„Der grosse Japaner“ von Hitos(h)i Matsmumoto

Über sich hinausgewachsen

„Der grosse Japaner“ von Hitos(h)i Matsmumoto

grosser_japaner3Manchmal ist der Überraschungseffekt alles. Für  alle Wagemutigen endet die Kritik darum mit folgendem Appell: Weg hier, anschauen, staunen – „Der grosse Japaner“ von Hitoshi Matsumoto ist eine der besseren DVD-Veröffentlichungen dieses Jahres. Alle Ungläubigen lesen halt weiter.

Von Christof Zurschmitten.

Was haben Knirps-Regenschirme, getrocknetes Seegras und japanische Superhelden gemein? Dass sie über sich hinauswachsen, wenn man sie braucht. Am Anfang von „Der grosse Japaner“ stehen derartige Beobachtungen, angestellt von einem unscheinbaren Mann, dem die Last der Welt das Kreuz beugt und die Mundwinkel gen Boden verzieht. Manchmal spricht er von selbst, meistens aber antwortet er bloss auf die spitzfindigen Fragen eines Interviewers, der stets ausserhalb der Kamera verbleibt und von dort aus die Abgründe im Leben des Portraitierten auslotet. Und diese gründen tief: sein Haus ist verlottert und mit Hass-Parolen besprüht, seine Frau hat ihn samt Kind verlassen, er kann mit dem Alkohol ebenso wenig umgehen wie mit der latenten Nostalgie, die von einer Zeit genährt wird, als anscheinend wirklich noch einiges besser um ihn stand.

Diese ersten dokumentarischen Minuten lassen sich langsam an, und sie gehören – auch wenn sich ein Hang zur Ironie immerhin vermuten lässt – zum Melancholischeren, was dieses DVD-Jahr zu bieten hatte. Das Erstaunliche dabei: Vor und hinter der Kamera stand Hitoshi Matsumoto, ein berühmter Vertreter der „mansai“-Komik, jenes Dialogwitzes, der in den westlichen Augen meistens reichlich hysterisch und gewöhnungsbedürftig wirkt. In seinem ersten Spielfilm ist davon lange Zeit nichts zu sehen, auch wenn sich die Indizien auf eine Kehrtwende alsbald häufen: Der Mann im Sucher faselt am Telefon immer wieder von „Aufträgen“, an seinem Haus steht, Achtung Spoiler, „Monster-Bekämpfung-Zentrale“, und als der Ernstfall ruft, wird aus der Doc- endgültig eine Mockumentary.

Melancholie und Alltag
Der Mann fährt auf einem klapprigen Mofa in ein naheliegendes Kraftwerk, und unter Einfluss der Hochspannung geschieht es: Aus dem Loser von der tragischen Gestalt wird ein meterhohes Kraftpaket, das ausrückt zur Bekämpfung nicht minder gigantischer Monster. Unversehens wechselt der Film also das Register und landet beim „kaiju“-Film, jenem ur-japanischen Genre, in dem Männer in Gummikostümen als überdimensionale Kreaturen auf ein Miniatur-Tokio einstampfen. Diese Monster waren seit jeher Ausgeburten einer, sagen wir freundlich: lebhaften Fantasie; „Der grosse Japaner“ aber überbietet im Bizzarheit-Departement locker alle seine Vorgänger, nicht zuletzt, weil er die Monster statt aus Gummi mit zumindest ordentlichen Computereffekten modelliert. Der Schauwert ist jedenfalls enorm.

grosser_japaner2Da der japanische Superheld sich bei seinen Einsätzen aber nicht gerade geschickt anstellt, verursacht er nicht weniger Schäden als seine Kontrahenten. Entsprechend hält sich die Dankbarkeit der Bevölkerung in ebenso engen Grenzen wie die Entlöhnung für diesen Knochen- und Brotjob. Nach dem Einsatz geht es also flugs zurück in den tristen Alltag des verkleinerten grossen Japaners, und noch einmal erstaunt der Film: Die Tristesse ist sofort wieder da.

Und allmählich wird klar, dass Hitoshi Matsumoto mit seinem ersten Film nicht einfach nur eine Parodie auf ein geliebtes, aber seit längerem belächeltes Genre abgeliefert hat, sondern eine Tragikomödie im besten Sinn des Wortes: Der Wechsel von pseudo-dokumentarischen und absurd fiktionalen Szenen geht nicht einher mit einem einfachen Wechselspiel von tragischen und komischen Momenten. Melancholie und Alltag sind vielmehr untrennbar miteinander verwoben, nicht selten halten die tristesten Momente die grössten Lacher bereit.

Das gelingt, weil „Der grosse Japaner“ aus seiner Grundidee nicht bloss Schenkelklopfer schlagen will – siehe „Hancock“. Das Schicksal des gescheiterten Superhelden ist zwar lachhaft absurd in der Anlage, aber zugleich auch Sinnbild, nicht nur für ein von der Zeit überholtes obskures Film-Genre, sondern auch für echte Tragödien, menschliche wie gesellschaftliche, die weit über Japan hinausdeuten.  Man darf dazu auch intelligente Unterhaltung sagen.

„Dainipponjin“, so der Name im Original, spielt seine Idee, und damit erstaunt er zum letzten Mal, mit einer Konsequenz durch, die nicht nur für eine vermeintliche Blockbuster-Komödie (das war er zumindest in der Heimat) wohl einzigartig ist: Die Fiktionalitätsschraube wird äusserst folgerichtig so lange weiter angezogen, bis es manchem Zuschauer weh tun dürfte. Doch selbst hier sei versichert: Amüsanter war es selten, vor den Kopf gestossen zu werden.

Ausstattung
Ton und Bild lassen sich wie immer bei Rapid Eye Movies ebenso wenig beanstanden wie die Ausstattung, die unter anderem Postkarten umfasst. Auf der DVD selbst finden sich einige kurze Deleted Scenes und ein Making-of, das allerdings sehr laberlastig eine Insiderperspektive einnimmt und sich vor allem um die Person Matsumotos dreht. Schön hingegen ist der Audiokommentar von Asia-Connection Organisator Alexander Zahlten und Trashfilm-Ikone Jörg Buttgereit („Der Todesking“), beides ausgewiesene Kenner des japanischen Genre-Fachs. Ihre Betrachtungen verbleiben zwar oft im Anekdotischen, transportieren aber dennoch viel Wissenswertes über Matsumoto, die japanische Kultur im Allgemeinen und die Monster-Filmkultur im Besonderen. Gelungen.

Seit dem 28. November 2008 im Handel.

Originaltitel: Dainipponjin (Japan 2007)
Regie: Hitoshi Mat(s)umoto
Darsteller: Hitoshi Matsumoto, Riki Takeuchi u.a.m.
Genre: Edel-(Anti-)Genre-Kino
Dauer: 105 Minuten
Bildformat: 1.85:1 [16:9]
Ton: Deutsch DD 5.1, Japanisch 5.1, Audiokommentar
Sprachen: Japanisch, Deutsch
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Trailer, Making-of, Deleted Scenes, Audiokommentar Postkarten
Vertrieb: Max Vision

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert