„Brideshead Revisited“ von Julian Jarrold

Gott und die Familie

„Brideshead Revisited“ von Julian Jarrold

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Im Zweiten Weltkrieg bezieht Charles Ryder mit seinen Truppen den eindrücklichen Landsitz Brideshead. Er, dieses Haus und die Familie, die einst hier gelebt haben, teilen eine dramatische Vergangenheit. „Brideshead Revisited“ ist eine lange, manchmal langwierige Literaturverfilmung für lange Winterabende.

Von Sandra Despont.

Alles, was bleibt, ist Schuld. Als Charles Ryder (Matthew Goode) sich wieder in Brideshead findet, erinnert ihn jeder Stein des alten Herrschaftshauses an seine Jugend, an seine grosse Liebe und an die Familie, die hier unter dem strengen Blick der Hausherrin Lady Marchmain (Emma Thompson) ihrem Platz im Paradies entgegenlebte. Eine schwierige Sache, wenn alte Strukturen verfallen und die Jugend sich in den Rollen als Heiden und Sünden gefällt.

Sebastian und Charles – contra mundum

In Oxford kommt der bürgerliche Geschichtsstudent und ambitionierte Maler Charles Ryder zur Freundschaft mit dem aus alter adliger Familie stammenden Sebastian (Ben Whishaw). Ein bisschen wie die Jungfrau zum Kinde – der stockbesoffene Sebastian kotzt ihm nämlich auf einem seiner Sauftouren direkt durchs Fenster in die (eben aus diesem Grund nicht empfehlenswerte) Parterrewohnung. Am nächsten Tag folgt die Entschuldigung in Form von Blumen und einer Einladung zum Essen. So gerät Charles in die Gesellschaft einer Gruppe von Bohémiens, Söhnen aus reichem Haus, die einen demonstrativ dekadenten Lebensstil pflegen und von dem Leben, das ihnen alles gegeben hat, ohne dass sie einen kleinen Finger rühren mussten, tief angeödet sind. Zwischen Charles und Sebastian entwickelt sich eine homoerotisch angehauchte Männerfreundschaft. Widerstrebend führt Sebastian Charles schliesslich in seine Familie ein, die in dem eindrücklichen Herrschaftssitz Brideshead residiert. Die beiden verbringen ausgelassene Tage, teilweise auch zusammen mit Sebastians geheimnisvoller Schwester Julia, bis Lady Marchmain, die Mutter, zurückkehrt.

© Studio / Produzent
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Heiden und Sünder

Nun wird erst deutlich, woran diese Familie krankt und weshalb sich Sebastian geziert hat, Charles in sie einzuführen. Die Flatterhaftigkeit von Sohn und Tochter, die sich beide als Heiden bezeichnen, kontrastiert heftig mit der demonstrativ gelebten, tiefen Religiosität der Familie. Charles wird in die Familie aufgenommen, er findet als Freund der Familie und Beschützer Sebastians seinen Platz. Doch bald wird er von den Ansprüchen der verschiedenen Familienmitglieder zerrieben und gerät in Konflikt mit seinen eigenen Gefühlen. Er fühlt tiefe Freundschaft zu Sebastian, liebt dessen Schwester Julia und fühlt sich Lady Marchmain verpflichtet. Die unerbittliche Religiosität der Lady jedoch gefährdet alles. Und schliesslich muss Charles erkennen, dass sich auch die Geschwister dem Einfluss ihrer Mutter nicht entziehen können.

Auch der Film wird von Ansprüchen zerrieben

„Brideshead Revisited“ ist eine sehr sorgfältig, aufwändig gefilmte Produktion, wie man sie aus Grossbritannien von zahlreichen anderen Literaturadaptionen kennt. Sie wartet mit erstklassigen Schauspielerinnen und Schauspielern auf, die die lange, manchmal etwas langwierige Geschichte und die ab und zu ans Lächerlich-Kitschige grenzenden Dialoge glaubhaft und intensiv darstellen (Achtung: dies gilt wohl nur für die englische Version. Die deutsche Synchronisation scheint, falls der Trailer irgendwelche Aussagekraft besitzt, erbärmlich zu sein!). In wenigen kurzen Szenen wird so etwa die Beziehung zwischen Charles und seinem Vater eindringlich verständlich gemacht, oder wird die unerbittliche Strenge der vordergründig so abgeklärten Lady Marchmain, die mit schönen Worten und mit den besten Manieren versehen das Leben ihrer Kinder und das Charles Ryders zerstört, gezeigt. Man könnte sich jedoch fragen, ob das Format als Kinofilm diesem Stoff angemessen ist. Wer sich einen reinen Kostümfilm erhofft, wird nur über kurze Strecken glücklich mit „Brideshead Revisited“, wer Literaturverfilmungen zugeneigt ist, wird sich wohl eher der 11-stündigen Fernsehserie zuwenden. So steckt „Brideshead Revisited“ irgendwo zwischen den Ansprüchen der Romanvorlage, deren Komplexität einen wesentlich längeren Film erfordern würde, und dem Unterhaltungspublikum, das einen fulminanten Kostümfilm erwartet und dem „Brideshead Revisited“ wohl bald ein bisschen lang und langweilig vorkommen wird, und wird damit beiden nicht gerecht.

Nichtsdestotrotz ein toller Film, um einen Abend lang in schönen und sorgfältig rekonstruierten Bildern der 1920-er und 30-er Jahre zu schwelgen und wunderbaren Schauspielern und Schauspielerinnen zuzusehen.


Ab 20. November 2008 im Kino.

Originaltitel: Brideshead Revisited (Grossbritannien 2008)            
Regie: Julian Jarrold
Darsteller: Matthew Goode, Ben Shishaw, Hayley Atwell, Emma Thompsoon, Michael Gambon
Genre: Drama, Literaturverfilmung
Dauer: 132 Minuten
CH-Verleih: Pathé

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