„Unsere Erde“ von Alastair Fothergill
Reisen ins Ungewisse
„Unsere Erde“ von Alastair Fothergill
BBC ist eine feste Grösse im weltweiten Fernsehgeschäft und in kaum einem Genre ist der Sender so ungeschlagen wie bei Naturdokumentationen. Mit der Dokuserie „Planet Erde“ schuf BBC das mit Abstand phänomenalste Naturportrait der Naturfilmgeschichte. „Unsere Erde“ ist die Kinoversion der Serie, und nimmt seine Zuschauer auf eine kürzere, aber nicht minder faszinierende Reise in bekanntere und weniger bekanntere Tierreiche mit.
Von Lukas Hunziker.
Der erste ¬Film, den ich in meinem Leben gesehen habe, war ein Dokumentarfilm über Eisbären. Auf einem winzigen Antennenfernseher schaute ich als Kindergärtner einem Eisbären zu, der über den Schwarzweissbildschirm trottete. In den zwanzig Jahren, die seit dieser ersten Begegnung mit Naturfilmen vergangen sind, hat sich das Genre inhaltlich kaum verändert, formal aber umso mehr. Die Kamera heutiger Naturfilme kennt kaum noch Orte, an die sie nicht vordringen kann, kaum noch Perspektiven, aus denen sie die Wunder der Natur nicht zeigen kann, kaum noch Tiere, die sie nicht aufzuspüren und in unsere Wohnzimmer zu bringen vermag.
Die schwindende Weite des arktischen Eises
Und trotzdem beginnt auch „Unsere Erde“ wieder mit genau jenem Eisbären, welcher über die weissen Weiten der Arktis trottet. Allerdings folgen ihm seine beiden Jungen auf wackligen Beinen, ihr ihrer Eisbärenbabysprache eindringlich nach ihrer Mutter rufend. Sie wissen nicht, dass sie zu Symbolen für eine im Sterben liegende Natur geworden sind, und dass sie von eben jenem Wesen gefilmt werden, welches ihren Untergang unnachlässig heraufbeschwört: dem Menschen. Denn ja, etwas hat sich inhaltlich tatsächlich geändert seit den Naturfilmen der 80er Jahre: die Naturfilmer sind sich bewusst, dass sie uns eine Welt zeigen, die es vielleicht in wenigen Jahren schon nicht mehr gibt. Den Eisbären, so wird uns gezeigt, schmilzt das Eis buchstäblich unter den Pfoten weg, das Jagdrevier wird kleiner, und die Jungen haben von Jahr zu Jahr kleinere Chancen, einmal selbst zur fürsorglichen Eisbärenmutter oder zu einem einsam herumstreifenden Eisbärenmännchen zu werden.
Rezept mit Tradition: Tragödien und Komödien
Was sich allerdings gleich geblieben ist im Aufbau von Naturfilmen ist der stetige Wechsel von tragischen und komischen Sequenzen. Ein Klassiker, der auch in „Unsere Erde“ nicht fehlt, sind die allzu bekannten, aber immer wieder emotionalen Szenen von Jäger und Gejagten. Darin liegt jedoch auch einer der wenigen Schwächen des Films, denn diese Szenen werden für die Emotionen des Zuschauers gnadenlos ausgeschlachtet. Den Wolf, welcher ein Rentierkitz von der Herde trennt und über die Tundra jagt, ertragen wir noch gerade so, doch die endlos lange Zeitlupe, in welcher sich eine kleine Gazelle in der von Todesangst gezeichneten Flucht vor einem Geparden mehrmals überschlägt, bevor dieser seine Krallen in seine Flanke schlagen kann, begleitet von Musik, deren Pathos nur „Lord of the Rings“ in seinen Höhepunkten erreicht – das ist zu viel. Von einem heutigen Publikum darf man eigentlich erwarten, dass es schon begriffen hat, dass nicht alles Bambi ist, was sich im Wald bewegt.

Stark ist der Film dann auch eher in den weniger auf Tränchen abzielenden Szenen – welche glücklicherweise nur spärlich gestreut sind – und gerade an komischem Potential ist „Unsere Erde reich. Ein erstes Highlight sind die Jungfernflüge kleiner Enten, welche aus ihrem Astloch zur am Boden wartenden Mutter springen und dabei zumindest so tun, als könnten sie schon fliegen. Ungeschlagener komischer Höhepunkt ist jedoch der Balztanz eines Paradiesvogels, welcher mit seinen Federn eine Art Bildschirm vor seinem Kopf aufspannt, der ihn wie ein grusliges Ungeheuer aussehen lässt. Die Reise vom Nordpol zum Südpol macht Stationen an einigen der schönsten Naturschauplätze der Welt und vermag über eineinhalb Stunden durchgehend zu fesseln und faszinieren.
Ausstattung
Kommentiert wird der Film in Englisch, Deutsch, und, man höre und staune, Mundart. Den Schweizerdeutschen Kommentar hat Mona Vetsch übernommen, und sie macht ihre Arbeit ausgezeichnet. Doch auch der deutsche Kommentar ist exzellent gelungen. Neben dem englischen Originalkommentar gibt es einen Audiokommentar von Co-Regisseur Mark Linfield.
Seit dem 6. Oktober 2008 im Handel.
Originaltitel: Earth (Deutschland, Grossbritannien 2007)
Regie: Alastair Fothergill und Mark Linfield
Genre: Naturdokumentation
Dauer: 95 Minuten
Sprachen: Englisch, Deutsch, Schweizerdeutsch
Untertitel: Deutsch
Audio: Dolby Digital
Bonusmaterial: Audiokommentar von Regisseur Mark Linfield, Trailer, Teaser
Vertrieb: Max Vision
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