„Das Siebente Siegel“ von Ingmar Bergmann
Geschichten von Freund Hain
„Das Siebente Siegel“ von Ingmar Bergmann
Der Tod. In Persona. Wenn er da ist, ist’s aus. Oder vielleicht doch nicht? Vielleicht könnte man den Tod ja anderweitig beschäftigen. Zum Beispiel ne Zigarette mit ihm rauchen. Oder ein Rätsel stellen. Einfach blöd mit ihm quatschen. Oder aber, wenn gar nichts mehr hilft, könnte man es ja wie der Ritter Block in Bergmanns „Das Siebente Siegel“ machen: man fordert Freund Hain einfach zum Schachduell.
Von Alexander Sigrist
Mitte des 14. Jahrhunderts: der Ritter Antonius Block kehrt aus einem Kreuzzug in sein Heimatland zurück – als mit einem Mal der Tod vor ihm steht und Tribut fordert. Doch Block ist noch nicht bereit zu gehen, nicht ohne den Sinn des Lebens verstanden zu haben. So fordert er den Tod zu einem Schachduell heraus und der Tod, anscheinend ein versierter Schachspieler, akzeptiert die Herausforderung. Zwischen den Zügen hat Block die Möglichkeit weiter zu reisen. So ist seine Reise nicht nur eine Reise nach Hause, sondern eine Reise durch die Menschheit, eine Konfrontation mit anderen Menschen, eine Odyssee an deren Ende die Erlösung durch die Sinnfindung erhofft wird.
Ingmar Bergmann, geboren 1918, gestorben letztes Jahr, Sohn eines lutherischen Pastors, bereits in Kindesjahren fasziniert von der Inszenierung von Bildern und Geschichten, erfolgreicher Regisseur, der beinahe sechzig Jahre lang im Kino gewirkt hat. Um diesen Mann in einem Satz zu beschreiben, könnte man wohl folgendes sagen: Ingmar Bergmann war ein (sehr zurückhaltendes) Enfant Terrible, ein später Expressionist, der es wie kein zweiter verstand, den Symbolismus seiner schwarzweissen Filme dazu benutzen, seinen eigenen Pessimismus über unsere Welt auszudrücken. Dies könnte man wohl sagen und man hätte wohl auch recht. Vielmehr jedoch müsste man diesen Satz jedoch in drei Einzelteile zerlegen, um zu verstehen, was genau gemeint ist.
1. Das Enfant Terrible
Bergmann war ein Enfant Terrible insofern, als dass er öfters mit der Zensur in die Kränze kam, vor allem durch seine teilweise heftige Kritik an der christlichen Kirche, doch auch seine explizite Darstellung nackter Körper, die man hin und wieder in seinen Filmen findet, stiess so mancher Zensurbehörde sauer auf. Anstatt jedoch zu krebsen, wie es viele Filmemacher wohl machen würden, schnitt der Mann kurzerhand in den Vorspann seines Filmes „Persona“ drei Einzelaufnahmen eines erigierten Penis. Hat nichts mit dem Film zu tun, war einfach eine Kampfansage gegen die Zensur. Sozusagen der auf Zelluloid gebrannte Stinkefinger in Penisform.
Wer sich „Das Siebente Siegel“ ansieht, wird wissen, warum nicht nur die Zensur, sondern vor allem auch die Kirchenväter ihre Probleme mit dem Regisseur hatten. So baut Bergmann zwar auf christliche Mythologie auf, wenn er Gevatter Tod auftreten lässt, doch übt ebenfalls starke Kritik an der Kirche als Institution. Am Ende findet Block keine Erlösung in der Kirche, sucht vergebens das Gespräch mit Gott (oder dem Teufel), noch nicht einmal das letzte Abendmahl kann ihn retten, ihm Sinn geben – die christliche Kirche ist im Film zu scheitern verurteilt. Dies ist jedoch auch die Stärke des Films, stört man sich nicht an der Kritik: Bergmann ist daran interessiert den Menschen in einer Welt zu verorten, die vor allem durch die Abwesenheit Gottes glänzt. Das Ergebnis ist ein philosophisches Stück Film, welches nach dem Sinn des Glaubens fragt und den Zuschauer somit selber zum mitdenken einlädt.
2. Der Expressionist
Bergmann ist ein später Expressionist und Symbolist insofern, dass er öfters mal die eigentliche Aussage seines Filmes in Symbole packt, mit Licht und Schatten spielt. So ist „Das Siebente Siegel“ auch in dieser Hinsicht prototypisch: natürlich kann man in jeder Szene einen symbolischen Unterton entdecken, doch vor allem gegen Ende hin verschiebt sich die Aussage des Films auf eine symbolische Ebene, auch die Handlungen, die Aussagen der Charaktere werden in den letzten Minuten arg symbolisch. Das ist einerseits natürlich faszinierend, lädt zur Sinnsuche im Film ein, auf der anderen Seite jedoch auch enttäuschend (und dies ist die Schwachstelle des Films): so versucht man als Zuschauer selber den grossen und ganzen Sinn des Filmes zu finden, eine wichtige Aussage, die grösser ist, als das lapidare „Sterben müssen wir alle“, doch diese will sich nicht offenbaren. Eine Schwachstelle, die jedoch bewusst gewählt sein mag: denn auch Block findet keinen Sinn im Leben, kann sich am Ende nur in die unsichere Obhut der Familie, der Freunde, des Glaubens begeben, ohne zu verstehen, was mit ihm geschieht, nur auf Offenbarung hoffend. Genau das Gleiche passiert mit dem Zuschauer: am Ende versteht er so wenig den Sinn des ganzen, kann sich nur in seine eigene Welt zurückziehen und muss Regisseur Bergmann schlichtweg glauben, dass das Ganze einen Sinn hatte. Der Zuschauer wird gezwungen, durch das Fehlen einer klaren Moral der Geschichte, Blocks Platz einzunehmen und sich unwissend dem Tod (oder halt dem Ende des Films) zu fügen.
3. Der Pessimist
Und Bergmann ist Pessimist insofern, als dass seine Filme meist ein eher düsteres Bild auf die Menschheit und ihre Institutionen werfen. So geht es in „Wilde Erdbeeren“ um die Vereinsamung, Ent-Emotionalisierung des Subjekts, in „Szenen einer Ehe“ um die Zerpflückung des Ehebundes an sich, in „Schreie und Flüstern“ um die (vergebliche) Suche nach Erlösung, und immer, immer wieder, geht es um die Abwesenheit Gottes und die Sinnlosigkeit des Glauben. Einmal mehr kann man „Das Siebente Siegel“ als in dieser Hinsicht typisch betrachten: nicht nur wird die Abwesenheit Gottes durch und durch thematisiert (ja, noch nicht einmal der Tod weiss, wo er ist), auch die Menschheit ist dem Untergang geweiht: allerortens glaubt man, das Jüngste Gericht sei gekommen, raubt, tötet, vergewaltigt, verbrennt Hexen deshalb. Die Menschen in „Das Siebente Siegel“ sind böse und Ausnahmen gibt es wenige: vielleicht die Gauklertruppe, die zu Block stösst, ja vielleicht ist Block selbst ein guter Mensch. Die pessimistischen Untertöne überwiegen jedoch, und spätestens wenn in einer langen Szene die Geissler, die sich selbst auspeitschen, mit einer Horde von singenden Mönchen durchs Bild laufen, weiss man, welche Bergmann’sche Stunde geschlagen hat: das sind keine Menschen mehr, dass sind Verrückte, Verrückte durch ihren Glauben, welche in einer sinnentleerten Welt nur mit der Sinnentleerung, der Geisselung ihres eigenen Daseins antworten können.
„Das Siebente Siegel“ mag also kein perfekter Film sein: ja, vor allem das Ende, welche den Sinn oder die Moral vermissen lässt – ob nun Absicht oder nicht – enttäuscht ein wenig. Der Film hat aber genügend Vorzüge, um dieses Manko vergessen zu machen: symbolische, gewichtige Szenen, philosophischer Anspruch und eine Inszenierung, die zeigt, warum Bergmann als einer der ganz grossen gilt.
Ausstattung
Sieht zwar auf den ersten Blick nicht nach viel aus, ist aber anständig: auf DVD 1 gibts einige Trailer zu bestaunen, sowie Texttafeln zu Bergmanns Schaffen, Produktionsnotizen und eine Fotogalerie. Highlights sind jedoch die Dokumentation zu Bergmanns Theaterzeit und Privatleben auf DVD 2, sowie das ausführliche Booklet, welches beliegt. So sollen Klassiker ausgestattet sein!
Seit dem 25. Juli 2008 im Handel.
Originaltitel: Det Sjunde Insglet (USA 2006)
Regie: Ingmar Bergmann
Darsteller: Gunjar Björnstrand, Bengt Ekerot, Nils Poppe, Max von Sydow
Genre: Mystery-Drama
Dauer: 94 Minuten
Bildformat: 1.33:1
Sprachen: Deutsch, Schwedisch
Untertitel: Deutsch
Audio: Dolby Digital 2.0 Mono
Bonusmaterial: Fotogalerie, Produktionsnotizen, Fotogalerie, Dokumentation zu Bergmanns Theaterzeit und Privatleben, Booklet, Trailer
Vertrieb: Impuls
Im Netz
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