„Happy-Go-Lucky“ von Mike Leigh

Sozialdrama im Kleid einer Feelgood-Komödie

„Happy-Go-Lucky“ von Mike Leigh

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Mike Leigh, bekannt für sozialkritische, realistische Filme im Milieu der Londoner Arbeiterklasse, gehört nicht zu jenen Regisseuren, von denen man eine leichtfüssige Komödie erwartet. Dennoch wurde „Happy-Go-Lucky“ in Besprechungen allgemein bedenkenlos in der Feelgood-Movie-Ecke platziert. Zu unrecht, denn trotz herrlich amüsanten Szenen lässt der Film auch immer wieder tief in die Abgründe der Gesellschaft blicken.

Von Lukas Hunziker.

Poppy ist 30, Grundschullehrerin, Single. Ansehen tut man ihr gerade mal das Letzte, denn Poppy ist jung geblieben, in fast jeder Beziehung. Sie wohnt in einer Wohngemeinschaft mit einer Freundin, die ebenfalls Lehrerin und nur äusserlich weniger schrill als Poppy ist, sie geht am Wochenende tanzen und betrinkt sich mit Würde, und sie springt für ihr Leben gern Trampolin. Doch wer so glücklich ist, hat Neider, und einer davon erscheint Poppy in der Gestalt ihres Fahrlehrers. Dieser leidet nicht nur unter Ordnungszwang und extremer Angst vor einer kriminellen Jugend, sondern scheint auch jeglichen Zukunftsoptimismus durch den blinden Glauben an zahlreiche Verschwörungstheorien verloren zu haben. Poppy treibt ihn in fast jeder Fahrstunde an den Rand des Wahnsinns. Trotzdem setzt er seine Fahrstunden mit ihr fort, und es dauert lange bis Poppy herausfindet, dass er ihr nachzuspionieren begonnen hat.

Fröhlich sein in einer schwierigen Welt

In der Figur des neurotischen Fahrlehrers, der lächerlich und unheimlich zugleich ist, wagt der Film einen Blick aus dem schrillen Leben seiner Protagonistin heraus in das hektische London um sie herum. Doch auch an der Schule, in welcher Poppy die Kinder mit ihren originellen Ideen begeistert, zeigen sich die Schattenseiten der Gesellschaft. Die Schulkinder, so weiss Poppy, verbringen ihre Wochenenden auch bei herrlichstem Frühlingswetter vor Fernseher und Computer. Auf dem Schulhof gibt es schon unter den Grundschülern erste Anzeichen von Mobbing und Gewalt, hervorgerufen durch zerrüttete Familienverhältnisse.

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

Das beängstigendste Bild einer perspektivenlosen Zukunft findet der Film jedoch im Einfamilienhaus von Poppys jüngerer Schwester. Frisch verheiratet, frisch geschwängert und stolze Besitzerin eines herrlichen Gartens ist diese einer der unglücklichsten Menschen im Film; sie kann an kaum etwas anderes als Lebensversicherungen und die Wichtigkeit traditioneller Familienentwürfe denken. Gegen diese kleinbürgerliche Erbärmlichkeit und soziale Verwahrlosung führt der Film Poppy in die Schlacht, deren Lebensbejahung tatsächlich so frisch sein, dass man aus dem Film trotz (oder vielleicht gerade wegen) den gezeigten Abgründen sehr viel Lebensfreude mitnimmt.

Ausstattung

Die DVD bietet neben dem Hauptfilm zwei Featurettes, ein 5minütiges zu den Fahrschulszenen und ein 25minütiges zu den Charakteren, welches sich vor allem auf die gemeinsame Charakterfindung von Regisseur und Darstellern konzentriert. Daneben gibt es nochmals eine knappe halbe Stunde Interviewausschnitte mit Regisseur und Darstellern, die dank deren charismatischen Persönlichkeiten auf jeden Fall sehenswert sind.


Seit dem 23. Februar 2009 im Handel.

Originaltitel: Happy-Go-Lucky (Grossbritannien 2008)
Regie: Mike Leigh
Darsteller: Sally Hawkins, Alexis Zegerman, Eddie Marsan
Genre: Komödie/Drama
Dauer: 118 Minuten
Bildformat: 16:9
Sprachen: Englisch, Deutsch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Französisch
Audio: Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial: Featurette „Behind the Wheel“, Featurette „Mike Leigh’s Characters“, Interviews mit Cast und Crew, Trailer
Vertrieb: Warner

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Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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