„J’ai toujours rêvé d’être un gangster“ von Samuel Benchetrit
Stuck In The Middle (of The 90s) With You
„J’ai toujours rêvé d’être un gangster“ von Samuel Benchetrit
Ein französischer Film kumpelt sich bei den Grössen des amerikanischen 90er-Jahre-Querschlägerkinos an: Als Anbiederung dürften das Jarmush und Tarantino aber gleichwohl nicht missverstehen, denn was „J’ai toujours rêvé d’être un gangster“ an Innovation abgeht, das macht er durch Charme allemal wett.
Von Christof Zurschmitten.
Wie später jemand mal aus völlig anderem Anlass in diesem Film sagen wird: „C’est fou comme tout change!“ Aus aktuellem Anlass sei gesagt: stimmt so – bewiesen wurde es unlängst zum Beispiel in Cannes, wo Quentin Tarantino exakt 15 Jahre nach seinem Triumph mit „Pulp Fiction“ wieder einmal zum Wettbewerb geladen war. Statt einem Sieg gab es für seine „Inglorious Basterds“ diesmal aber nur wohlwollenden Applaus – glaubt man der Kritik, so ist dies weniger eine Frage der Qualität als eine des Gewohnheitseffekts: Der Urknall blieb aus, die Radikalinnovation in Form und Struktur, kurzum: Die Überraschung. So oft hat Tarantino bereits seine Fähigkeit bewiesen, Genres in jegliche verrenkte Form zu dirigieren, dass es nicht einmal mehr auffällt, wenn plötzlich das Dritte Reich samt Führer zum Spielgerät des fröhlichen Genre-Bendings werden. Die Zeiten sind wahrlich nicht mehr, was sie einmal waren, und Tabus erst recht nicht.
Ironisch dabei, dass Tarantinos Prinzip der Innovation-durch- Umformulieren-des-Formelhaften selbst ein Bastard-Genre herausgebracht hat – nennen wir es einmal den „Taranteenie-Flick“. Dieses stets durch-, aber nie völlig ausgewachsene Genre florierte in der zweiten Hälfte der 90er, zelebrierte Cool-Sein-Wollen statt Coolness und weigerte sich partout, Tarantinos Qualitäten auch nur einen Millimeter hinter der knalligen Oberfläche zu vermuten. Folglich wurden die Gewaltszenen noch expliziter, die Charaktere noch schrulliger, das Rezitieren noch biblischer und aus den formalen Novitäten endgültig Kirmeszauber. Den besseren („True Romance“, „Love and a .45“) und schlechteren („The Boondock Saints“) Taranteenie-Flicks ist ausserdem gemein, dass sie mittlerweile im Mülleimer statt den Annalen der Geschichte gelandet sind.
Und dann kommt Frankreich
Gleich zu Beginn von „J’ai toujours rêvé d’être an gangster“ bekommt man den Eindruck, diese Kunde hätte in Frankreich noch nicht die Runde gemacht. Und das wohl Charmanteste am Film ist, dass er auch die nächsten zwei Stunden über nicht probiert, diesen Eindruck zu revidieren. Dass Zweitcharmanteste ist, wie der zweite stolz paradierte Einfluss die Überdrehtheit von Tarantinos Grobstoff-Ästhetik wunderbar unterläuft: In den ersten schwarz-weissen Filmminuten könnte man meinen, der schlurfende Gang der Anti-Helden aus „Stranger than Paradise“ hätte sie auf eine noch schiefere Bahn gebracht, an deren Weg immerhin eine abgetakelte Raststätte wartet.
Diese will Gino (Edouard Baer) überfallen, aber zum Unglück kommt der Slapstick, und so endet alles nur im einem Gespräch mit der Barkeeperin (Anna Mouglalis – das Drittcharmanteste im Film). Auf dem Parkplatz warten derweil zwei kein bisschen erfolgreichere Entführer darauf, dass ein Vater mit dem Lösegeld für seine Teenage-Tochter herausrückt – die dummerweise schwer suizidgefährdet ist. Derweil sitzen am Nebentisch fünf ältere Herren (unter ihnen Jean Rochefort), die im Gegensatz zu all den Möchtegern-Gangstern tatsächlich einmal grosse Nummern waren – im Präteritum, denn, wie gesagt, die Zeiten ändern sich eben so wahnsinnig schnell. Komplettiert werden die lose verbundenen Einzelepisoden schliesslich durch zwei Rockstars (Arno und Alain Beshung), die bei Kaffee und Zigaretten zusammensitzen und plaudern über die umstrittene Herkunft gewisser Songs . Und quasi naturgemäss endet das alles dann wieder bei der Anfangsszene – unter veränderten Vorzeichen, versteht sich von selbst.
Dreister an die Schultern der Giganten gelehnt hat man sich auch in den 90ern nicht. Dennoch läge einem nichts ferner, als Samuel Benchetrits Film einen „Taranteenie“ zu nennen. Dafür ist er zu lakonisch, zu gesetzt, zu gemütlich. Und zu entwaffnend ehrlich – wer in jeder Figur, jeder Einstellung und sogar im Titel derart offen zugibt, nichts weiter als ein Möchtegern zu sein, dem kann man dies unmöglich zum Vorwurf machen. So wollen wir ihm einige Längen vergeben und sogar glauben, wenn er vorgibt, nicht zu klauen, sondern nur zu huldigen – schliesslich macht er ja auch nichts anderes, als Unwahrscheinliches zusammen zu denken: Tarantino trifft Jarmush in der französischen Provinz? Wer’s glaubt und sieht, wird selig. Zumindest eine Zigarettenlänge lang.
Ausstattung
Als Sprache einzig Französisch, die Untertitel nur auf Deutsch. Dazu einen Trailer und ein rund zwanzigminütiges Making of, das sich aber eher bescheiden gibt und nur auf Französisch ohne Untertitel anzusehen ist … man kann’s ja auch übertreiben mit dem Understatement.
Seit dem 23. April 2009 im Handel.
Originaltitel: J’ai toujours rêvé d’être un gangster (Frankreich 2008)
Regie: Samuel Benchetrit
Darsteller: Anna Mouglalis, Edouard Baer, Jean Rochefort, Alain Bashung, Arno
Genre: Grössen-Huldigung
Dauer: 112 Minuten
Bildformat: 4:3
Sprachen: Französisch, Deutsch
Untertitel: Deutsch
Audio: DD 2.0, DD 5.1
Bonusmaterial: Making of, Trailer
Vertrieb: Max Vision