„Wall.E“ von Andrew Stanton
Kavallier und Ökoheld
„Wall.E“ von Andrew Stanton
Wenn es im Kino von heute etwas wirklich schwieriges gibt, dann ist dies eine Liebesgeschichte zu erzählen, die nicht nur hormondurchströmten Teenager Tränen zu entlocken vermag. Umso grösser ist die Überraschung, dass dies ausgerechnet einem Animationsfilm mit Robotern als Hauptfiguren gelingt. Wall.E, das Auslaufmodell eines Abfallverarbeitungsroboters, vermag im neusten Pixar-Werk mit nur zwei Worten mehr zu rühren, als der absaufende Leonardo die Caprio.
Von Lukas Hunziker.
Wall.E, eigentlich eine Abkürzung für ‚Waste Allocation Load Lifter Earth-Class‘, ist der letzte Roboter seiner Art und der letzte Bewohner des Planeten Erde. Die Menschheit hat den Planeten schon vor hunderten von Jahren verlassen, da sie buchstäblich im eigenen Abfall zu ertrinken drohte und das letzte bisschen Vegetation von der Erde verschwunden war. Seit sich die Menschen in einem Raumschiff auf eine ungewisse All-Odyssee begaben, räumt Wall.E das Chaos auf, welches sie hinterlassen haben. Allerdings hat er über die vielen Jahre Einsamkeit so einige Ticks entwickelt; er presst zwar noch immer Abfall zu Klötzen und schichtet diese zu Pyramiden auf, gleichzeitig aber sammelt er alles, was er schön findet, und nimmt es zu sich nach Hause. Das Herzstück von Wall.Es heimeligem Container ist ein Fernseher, auf dem er sich Abends alte romantische Filme anschaut.
Roboterliebe auf den ersten Blick
Doch dann, eines Abends, hat Wall.Es Einsamkeit ein Ende. Auf von Abfall befreiten Fläche unweiter von seinem Zuhause landet ein kleines Raumschiff, aus welchem ein Roboter steigt – oder genauer gesagt: eine Roboterin. Wall.E, schmutzig, angerostet und eigentlich reif für das Robotermuseum, sieht sich der Perfektion seiner Art gegenüber: EVE, kurz für Extra-terrestrial Vegetation Evaluator. Ausgestattet mit einer eingebauten Laserpistole macht sie es Wall.E schwer, sich zu zeigen: wann immer sich was bewegt, schiesst EVE wild um sich. Dennoch gelingt es Wall.E schliesslich, das Vertrauen der geheimnisvollen Besucherin zu gewinnen und als die abendlichen Stürme aufkommen, folgt sie ihm widerwillig in seinen Container. Doch Wall.Es Sammlung lässt EVE eher kalt – bis er ihr das zeigt, was sie programmiert wurde, auf der Erde zu suchen …

Roboter als Identifikationsfigur
Zum Rest der Geschichte soll nicht zu viel verraten werden. Und für Wall.E spielt es auch kaum eine Rolle, dass er unfreiwillig zu einem der Hauptakteure bei der Rettung der Menschheit wird, welche in ihrem Raumschiff vom Autopiloten kontrolliert und beherrscht werden. Alles, was Wall.E will, ist EVE, auch wenn ihre Programmierung nichts dergleichen vorsieht. Was immer Wall.E tut, tut er um EVEs Liebe zu gewinnen. Klingt kitschig, klingt abgedroschen, und funktioniert dennoch. Wall.E, obwohl er ein rostender, nicht besonders attraktiver Roboter ist, wird gerade für den männlichen Zuschauer zur Identifikationsfigur schlechthin. Mit den drei Worten ‚Wall.E‘, ‚EVA‘ (Wall.E kann EVE nicht aussprechen) und ‚Directive‘ (‚Auftrag‘) erzählt der Film eine überzeugende, traurige und schöne Liebesgeschichte. Im Gegensatz zu Dreamworks‘ „Robots“ sehen Pixars Roboter nicht wie Menschen aus und können auch nicht sprechen, und trotzdem hat die Geschichte bei weitem mehr Tiefe und Überzeugungskraft.
Anwalt der Umwelt
„Wall.E“ begnügt sich aber nicht mit der Liebesgeschichte, sondern äussert sich auch sehr ernst und provokativ zu Umweltfragen. Die Erde ist komplett zerstört, und der Film lässt keinen Zweifel daran, dass dies allein menschlichem Verschulden zuzuschreiben ist. Einmal mehr zeigt Pixar, wie schon in „Toy Story“ oder „Monster Inc.“, den Menschen als das Fremde. Auf dem Raumschiff Axiom, wo Wall.E und EVE schliesslich landen, sind diese zu übergewichtigen Fleischbergen verkommen, welche nicht mehr selbständig gehen können und in Stühlen zwischen Shopping Malls und Pool hin und her gefahren werden – jeglichen eigenen Denkens beraubt. Der Film fährt hart ins Gericht mit der Menschheit und ist in seiner Zukunftsvision ernster, als die Filmplakate vermuten würden.
„Wall.E“ ist eineinhalb Stunden köstliche Unterhaltung, wunderbare Liebesgeschichte, bissige Satire auf menschliches Konsumverhalten und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem aktuellen Umweltdiskurs. Klar einer von Pixars besten Filmen – und einer der sehenswertesten.
Seit 25. Juli 2008 im Kino.
Originaltitel: Wall.E ( USA 2008)
Regie: Andrew Stanton
Darsteller: Ben Burtt, Elissa Knight
Genre: Animationsfilm
Dauer: 98 Minuten
CH-Verleih: Pixar
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