (USA 2007)            
Regie: Neil Jordan
Darsteller: Jodie Foster, Terrence Howard, Naveen Andrews, Nicky Katt, Mary Steenburgen
Genre: Thriller / Drama
Dauer: 117 Minuten
Bildformat: 2.40:1
Sprachen: Englisch, Deutsch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Deutsch für Hörgeschädigte
Audio: Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial:
Vertrieb: Warner

Im Netz
Trailer
Offizielle Englische Seite zum Film

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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