„The Oil Crash“ von Basil Gelpke und Ray McCormack

Der schwarze Gott

„The Oil Crash“ von Basil Gelpke und Ray McCormack

Oil Crash 1

Dass wir in zwanzig Jahren statt in Autos in Pferdekutschen zur Arbeit fahren, ist weniger absurd, als man denkt. Dass die Tage des Erdölzeitalters gezählt sind, wissen wir alle, nur wahrhaben will es niemand. Die erstklassige Dokumentation „Oil Crash“ nimmt sich des Themas an, und zeigt, was uns wohl schon in den nächsten Jahrzehnten erwartet.

Von Lukas Hunziker.

Dass der Film nicht für den Oscar nominiert wurde ist ebenso verwunderlich wie verständlich. Schliesslich will man gerade in Amerika nichts wissen von dem langsamen Versiegen des schwarzen Goldes. Das Erdöl machte aus den USA den mächtigsten Staat der Erde. Doch wenn „Oil Crash“ etwas klar macht, dann dass das Ende des Öls auch das Ende der Weltmacht USA wäre. Ein neues Zeitalter steht auch Europa bevor, doch dürfte es uns weniger hart treffen als die USA.

Gott des Wohlstands

Doch beginnen wir von vorne, wie es der Film auch tut. Das Ölzeitalter begann in Aserbeidschan im 19. Jahrhundert. Der Ölrausch erreicht bald die USA, welche lange Zeit führend in der Erdölförderung ist. Niemand erwartet eine Ende des wertvollsten Rohstoffs, doch irgendwann nimmt die Fördermenge ab und es sind andere Staaten, die zu den Hauptexporteuren werden. Zwar wird noch heute in Alaska und der Nordsee gebohrt, doch die Hauptader liegt auf der arabischen Halbinsel. Trotzdem bleibt die USA der Erdölverbraucher Nummer Eins und zahlreiche amerikanische Werbefilme aus dem 20. Jahrhundert machen klar, dass das Öl von der USA verehrt wird wie ein Gott. Zurecht, muss man eingestehen, denn die Wohlstandsexplosion im 20. Jahrhundert haben wir dem schwarzen Schlabber zu verdanken, der in der arabischen Wüste aus dem Boden spritzt.

Gott des Krieges

Doch nicht nur Reichtum brachte das schwarze Gold; es war auch für die Mehrzahl der grossen Kriege im 20. Jahrhundert verantwortlich. Die (amerikanischen) Experten, die in „Oil Crash“ zu Wort kommen, machen keinen Hehl daraus, dass der Irakkrieg allein das Ziel verfolgte, den Ölfluss in den Westen zu sichern. Ohne das Öl aus der Golfregion wäre die USA wohl in wenigen Jahren in einer wirtschaftlichen Depression, die jener der 30er Jahre in nichts nachsteht. Kein Wunder geben auch Experten zu, dass bei einer Ölknappheit zu befürchten ist, dass die USA sich mit Gewalt des Restes bemächtigen. Sollte Saudi Arabien je von ihrem Kurs abrücken (wie dies der Film „Syriana“ zeigt), ist mit einem weiteren Golfkrieg zu rechnen.

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

Gott des Westens

Nicht erneuerbare Energiequellen decken über 90% des globalen Energiebedarfs. Dieser Energiebedarf besteht selbstverständlich fast ausschliesslich im Westen: in Europa und den USA. Afrika, der grösste Teil von Asien und weite Teile Südamerikas verbrauchen praktisch kein Erdöl. Doch mit China und Indien stossen zwei mächtige und grosse Nationen zu den Energieriesen und werden uns schon bald zwingen, das wenige, das noch da ist, zu teilen. Der Westen hat in 150 Jahren einen Rohstoff praktisch aufgebraucht, der während Millionen von Jahren entstanden ist. Noch immer wächst die Nachfrage, doch das Angebot sinkt. Der „Oil Peak“, das Erreichen des Fördermaximums, ist laut praktisch allen Experten bereits erreicht – von nun an geht es nur noch bergab. In wenigen Jahren schon dürfte ein schmutziger Kampf um die letzten Barrels beginnen.

Auf der Suche nach neuen Göttern

Alternative Energiequellen gibt es viele. Doch keine davon kann nur annähernd für das Energiedefizit aufkommen, welches das Ende des Erdöls zur Folge haben wird. Würde man die Ölenergie durch Atomenergie ersetzen, wären die Welturanvorkommen in wenigen Jahren aufgebraucht, möchte man die Welt mit Sonnenenergie betreiben, müsste man eine Fläche von ganz Kalifornien mit Solarzellen bepflastern. Wie wir unsere Autos, Flugzeuge, Fabriken und Heizungen zukünftig betreiben, ist ungewiss. Fest steht nur: nicht mit Öl. Biogas ist ein ebenfalls beschränkter Rohstoff, die Wasserstofftechnologie ist frühestens in 40 Jahren eine ernsthafte Alternative. Vielleicht also werden wir in zwanzig Jahren unsere Tante auf dem Land mit der Pferdekutsche besuchen.

Ein Dokufilm der Extraklasse

„Oil Crash“ ist ein längst überfälliger, klipp und klarer Dokumentarfilm über ein Problem, das nicht weniger aktuell ist als die globale Erwärmung. Zahlreiche Experten kommen zu Wort, zahlreiche eindrückliche Bilder unterstreichen die ernüchternden Fakten, alte Werbespots und weiteres Archivmaterial lassen einen zwischendurch lachen, schmunzeln und staunen. Basil Gelpke und Ray McCormack haben es geschafft, ein komplexes Problem einfach, umfassend und unterhaltsam in einen 80-Minuten-Film zu packen. Langweilen wird man sich auf keinen Fall, eher im Gegenteil.   „Oil Crash“ ist ein Muss nicht nur für Dokuliebhaber, sondern eigentlich für alle, die nicht auf Bäumen leben. Der Film ist spannend, und ungemein informativ, ohne anstrengend zu sein. Wer die 80 Minuten opfert, bekommt einen glasklaren Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Ölzeitalters. Wer sie nicht opfert, darf sich nicht wundern, wenn in einigen Jahren die Tankstelle um die Ecke schliesst. Für immer.

Ausstattung: Ausführliche Interviews, neue Erkenntnisse

Die Bonus-DVD enthält einerseits ein 5minütiges, im Originalfilm nicht verwendetes Kapitel zum Schicksal Venezuela, welches nach dem Versiegen seiner Ölquellen in die Armut fiel. Weit wertvoller und fesselnder jedoch sind die vier je ca. 20minütigen Interviews mit führenden Ölexperten wie Colin Campbell, die nochmals nüchtern zusammenfassen, was nicht mehr zu leugnen ist. Wer gerne mehr über die Vor- und Nachteile der alternativen Energien erfahren möchte, kommt in den Interviews ebenfalls auf seine Kosten.


Seit dem 25. September 2007 im Handel.

Originaltitel: A Crude Awakening: The Oil Crash (Schweiz 2006)
Regie: Basil Gelpke und Ray McCormack
Genre: Dokumentarfilm
Dauer: 83 Minuten
Bildformat: 16:9
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Französisch
Audio: Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial: Bonuschapter: Petrostates, Interview Excerpts, Theatrical Trailer
Vertrieb: Warner

Im Netz
Offizielle Seite zum Film
Mehr Infos zum Oilcrash und der Zukunft ohne Erdöl


Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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