„Gran Torino“ von Clint Eastwood

Die Ballade vom rassistische Märtyrer

„Gran Torino“ von Clint Eastwood

Gran Torino 1

Ein patriotischer Korea-Kriegsveteran in einem von südostasiatischen Einwanderern bevölkerten Quartier: das kann nicht gut gehen. Oder doch? Clint Eastwood erzählt mit „Gran Torino“ die Geschichte eines patriarchalischen Rassisten, der sein Herz den Immigranten öffnet. Und das glücklicherweise fast ohne Sentimentalität.

Von Lukas Hunziker.

Nach dem Tod seiner Frau muss sich der ehemalige Automechaniker und Kriegsveteran Walt Kowalski alleine in einer Nachbarschaft zurechtfinden, in welchem bald nur noch vor seinem eigenen Haus eine Amerikanische Flagge hängt. Von seiner Veranda, wo er tagsüber mit seinem Hund sitzt, sieht er neue Nachbarn einziehen, dessen Kultur er verabscheut und deren Sprache er nicht versteht. Auch im Haus nebenan zieht eine Familie von „Schlitzaugen“ ein. Thao, einer der beiden Teenager, wird sofort von einer der Gangs zum Eintritt ermutigt, und soll als Initiationsritual Walts Luxusauto, den Gran Torino, stehlen. Doch der Einbruch geht schief, und Thao entgeht dem Tod durch Walts stets bereites Gewehr nur knapp. Zur Wiedergutmachung schlägt Thaos Familie Walt vor, dass Thao unbezahlt für ihn arbeiten wird. Widerwillig geht Walt auf den Vorschlag ein und freundet sich langsam mit dem Jungen an, nicht ahnend, dass die Gang noch immer auf Thao und den Gran Torino aus ist.

Harte Hülle, weicher Kern

So wie Walt beginnt, Thao zu mögen, beginnt man als Zuschauer, für Walt eine gewisse Sympathie zu empfinden und im Herz des alten Rassisten gut versteckte Menschlichkeit zu entdecken. Doch Walt wird nicht zum reuigen Sünder, wird nicht bekehrt, sondern bleibt bis zum Schluss eine bedrohlicher Präsenz bewaffneter Männlichkeit. Walt fasziniert als Figur, weil er sich im Grunde kaum verändert, viel mehr öffnet er sich einfach jenen Menschen langsam, gegen die er im Pub sonst immer wettert. Er tut dies nicht, weil er an seinem Lebensende ein Wohltäter werden möchte, sondern weil er ganz einfach dem Charme seiner neuer Nachbarn, allen voran Thaos Schwester Sue, erliegt, und weil er sich in der Erzieherrolle, die er gegenüber Thao einnehmen kann, gefällt.

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

Trotzdem muss sich Eastwood den Vorwurf gefallen lassen, bei seiner Darstellung Walts etwas dick aufgetragen zu haben. Der böse Blick und das Knurren, welche Walt für seine erbgierigen Verwandten übrig hat, wirken für ein realistisches Drama etwas gar übertrieben. Auch die Annäherung an seine neue Nachbarn, deren Kultur er verabscheut, geschieht etwas gar schnell und beraubt Walt ein bisschen seiner psychologischen Glaubwürdigkeit. Nicht zuletzt muss sich auch das Finale der sonst eindringlichen und plausiblen Geschichte Kritik gefallen lassen; denn damit hält gerade jener Pathos Einzug, über dessen Abwesenheit man vorher so froh war. Nichtsdestotrotz ist „Gran Torino“ ein weiteres beachtliches Werk in Eastwoods jüngsten Regiearbeiten – spannend, amüsant, tragisch und durchdacht.

Ausstattung

Die Extras enttäuschen jedoch masslos. Die beiden kurzen Dokumentationen widmen sich ganz dem Gran Torino und der Liebe männlicher Amerikaner zu coolen Autos. Mal ehrlich, warum sollte es irgendjemanden interessieren, welches die Traumautos der Filmcrew sind? Und mehr als das erfährt man in den knapp 15 Minuten Extras nicht.


Seit dem 3. Juli 2009 im Handel.

Originaltitel: Gran Torino (USA 2007)
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Clint Eastwood, Christopher Carley, Bee Wang, Ahney Her
Genre: Drama
Dauer: 112 Minuten
Bildformat: 2.40:1
Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch
Untertitel: Deutsch, Dänisch, Finnisch, Norwegisch, Schwedisch, Portugiesisch, Deutsch und Englisch für Hörgeschädigte
Audio: Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial: Dokumentation „Die Bemannung des Rades“, Dokumentation „Gran Torino: Mehr als nur ein Auto“
Vertrieb: Warner

Im Netz
Trailer

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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