Politik in Rot

Politik in Rot

Ein Tag an der jugendsession.sommer 09

JugendsessionAm 30. Mai 2009 fand in Bern die jugendsession.sommer statt. Diese ist zwar nicht die weitaus bekanntere eidgenössische Jugendsession im Bundeshaus, doch trotzdem bietet sie einen Einblick in die Jugend, die sich für die Politik interessieren. Eine Tag Politik von Jugendlichen. Ein Tag voller neuen Erfahrungen und interessanten Debatten, doch auch mit Frustration und Enttäuschung.

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Stefan Brader, einem Gruppenleiter der jugendsession.sommer und Mitglied der Organisationskomitees der eidgenössischen Jugendsession.

Über die eidgenössische Jugendsession, welche jährlich nach der eigentlichen Herbstsession des Parlaments stattfindet, hört man in den meisten Medien. Es wird von den da beschlossenen Petitionen berichtet, darüber diskutiert, was Jugendliche in die Politik treibt und davon abhält. Doch neben dieser dreitätigen Jugendsession im Bundeshaus gibt es noch zwei weitere Tage im Jahr, wo Jugendliche aus der ganzen Schweiz zusammen kommen um über Politik zu reden und selbst Politik machen. Die jugendsession.sommer ist einer dieser Tage.

Organisation der Bühne

Da die jugendsession.sommer nur einen Tag dauert, ist das Programm natürlich auch weniger ausschweifend als das der Jugendsession. Um neun Uhr trifft man sich in der Berufsschule des Detailhandels in Bern, fasst sich erst einmal ein knallrotes T-Shirt mit dem Slogan „Die Bühne für alle die nicht singen können, aber reden!“, klebt sich ein Namenschildchen an und lauscht dann bereits den Organisatoren. Die jugendsession.sommer ist ebenfalls national ausgelegt, jedoch ist der Eintritt nicht vom Bund finanziert. Dreissig Franken kostet der ganze Spass, dafür ist T-Shirt und Mittagessen inbegriffen. An sich immer noch ein angemessener Preis. Die beiden kleineren Jugendsessionen werden jedoch in Kooperationen mit anderen Organisationen durchgeführt. Diese Jugendsession wurde zusammen mit dem Netz Kinderschutz Schweiz organisiert, weshalb sich die Themen auch auf die Kinderrechte beziehen.

Was am Ende herausschauen soll

In vier verschiedenen Arbeitsgruppen wird dann über verschiedene, jedoch zusammenhängende Themen diskutiert. Das Ziel jeder Arbeitsgruppe ist dann einen Output zu verfassen. Dafür stehen drei verschiedene Formen zur Verfügung: Eine Petition, ein Statement oder ein Projektvorschlag. Dieser Output wird dann dem Plenum vorgestellt, so dass dieses dann darüber abstimmen kann, ob dieser Output so veröffentlicht werden soll. Soweit zur Theorie. Die verschiedenen Themen waren dieses Jahr:

  1. Integration von Jugendlichen mit Behinderung
  2. Förderalismus und Kinderrechte
  3. Jugenstrafrecht
  4. Suizid unter Jugendlichen (französische Gruppe)

Fehlende inhaltliche Debatten

Insgesamt hat eine Arbeitsgruppe dann mehr als vier Stunden Zeit um ihren Output auszuarbeiten. Das ist nicht wirklich viel, reicht aber aus. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Teilnehmer bereits im Vorfeld über das entsprechende Thema informiert haben. Zusätzlich kommen aber noch Experten auf dem Gebiet, bei uns Vertreter der Hilfsorganisation, hinzu, die während circa einer Stunde die Fragen der Teilnehmer beantworten. An sich die perfekte Grundlage um danach mit einer hitzigen Debatte zu beginnen. Doch hier liegt das Problem, denn eine solche Debatte fehlte beinahe gänzlich. Die Ursache dafür wird einem als Teilnehmer schnell klar: Es gibt keine oder kaum Meinungsvielfalt.

Mitte trifft Links

Es war mir von vorne rein klar, dass die politischen Verhältnisse an einer solchen Jugendsession nicht die Verhältnisse im Parlament oder gar Volk widerspiegeln. Der Vorwurf, dass an einer Jugendsession nur auf der linken Seite politisiert würde, ist weder ein Geheimnis und auch nicht wirklich erstaunlich. Trotzdem war ich über das Ausmass und vor allem die Auswirkungen davon überrascht. Eine Debatte zwischen Beteiligten, die sich sowieso einig sind, ist schlicht nicht möglich – und wenn, dann diskutiert man über formale Punkte und nicht über den Inhalt. So betrafen die einzige Auseinandersetzung, die wir innerhalb der Gruppe führten Formulierungen der Petitionsschrift, Satzkonstruktion und Wortwahl. Selbst die Entscheidung, über welches Thema wir denn nun einen Output verfassen, war entsprechend eintönig. Denn es war keine Frage der eigenen Meinung und politischen Einstellungen, sondern eine Frage der Prioritäten, denn jeder der vorgestellten Themen hätte an sich Anklang gefunden.

Wo radikaler Idealismus eine Chance hat

Stefan Brader, Gruppenleiter und Mitglied des Organisationskomitees für die eidgenössische Jugendsession, sagt in seinem Interview selbst, dass eine eigentliche inhaltliche Debatte, wie sie im Parlament zu finden ist, in der Jugendsession nur begrenzt stattfindet. Als Beispiel nennt er die Debatte über die Schweizerische Armee (siehe Interview). Auch bei uns gab es einen ähnlichen Themenvorschlag: So nannte ein Teilnehmer als Petition, den Stopp von Abweisung von Asylbewerbern mit Kindern. Was im Parlament eine sehr hitzige Debatte geführt hätte und am Ende wohl deutlich verworfen worden wäre, hätte selbst im Plenum der Jugendsession eine deutliche Chance für die Annahme der Petition. Kritische Stimmen hätte es hier nur vereinzelt gegeben. Natürlich ist allen Beteiligten klar, dass eine solche Petition niemals eine reelle Chance hätte, doch das mindert die Überzeugung kaum: Dann wird es eben als Symbol verstanden und so soll die mediale Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt werden.

Der Mut anderer Meinung zu sein

Selbst wenn es nun entgegengesetzte, also bürgerliche Meinungen gibt, so heisst das noch lange nicht, dass sie dann auch in die Diskussion einfliessen. Man kann sagen was man will, doch wenn man im Rathaussaal sitzt und weiss, dass man beinahe der einzige mit einer anderen Meinung ist, so braucht es Überwindung aufzustehen und diese Meinung einzubringen. Auf jede kritische Stimme melden sich fünf Stimmen, die dagegen halten. Eine solche Diskussion endet schnell in Frustration. Dies zeigt sich am Ende auch in den Abstimmungsergebnissen im Schlussplenum: So wurde jeder Output angenommen, keiner hatte mehr als 10 Gegenstimmen. Die Resultate waren eine Annahme mit 79%, 93%, 81% und 90% Ja-Stimmen. Das ist schlussendlich frustrierend für diejenigen Teilnehmer, die gerne ein politisches Gegengewicht sein möchten. Denn wenn die Jugendsession schon an dem Ruf leidet, nichts zu bewirken, dann ist dieser Eindruck bei solchen Leuten noch umso stärker: Egal wie gut oder schlecht die Argumente schliesslich sein mögen, eine Chance gegen eine solch überwältigende Mehrheit anzukommen gibt es kaum.

Jugendsession-2Das Dilemma der Organisatoren

Das Problem mit der fehlenden Meinungsvielfalt ist den Organisatoren laut Stefan Brader bekannt. Trotzdem wird es für sie schwierig hier etwas zu unternehmen, denn natürlich ist es nicht ihre Schuld, dass das bürgerliche Lager fehlt. Die Gründe liegen wohl eher in der Natur des Anlasses. Zum einen ist an der Redewendung sicher etwas dran, sprich unter Jugendlichen ist der Anteil an links denkenden sicher höher. Doch dies alleine erklärt noch keinen solch grossen Unterschied zu der Verteilung in der Bevölkerung bzw. in den Räten. Es ist sicher auch so, dass sich politisch links gerichtete Jugendliche mehr für die Politik interessieren, als politisch rechts gerichtete. Wieso dem so ist, ist schwer zu sagen. Nicht zu verachten ist aber auch das Bild der Jugendsession, denn es ist durchaus bekannt, dass man dort vor allem linke Meinungen antrifft. Dies muss nicht unbedingt nur von der Mund-zu-Mund-Propaganda herrühren, wie Stefan Brader erklärt. Selbst Wikipedia zählt den Kritikpunkt der geringen Meinungsvielfalt in dem Artikel der Jugendsession bereits auf. Das mag rechts denkende Jugendliche schon davon abhalten an einer solchen Jugendsession teilzunehmen.

Wieso man auch Schlachten führen sollte, welche man sicher verliert

Nun ich bin wirklich nicht jemand, der linke Meinungen vertritt und so litt auch ich darunter, stark in der Unterzahl zu sein. Als sich das Schlussplenum langsam auflöste blieb ein dumpfes Gefühl der Enttäuschung und Frustration. Doch trotzdem war es ein gelungener Tag, denn wo sonst kann man so einfach mit Politik in Berührung kommen? In diesem Punkt hat Stefan Brader sicherlich recht, wenn er sagt, dass es bei der Jugendsession nicht vordergründig darum gehe, den Jugendlichen wirklich die Chance zu geben etwas zu bewirken. Es kommt natürlich auf die Erwartungshaltung an, mit welcher man an einen solchen Anlass geht. Grundsätzlich hat mir der Tag aber gefallen, denn auch wenn eine kontroverse Debatte gefehlt hat, so gab es doch einige interessante Gespräche, nette Leute und doch auch einen Einblick darin, wie man diskutiert und seine Meinung kund tut. Vielleicht gerade, wenn man gegen eine schiere Übermacht ankämpft.

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Stefan Brader, einem Gruppenleiter der jugendsession.sommer und Mitglied der Organisationskomitees der eidgenössischen Jugendsession.

Fotos: Joel Krebs

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