Interview mit Dennis Lisk
„Ich habe losgelassen, um wieder eine neue Form von Glück und Leidenschaft zu finden“
Interview mit Dennis Lisk
Interview Dennis Lisk , 19.8.2009 Old Fashion Bar Zürich
Es war ein drückend heisser Hochsommertag als sich nahaufnahmen.ch mit Dennis Lisk im lauschigen Innenhof der Old Fashion Bar in Zürich zum Interview traf. Zusammen mit Jan Delay und DJ Mad hat er (damals noch als Denyo) als Beginner in der Rapwelt schon länger Kultstatus erreicht, nach diversen Rapsoloalben betritt Dennis Lisk nun neue musikalische Pfade und bringt mit „suchen und finden“ ein Album im Singer/Songwriter-Stil heraus. Trotz der Hitze und einem langen Nachmittag voller Interviews zeigen sich bei Dennis Lisk noch keine Ermüdungserscheinungen und so ergibt sich anregendes Gespräch über Live-Auftritte, sein neues Album „suchen und finden“, die Zukunft des Musikbusiness und ein mögliches neues Beginneralbum.
nahaufnahmen.ch: Du warst in den letzten Wochen zu Gast bei verschiedenen Festivals und hast so dein neues Album erstmals auch live präsentiert. Bist du soweit zufrieden mit der Liveumsetzung deines Albums? Klappt alles nach deinen Vorstellungen?
Dennis Lisk: Ja, es klappt nach meinen Vorstellungen. Ich habe natürlich auch ein bisschen Zeit gebraucht, um das Ganze so richtig einzuspielen und `ne gute Show draus zu machen und die haben wir jetzt. Wir haben einige grosse Festivals gespielt wo ich auch gemerkt habe, dass viele Leute meinetwegen gekommen sind. Das waren echt schöne Konzerte, es hat richtig Spass gemacht. Die Band ist am Start und das Bühnenkonzept stimmt, wir spielen nun noch den Festivalsommer zu Ende und gehen danach mit Xavier Naidoo auf Tour.
nahaufnahmen.ch: Spielst du live lieber in kleinen, intimen Clubs oder vor 20 000 Leuten?
Dennis Lisk: Es kommt immer drauf an, in welcher Phase man sich als Musiker gerade befindet. Man muss eine schöne Balance finden, aber Fakt ist, dass ich lieber vor 200 oder 500 Leuten im kleinen Club spiele, die halt wirklich meine Musik schön finden, als vor 20 000 wo dich keiner kennt. Aber wenn dich die 20 000 kennen, ist das natürlich auch geil. Ich finde beides cool, ich habe jetzt auch beides schon gemacht und möchte beides nicht missen.
nahaufnahmen.ch: Wie hast du die Musiker deiner Band ausgewählt? Hast du sie schon gekannt bevor du das Album aufgenommen hast oder bist du so richtig auf die Suche gegangen?
Dennis Lisk: Die Stammmusiker, die das Album eingespielt haben, die kannte ich schon vorher, ich habe den Gitarristen bei einer Zusammenarbeit für den Soundtrack des Filmes „Leroy“ kennengelernt und darüber dann auch den Drummer und den Bassisten. Mein Keyborder war früher schon bei meinen Rapsoloalben dabei und so hat sich das dann alles zusammengefügt.
nahaufnahmen.ch: Dein neues Album „suchen und finden“ geht mehr in Richtung Singer/Songwriter, hattest du dabei klangliche Vorbilder im Kopf?
Dennis Lisk: Ich hatte ein intuitives Gefühl, ich wusste genau was für bestimmte Gefühlsmomente ich auf den Songs haben möchte. Und das sind meine eigenen Momente. Ansonsten hatte ich viele Vorbilder musikalischer Art, ich habe hie und da versucht, was von The Police aufblitzen zu lassen, bei anderen Songs mit einem klassischen Gitarre-Gesangskonzept steckt bestimmt auch ein Faible für Rio Reiser oder Lindenberg drin, genauso wie auch ein Faible für schöne Rockmusik drinsteckt, ob das nun The Verve ist oder Lenny Kravitz oder so was. Aber es gibt jetzt keinen Künstler, den ich ganz doll als Vorbild herausheben würde. Ich hab auch viel mit Streichern gearbeitet, da war dann ein Song wie „Past time paradise“ von Stevie Wonder total hilfreich.
nahaufnahmen.ch: In einem Interview auf deiner Myspace-Seite sagst du, dass du gewisse Themen und Gefühle mit Rap nicht ausdrücken kannst. Was für Themen sprichst du hier an und wieso denkst du, dass du sie mit Rap nicht ansprechen kannst?
Dennis Lisk: Ich für mich persönlich habe einfach das Gefühl gehabt, dass das was ich jetzt ausdrücken wollte mit diesem Album, nicht in Form eines Rapalbum hätte machen können. Das hat manchmal auch handwerkliche Gründe, wenn der Beat zu fett wird, dann kann ich nicht mehr so gefühlvoll singen, sondern muss halt anfangen ein bisschen mehr Gas zu geben, ein bisschen mehr Energie reinzupacken. Und dann verliert sich halt das Gefühl, dass ich eigentlich ausdrücken wollte. Die ganze Machart von Rap hätte bedeutet, dass ich mehr Energie in meine Texte und meinen Gesang hätte reinbringen müssen, die konträr zu dem gewesen wäre, was ich für ein Gefühl ausdrücken möchte. Es ist halt sehr weich und sehr zart, auch ein bisschen zerbrechlich, das interessiert mich an mir selber und an der Musik, die ich mache. Deshalb war es für mich persönlich nicht mit Rap zu vereinbaren. Das war nicht das was ich machen wollte, ich wollte einfach Gesang und Melodien haben.
nahaufnahmen.ch: War es in gewisser Weise für dich auch eine Befreiung vom Rap?
Dennis Lisk: Ja, das ist einfach so. Es ist alles so nah an mir dran, das alles stimmig ist. So ein Song wie „Lass los“ handelt halt vom loslassen und als ich den geschrieben habe, habe ich bestimmt eher an die Beziehungsebene gedacht, zwischen Mann und Frau oder Beziehungsformen halt. Im Nachhinein ist aber ganz klar, dass ich weiss, dass ich den Song auch geschrieben habe, weil ich HipHop losgelassen habe, das was mich ausmacht, wofür ich lebe und wofür mich die Leute auch kennen, wo ich total vertraut drin bin, dass ich dies alles loslasse, um für mich wieder eine neue Form von Glück und Leidenschaft zu finden. So habe ich halt eine neue Spielwiese und kann neue Wege gehen und das hat mich auch extrem glücklich gemacht.
nahaufnahmen.ch: Hast du jetzt nach „suchen und finden“ das Gefühl, dass dein nächstes Soloalbum noch mal in diese Richtung geht, weil du jetzt besser weißt, wie du diese Musik machen kannst?
Dennis Lisk: Ja natürlich, das erste Jahr war so eine Selbstfindungsphase, die würde nicht wegfallen, weil man muss sich immer wieder neu finden und auch kucken muss wo man hin will, aber ich find das total spannend mit dem Wissen, das ich jetzt habe, habe ich mich auch verbessert und bin sicherer geworden. Ich weiss woraufs mir eigentlich ankommt, ich freue mich schon auf die Phase, wo ich wieder Zeit habe neue Songs zu schreiben. Und es wird auf jeden Fall als Dennis Lisk weitergehen.
nahaufnahmen.ch: Ich habe letzte Woche folgendes Zitat von Jan Delay gelesen: „Es wäre ganz schön doof in einer Zeit auf der faulen Haut zu liegen, in der man dem Musikbusiness zuschauen kann wie es auf eine Betonwand zurast. „ Siehst du die Zukunft des Musikbusiness auch ähnlich schwarz?
Dennis Lisk: Ich sehe die Zukunft des Musikbusiness nicht schwarz, nein. Es wird nur nicht leichter, es wird halt immer schwerer. Das ist halt schade. Es ist besonders schade für ambitionierte, nicht so leicht greifbare Künstler, die nicht so schnell zu vermarkten sind. Es ist schon krass, dass auch Labels immer weniger Möglichkeiten haben gute Künstler zu unterstützen und sich immer mehr für etablierte und sichere Künstler entscheiden müssen. Ich habe auch Angst davor, dass da irgendwann nichts mehr nachkommt an interessanten Kunst- und Kulturflashes, weil alles einfach irgendwie marktgerecht sein muss. Andererseits birgt das Internet auch extrem viele Chancen, man hat die Möglichkeiten sich einen Namen zu machen ohne mit A&Rs zu sprechen, die einen in irgendeine Schublade stecken möchten. Du kannst einfach anfangen und deine Musik verbreiten und es gibt immer noch genug Möglichkeiten Geld zu verdienen. Du kannst live auftreten wenn du eine Band hast, das finde ich das Schöne wiederum. Im Gegensatz zum Schauspieler, der immer wieder auf ein Filmengagement warten muss, kannst du als Musiker hier und jetzt deine Musik machen. Aber es ist schon wahr, es wird immer schwerer, deiner Intuition, deinem eigenen Weg zu folgen, man muss immer mehr Kompromisse eingehen und das ist schade. Schlussendlich jammern dann die Fans oder die Konsumenten darüber, dass nichts Tolles mehr rauskommt, aber wenn man die Musik nicht kauft, die man hört, dann führt das halt dazu.
nahaufnahmen.ch: Hast du selber das Gefühl, dass du Kompromisse eingehst?
Dennis Lisk: Nee, genau das habe ich dieses Mal nicht gemacht. Aber unterbewusst geht man bestimmt Kompromisse ein. Ich habe ganz doll darauf geachtet einem bestimmten Gefühl von mir zu vertrauen und das wird mich dann schon da hin bringen schöne Musik zu machen. Und ich habe solche Sachen losgelassen wie, „kann man das live rüberbringen?“, „sind das nicht zu viele langsame Songs?“ und „ich bin doch eigentlich Rapper“ und all diese ganzen Sachen habe ich extra losgelassen und mich ganz bewusst dazu entschieden nicht diese Kompromisse einzugehen. Und das ist auch nicht immer einfach.
nahaufnahmen.ch: Apropos Jan Delay, tauscht ihr euch gegenseitig über eure Soloprojekte aus?
Dennis Lisk: Ein bisschen. Nicht so doll. Ich bin nicht so daran interessiert am Schaffensprozess von Jan beteiligt zu sein oder jetzt jeden Tag mitzubekommen was er macht. Ich weiss er macht sein Ding und das wird cool und irgendwann gehe ich aufs Konzert und pfeif mir das rein und das wird schon geil und das ist voll in Ordnung so. Genauso ist das bei mir halt auch. Ich habe ihm schon meine Sachen gezeigt vor einem knappen Jahr, weil mich das interessiert hat, ob er vielleicht noch Ideen hat und wie er es findet. Gleichzeitig habe ich auch seine Sachen gehört, die er bis dato gemacht hatte und habe dann auch noch meinen Senf dazu gesagt, aber das wars dann letztenendes auch und jeder geht seinen Weg. Ich muss auch ehrlich zugeben, dass ich ganz bewusst nicht zuviel wollte. Weder Jan urteilen lassen über meine Musik, noch in irgendeiner Form seine Musik hören, ich wollte gar nicht wissen, was er macht und wie das dann klingt. Ich wollte auch überhaupt gar nicht wissen wie er das findet was ich mache, bis zu einem gewissen Punkt wo ich die Platte eh schon fast fertig hatte. Weil ich, wie gesagt, ganz nah bei mir selber bleiben wollte. Ich habe natürlich Leute um mich rum, die mir auch wichtig sind, aber da gehört er dann nicht dazu.
nahaufnahmen.ch: Wird es denn in naher oder ferner Zukunft wieder ein Beginner Album geben?
Dennis Lisk: In naher Zukunft nicht, aber es wird auf jeden Fall noch mal ein Album geben, darüber sind wir uns alle einig. Wir wissen einfach noch nicht wann das genau passiert. Wir müssen kucken, dass Jan und ich zeitlich zueinander finden. Ich denke mal, dass Jan mit seinem zweiten Jan Delay Album hintereinander eher das Gefühl hätte, dass er das für sich abschliessen kann und eher so eine Beginnerphase beginnt, aber ich werde für mich noch mein zweites Dennis Lisk Album machen und dann müssen wir irgendwie schauen, dass sich die Zeitfenster überlappen. Aber ich freu mich natürlich auch, wieder was zu machen mit Jan und kann mir gut vorstellen, dass wir so Ende 2010 anfangen mit einem neuen Beginneralbum. Aber wer weiss was passiert? Vielleicht will Jan doch was anderes machen, oder ich will etwas anderes machen, man kann es nicht so ganz versprechen. Aber von meiner Intuition und ich glaube auch von Jans Intuition könnte 2010 so ein Jahr sein, wo man sich jedenfalls sagt man beginnt mit einem neuen Album.
Im Netz: