„Effi Briest“ von Hermine Huntgeburth
Ein Schritt vom Wege und kein Zurück
„Effi Briest“ von Hermine Huntgeburth
Mit „Effi Briest“ ist Hermine Huntgeburth eine begeisternde Literaturverfilmung gelungen. Das liegt an der überzeugenden Mischung aus Werktreue und Interpretation, an Julia Jentsch und weiteren grandiosen Schauspielerinnen und Schauspielern und, natürlich, an Fontane.
Von Sandra Despont.
Kaum jemand, der die Geschichte nicht so oder in leicht anderer Form kennt. Generationen von Gymnasiasten und Gymnasiastinnen haben sich in Deutschland mit Effi, in Russland mit Anna, in Frankreich mit Emma rumgeschlagen, haben sich gewundert, sich gelangweilt und vielleicht auch ab und an mal mitgefiebert. Es ist immer dasselbe Lied, mit leichten Variationen, und wie es wohl auch heute noch gesungen wird. Die Geschichte eines Ehebruchs, heute wie zu Fontanes Zeiten so aktuell wie eh und je. Hermine Hunthgeburt ist natürlich nicht die Erste, die sich an diesen Stoff heranmacht, doch sie ist die Beste. Fassbinder hin, Fassbinder her.
Effi auf dem Weg
Die siebzehnjährige Effi wächst in Hohen-Cremmen, einem preussischen Herrenhaus, behütet auf. Das Leben scheint ihr offen zu stehen. Gemütliche Nachmittage mit ihren Freundinnen und kleine Flirts mit Vetter Dagobert machen den Reiz ihres Lebens aus. Bei einem Ball macht ihre Mutter sie mit Landrat Geert von Innstetten bekannt. Ihm hatte Frau von Briest vor Jahren eine Abfuhr erteilt um den bereits gut situierten von Briest zu heiraten. Nun ist Innstetten zurück – und hält um die Hand Effis an. Auf Wunsch ihrer Eltern heiratet Effi den doppelt so alten, ihr völlig fremden Mann. Sie folgt ihm in den langweiligen Ostsee-Küstenort Kessin, wo sie mit einem stark eingeschränkten gesellschaftlichen Leben und engstirnigen, elitären Adligen konfrontiert wird.
Die ständigen karrierebedingten Abwesenheiten ihres Mannes und das düstere Haus, in dem es zu spuken scheint, geben der jungen Frau den Rest. Effi kann sich nicht in ihr neues Leben und in ihre neuen Rollen als Landratsgattin und erste Frau auf dem Platze einfinden. Einzig der alte Apotheker Gieshübler ist ein Lichtblick. Und dann taucht in der Gestalt von Major Crampas, einem alten Regimentskameraden Innstettens, ein Mann auf, der für Effi zur Erfüllung ihrer Sehnsüchte und zur Gefahr für ihr respektables Leben wird. Den Rest kann sich jeder und jede denken, der/die jemals einen dieser wohlgenährten Ehebruchsromane des 19. Jahrhunderts gelesen und/oder den Trailer zu „Effi Briest“ geguckt hat.
Hin zur eigenen Freiheit
Dieser Trailer, nunja. Wer ihn gesehen hat, der hat den Film gesehen. Aber da der Film sowieso wesentlich mehr Spass macht, wenn man den Roman, sagen wir, so an die drei bis fünfmal gelesen hat, ist das irgendwie auch nur halb so schlimm. Denn das ist etwas vom Schönsten an dem Film: auch wer das Buch kennt, ärgert sich nicht, im Gegenteil! Die entscheidenden Szenen sind gekonnt aufgenommen und zueinander in Beziehung gesetzt und das ist es, was „Effi Briest“ deutlich über 08/15 Literaturverfilmungen hebt. Man merkt in jeder Szene, bei jedem Wort, in jedem Schnitt, dass alles wohlüberlegt ist, dass hier Verfilmung und Interpretation, Werktreue und Inszenierung Hand in Hand gehen.

Einmal mehr tritt Julia Jentsch dabei den längst überflüssigen Beweis an, dass sie eine ausdrucksstarke und vielseitige Schauspielerin von Weltformat ist. Durch sie wird Effi von der oft schwer fassbaren Romanfigur zu einer echten, lebendigen jungen Frau, die sich in einer Welt voller Konventionen behaupten und eine schwere Entscheidung treffen muss. Dass sich die Effi von Hermine Huntgeburth am Ende nicht wie bei Fontane in ihr Schicksal ergibt, sondern einen anderen Weg wählt, mag einige Fontanepuristen schocken, doch der gewählte Schluss passt sowohl zur Gesamtaussage des Films, als auch zu der Tatsache, dass Effi Briests reales Vorbild sich nach ihrem Ehebruch auch nicht in einer Ecke verkrochen hat um reumütig und schuldbewusst zu sterben. Trotzdem: bei einer Literaturverfilmung das Ende der Vorlage abzuändern ist und bleibt ein mutiger Entscheid, der sich in diesem Fall gelohnt hat. Er holt Fontanes Effi in die Moderne und bejaht die Freiheit, auch gegen gesellschaftliche Zwänge selbst über das eigene Leben zu bestimmen.
„Effi Briest“ ist eine wunderbare, stimmige und eigenständige Literaturverfilmung. Am meisten hat davon, wer Fontanes Roman kennt und in Julia Jentsch einer lebendigen Effi begegnen mag.
Seit dem 12. Februar 2009 im Kino.
Originaltitel: Effi Briest (Deutschland 2008)
Regie: Hermine Huntgeburth
Darsteller: Julia Jentsch, Sebastian Koch, Misel Maticevic, Rüdiger Vogler, Juliane Köhler, Thomas Thieme, Barbara Auer, Margarita Broich, Mirko Lang
Genre: Drama
Dauer: 117 Minuten
CH-Verleih: Pathé
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