Medienvertrauen
Medienvertrauen
Ein Berufsstand kämpft um Vertrauen

Auch Medien machen Fehler. Doch die tragweite einer «Ente» kann gross sein und Schaden anrichten. Die Redaktionen müssen misstrauisch sein und ihre Quellen doppelt hinterfragen. Im Fall Paula O., dem scheinbaren Opfer von Neonazis, wurde die Geschichte auch zum politischen Debakel.
Medien sind nicht gleich Medien. Sie in einen Topf zu werfen wäre falsch. Kann man eine Studie korrekt einordnen nach der gerade mal 29 Prozent der Mediennutzer den Journalisten Vertrauen? Ein Versuch die Zahl zu relativieren:
Ein Berufsstand am Ende einer Studie
Kein anderer Berufsstand kämpft im Moment so um die Gunst der Kunden wie der Journalismus. Jede Sparte auf seine Weise. Die Boulevardpresse verkauft sich über einen reisserischen Journalismus, Tageszeitungen versuchen neue Innovationen mit Traditionellem zu verknüpfen und rücken mit Internetbloggs vermehrt die Leser in den Kontext des Blattes. Gerade der Journalist ist abhängig von den Lesern und das bedingt Vertrauen. Vertrauen in wahrheitsgemässe Berichterstattung und sichere Quellen. Jährlich veröffentlicht „Reader’s Digest“ eine europäische Studie um, das Vertrauen in verschiedene Berufsstände aufzuzeigen. Erschreckend: der Journalist steht auf Platz 16 von 20. Gerade mal 29 Prozent haben «hohes» oder «ziemlich hohes» Vertrauen in die Journalisten. Eine erschreckend tiefe Zahl. Sie bleibt trotzdem tief, auch beim Versuch sie zu relativieren. Journalismus ist nicht gleich Journalismus und in dieser Studie wird nicht unterschieden zwischen Fach, Tages, Nachrichten, Boulevard oder Internetjournalismus. Auch ist die Zahl abhängig von den aktuellen Gegebenheiten der Länder in diesem Jahr. Hinzukommt, dass der Journalist auch polarisieren kann und gegebenenfalls auch soll. Der Journalist wird sich desshalb nie an oberster Stelle einer Vertrauensstudie finden. Doch es gibt auch journalistische Fehler, die Gründe für Misstrauen liefern. Eine Geschichte zu publizieren, bevor sich eine Meldung bestätigt hat, ist einer davon. Der Journalist steht generell unter hohem Zeitdruck. Das wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Im Gegenteil: Redaktionen könnten zu jeder Zeit publizieren. Mit dem Internet ist der Leser nicht mehr auf die Tageszeitung angewiesen, er kann alles und immer im Internet nachschlagen. Viele Printmedien nutzten das Internet auch für ihre Publikation. Alles in allem führt das zu einem immer schneller werdenden Berufsstand. Aber Achtung. Der grösste Stolperstein vom Journalisten ist der Zeitdruck. Er muss seine Geschichte und Quellen erst auf Ungereimtheiten und offene Fragen prüfen. Auch wenn das heisst, dass andere Medien die Nachricht vielleicht schon gebracht haben. Seriöse Recherchen und gut abgesicherte Quellen sind auch unter Zeitdruck. Er muss seine Geschichte und Quellen erst auf Ungereimtheiten und offene Fragen prüfen. Auch wenn das heisst, dass andere Medien die Nachricht vielleicht schon gebracht haben. Seriöse Recherchen und gut abgesicherte Quellen sind auch unter Zeitdruck absolute Voraussetzung. Dafür einen kurzen exemplarischer Anschnitt eines solchen Stolpersteins: Der Fall Paula O.
Die Geschichte um Paula O.
Ein kurzer Rückblick: Am 11 Februar meldete die brasilianische Newskette „O Globo“ die Nachricht von der brasilianischen Anwältin, die in Stettbach (ZH) überfallen und mit Schnittwunden verletzt worden war. In der Folge verlor sie ihre angeblichen Zwillinge auf einer öffentlichen Toilette von wo sie dann mit dem Natel ihren Freund um Hilfe rief. Die dazu veröffentlichten Fotos zeigten die Buchstaben SVP, die auf Bauch und Beine geritzt. Diese unbestätigte Meldung ging um die Welt. Ziemlich schnell wurde klar, dass die Geschichte nicht der Wahrheit entsprach. Es lag an der Zürcher Polizei die nötigen Abklärungen zu treffen und den Fall zu überprüfen. Doch einige Schweizer Medien hatten die Geschichte schon publik gemacht. Der Tagesanzeiger.ch schrieb am 11. Februar 2009 «Schwangere Brasilianerin von Schweizer Neonazis schwer misshandelt» und er war nicht der einzige. «Brasilianerin von Schweizer Neonazis misshandelt» ging um die Welt. Die Los Angeles Times übernahm die unbestätigte Meldung ebenso wie der englische Telegraf. Ein Paradebeispiel für ungenügende Kontrolle der Quelle. Die Redaktion hätte bei der Nachricht misstrauisch werden müssen, denn die Angaben der Zürcher Polizei zu den Medien waren vorsichtig. Die Polizei war skeptisch und musste erst die Detailfragen klären. Journalismus heisst auch ein Rennen mit der Zeit. Im Zeitalter des Internets sowieso. Jede Nachricht kann zu jederzeit überall nachgelesen werden. Im Kampf um den Primeur, die sogenannten Erstmeldung, sollte trotzdem die Qualität im Vordergrund stehen. Denn wenn eine Geschichte einmal öffentlich gemacht wird kann sie nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dann kann lediglich noch berichtigt werden und das haben auch alle Medien gemacht. Manche schneller manche weniger schnell. Auch bedingt durch die Art der Publikation. Im Internet kann eine herausgestellte Ente schneller als in einer Wochenzeitung berichtigt werden. Aber den Schluss zu ziehen, dass das Internet desswegen mehr Vertrauen bei den Lesern geniesst ist falsch.
Vertrauenshirarchie der Medien
Laut der Studie «Journalismus 2009», wo sieben Mediengattungen zu Vertrauen befragt wurden, steht das Internet mit 18 Prozent auf vorletzem Platz. Drei Protzent weniger Vertrauen bekam das Privatfernsehen mit 15 Prozent. Angeführt wird die Umfrage vom Öffentlich rechtlichem Fernsehen. Danach folgen Regionale Tageszeitungen (46 Prozent), Überregionale Tageszeitungen (42 Prozent), Radio (37 Prozent) und Printmedien (25 Prozent). Gemacht wurde die Umfrage von YouGovPsychonomics in Deutschland. Auch hier fehlt die Tiefe der Umfrage. Eine Unterscheidung der verschiedenen Printmedien oder eine Differenzierung der Onlinemodule fehlt.
Im Netz
www.quajou.ch
Verein Qualität im Journalismus