„Streets of Rio“ von Alexander Pickl
Gangster-Gehabe
„Streets of Rio“ von Alexander Pickl
Es gibt Filme auf dieser Welt, die möchte man als wichtig bezeichnen. Weil sie halt eine Aussage haben, oder dem Zuschauer etwas vor Augen führen, was ihm ohne den Film wohl verborgen geblieben würde. Und dann gibt es Filme, die haben scheinbar einen solchen Anspruch, dich sich dann aber unter dem Strich als gerademal pseudo-anspruchsvoll entpuppen. „Streets of Rio“, zum Beispiel, scheint dem Zuschauer die Armut in Rio vor Augen zu führen wollen, scheitert aber an seiner eigenen Oberflächlichkeit.
Von Alexander Sigrist.
Tiago lebt in einer Hütte mitten in den Slums von Brasilien. Sein Bruder versucht, seit ihr Vater ermordet wurde, die Familie mit harter Arbeit über die Runden zu bringen. Seine Mutter hat den Tod ihres Mannes nicht verkraftet und fristet ihr Dasein völlig in ihrer eigenen, kleinen, heilen Welt zurückgezogen. Tiago jedoch hat Träume, hat Ziele: er will Fussballstar werden. Dazu jedoch muss er sich mit dem Gangster Tubaro einlassen, welcher ihm prompt einen Platz in einer Fussballmannschaft besorgen kann. Für Tiago beginnt mit dem Kontakt mit Tubaro eine schmale Grandwanderung zwischen der Erfüllung seiner Träume auf der einen Seite und Drogen, Gewalt, Mord auf der anderen. Ein Schelm, der denkt, dass das gut gehen kann…
Nun: Diese Beschreibung klingt spannender, als das es die Chose wirklich ist.
Denn die Beschreibung klingt, als könnte „Streets of Rio“ ein spannendes Gangsterdrama mit ernsthafter und aktueller Kulisse sein, welches gekonnt die Armut in Rio als Hintergrund nimmt, um den Zuschauern zu zeigen, wie schnell die Ausweglosigkeit, die die Armut mit sich bringt, den edelsten und ehrlichsten Menschen in einen Verbrecher verwandeln kann. Halt ein Film im Sinne von „City of God“: Spannend, aufwühlend, mitreissend, anspruchsvoll. Leider entpuppen sich diese Erwartungen als viel zu hoch.
Von Exotismen, Pseudo-Ansprüchen und stereotyper Coolness
Einerseits, und das ist das schlimmste am film, entpuppt sich der Hintergrund des Films, die Armut und das Elend, schlussendlich nur als Mittel zum Zweck, als Exotismus, Pseudo-Anspruch, der nicht ausgeschöpft wird. Daran ist vor allem die generische Story Schuld: die Geschichte vom armen Typen, der nach oben steigt und sich im Verbrechen verliert, hat man schon zig-mal gesehen und kann kaum vom Hocker reissen. So bleibt nur das schale Gefühl, die Macher hätten einfach eine Story gehabt und diese in einen Hintergrund gesteckt, welcher die Publikumsmasse hoffentlich ansprechen würde. So dient der Hintergrund dem Film nur, sich wichtig zu machen, sich neben „City of God“ aufzustellen, spätestens aber, wenn sich der Plot in der zweiten Hälfte in stereotypem Gangster-Gehabe, Kokain-Geschlürfe und billigen Sexszenen verliert, weiss auch der hinterste und letzte, dass es hier nicht um Reflektierung, sondern nur um zur Schau-Stellung geht.
Andererseits kann der Film auch technisch nicht ganz überzeugen. Zwar wird das geringe Budget recht anständig kaschiert, allerdings ist das ganze derart hektisch gefilmt und andauernd in übertrieben Nahaufnahmen gehalten, dass „Streets of Rio“ einfach mühsam anzusehen ist. Auch die durchwachsenen Schauspieler können nicht wirklich überzeugen, zumal sie nicht nur mau spielen, sondern auch sich mit Stereotypen rumschlagen müssen: die Gangster müssen Goldkettchen tragen und mit Waffen rumfuchteln, die Frauen müssen mit der Oberweite wackeln und Tiago muss Latin-Lover-lieb dreinschauen. Wenig Talent, wenig Drehbuch, wenig Ideen: Raum zum Schauspielen hat da keiner.
„Streets of Rio“ hat zwar gute Ansätze: aus dem Hintergrund hätte man was machen können, „City of God“ hats bewiesen. Leider ist „Streets of Rio“ kein „City of God“. Zu generisch die Story, zu durchwachsen die Schauspieler, zu mau die Technik. So bleibt ein oberflächliches, stereotypierendes Gangsterfilmchen, das nur wenige mitreissen wird.
Ausstattung
Bis auf ein paar Trailer: kein Bonusmaterial
Seit dem 21. August 2008 im Handel.
Originaltitel: Showdebola (Deutschland 2005)
Regie: Alexander Pickl
Darsteller: Luís Otávio Fernandes, Thiago Martins, Lui Mendes, Naima Santos
Genre: Gangster-Drama
Dauer: 97 Minuten
Bildformat: 1.85:1 (16:9 anamorph)
Sprachen: Deutsch, Portugisisch
Untertitel: Keine
Audio: Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial: Trailer
Vertrieb: Impuls
Im Netz
Trailer
Offizielle Seite
Normalerweise nicht mein Stil… aber heute bin ich zumindest in „Laune“ meinem Namensvetter „Alexander“ ein paar Zeilen zu schreiben. Ich finde es erstaunlich wie viele „Rio“ bzw. Brasilien Experten aus ihren Löchern gekrochen sind seit dieser Film erschienen ist.
Verblüffend wo dieses ausgeprägte Wissen über die Zustände in Rio auf einmal herkommt, da
doch die Brasilianische Presse „Showdebola“ ausdrücklich gelobt hat. Auch eine Brasilianische Sozialarbeiterin die jahrelang in Rio in den Favelas gearbeitet hat…lobt die Realitätsnähe ausdrücklich. (Amazon). Das in Deutschland gerne mal fröhlich drauf los kritisiert wird bin ich ja gewöhnt…möchte aber doch allen Kritikern mal nahelegen selber mal nach Rio zu Reisen und sich 2 Monate in den Favelas aufzuhalten. Wahrscheinlich würden sie in einem „Plastiksack“ wieder rauskommen.
Ich war viele Male zu Recherchen in den Favelas, unter anderem auch in Villa Mimosa… und mußte mich mit den dortigen „Bossen“ einigen. Es ist nun mal so… das der Körperkult speziell in Rio an erster Stelle steht… einhergehend mit allen Klischees, wie Goldkettchen, Waffen, Drogen… etc.
Übrigens die Frauen „wackeln“ tatsächlich mit ihren Oberweiten… da ein Großteil damit sein Geld verdient. Jeder Jugendliche und ich meine wirklich jeder spielt dort Fußball… und es ist das große Ziel entdeckt zu werden.
Ich finde die Schauspieler haben (zum großen Teil Laienschauspieler aus einem sozialen Schulprojekt ) hervorragendes geleistet. Es war nie das Ziel sich an „city of god“ zu orientieren…
sondern möglichst athentisch eine Geschichte zu erzählen wie sie dort jeden Tag vorkommt.
Der Stolz, die Würde und die Lebenslust der sogenannten „armen“ Menschen hat mich zutiefst beeindruckt.
Ein bißchen mehr Demut und Bescheidenheit würde uns Deutschen manchmal auch ganz gut zu Gesicht stehen.
Also mein Tipp… weniger Selbstgefälligkeit… mehr Recherche….und eine Reise nach Rio.