„Buddenbrooks“ von Heinrich Breloer
Haltung – Gleichgewicht – Disziplin
„Buddenbrooks“ von Heinrich Breloer
In einer Kaufmannsfamilie des 19. Jahrhunderts muss das Glück des Einzelnen hinter dem Wohl der Firma zurückstehen. „Buddenbrooks“ erzählt vom Zerfall einer Familie und vom Untergang eine Ära. Wenn der Film den bekanntesten Roman Thomas Manns einem breiten Publikum vertraut machen kann, warum nicht? Kenner des Romans würden sich allerdings eine etwas mutigere Interpretation wünschen.
Von Sandra Despont.
In der Hansestadt Lübeck werden die Menschen von Geschäften regiert. Die alteingesessenen Familien von Kaufleuten, deren Vorfahren mit Fleiss und Beharrlichkeit kleine Handelsimperien geschaffen und einen quasi-adligen Stand erreicht haben, beäugen argwöhnisch jeden Aufsteiger. Am liebsten heiraten sie unter sich, Geld heiratet eben gerne Geld. Für junge Frauen bleibt da nicht viel Raum für persönliches Lebensglück. „Grade Wege der Pflicht“ sollen sie gehen, wie der geschäftlich kluge, doch um des Geschäfts willen auch patriarchische, vor der Moral seiner Zeit, der allgemeinen Meinung und den Interessen der Firma zu Kreuze kriechende alte Buddenbrook seiner Tochter sagt.
Ein alberner Mann
Doch das ist Toni Buddenbrooks Sache nicht. Wie ein Schatten liegt über ihrem Leben, dass der Mann, mit dem sie glücklich hätte werden können, nicht in Frage kam. Aus Geschäftsgründen, natürlich. Denn auch wenn Geld Geld heiratet, so heiratet es doch nicht das Geld des grössten Konkurrenten des väterlichen Geschäfts. Da heiratet man schon eher einen „albernen“ Mann wie Herrn Grünlich, der Toni, wie sie nach der Scheidung sagt, immer „widerwärtig“ blieb. Immer wieder begehrt sie gegen ihr Schicksal auf und versucht ihr Glück zu finden. Auch ihr Bruder Christian schlägt aus der Art. Als alkoholabhängiger, schwatzhafter, arbeitsscheuer Geck kehrt er von einem Aufenthalt in Südamerika zurück und scheint fortan bloss auf passende Gelegenheiten zu warten, sich möglichst publikumswirksam lächerlich zu machen. Nur der älteste Sohn Thomas hält die drei Leitsprüche der Buddenbrooks noch aufrecht. Soweit man sie halt aufrecht halten muss. Für Männer liegen nämlich durchaus Flirts mit Überlänge drin – solange niemand erfährt, dass das Blumenmädchen sein Körbchen für den Herrn Buddenbrook auch mal etwas weiter aufmacht. Doch nachdem er das geschwächte Geschäft des alternden und zaudernden Vaters übernommen hat, tritt auch er in die Fussstapfen seiner Vorgänger, die alle dem Geld, der Firma und einer Ordnung dienen, die mehr und mehr zum Selbstzweck zu verkommen scheint.

Hanno – ein Ärgernis
Heinrich Breloer kämpft bei seiner Verfilmung mit dem Versuch, die Romanvorlage getreu umzusetzen. So ehrenwert das im Einzelnen sein mag, im Ganzen ergibt sich aus dem Aneinanderreihen von Szenen ein ziemlich schwacher Film. Die Figuren wirken wenig pointiert und rücken nur andeutungsweise ins Bild. Was das Buch durch viele Seiten schafft, ist dem Film so nicht gegeben. Beim Versuch, Ruhe in einen recht handlungsreichen Film zu bringen, der immerhin den ganzen Untergang einer Familie über mehrere Generationen in Szene setzen soll, geht die Prägnanz der Figuren verloren. Mit einer Ausnahme: ausgerechnet bei Hanno haben die Filmleute etwas Interpretation gewagt. Leider wird aus ihm aber eine ganz und gar ärgerliche Figur, ein dicklicher, dümmlicher, weinerlicher Junge, der nichts auf die Reihe bringt, dem man allerdings auch kein beseeltes Klavierspiel zutrauen mag. Dieser Hanno ist kein feiner Schöngeist, sondern ein schwammiges Muttersöhnchen, über dessen Tod man nicht so recht traurig sein mag.
Schrill-Lacher und Kuchenesser für den Publikumsgeschmack
Insgesamt wirkt der Film zu bieder, langweilig und konventionell. Die Ballszene zu Beginn gibt die Stimmung fürs Ganze vor. „Buddenbrooks“ bleibt damit eine Literaturverfilmung, die sich nichts traut, deren Bildsprache sich nicht über das handwerklich gut gemachte hebt und der man bestenfalls Werktreue, schlimmstenfalls Einfallslosigkeit vorwerfen könnte. Da helfen auch die abgelutschten komischen Szenen nichts. Ein älterer Herr, der sich Kuchen essend hinter Zimmerpflanzen verbirgt, weil ihm die holde Gattin den Genuss von Süssigkeiten verboten hat, ein grotesker Schrill-Lacher von Bankier. Witziger geht’s nicht. Muss es auch nicht, denn „Buddenbrooks“ ist kein freudiges Marzipantortenessen. Alles andere als das. Warum man es sich dann nicht erspart hat, noch was Lustiges reinzubringen, fragt sich. Wollte man diese nicht gerade leichte Kost für den allgemeinen Publikumsgeschmack verdaulicher gestalten? Dafür würde auch sprechen, dass die reichlich repetitive Musik irgendwo zwischen Sissi-Romantik und Winnetou-Pathos schwelgt und insgesamt alles tut, um die so schon etwas überdeutlich hervorgehobene Symbolik der Bilder quasi per musikalischen Zeigefinger noch zu betonen.
Als mündige Filmeguckerin kommt man sich da manchmal etwas gar fest bevormundet und unterhalten vor. Zu viel liegt plan zutage bei diesem immerhin mehr als zwei Stunden langen Film. Das Gefühl bleibt aus, dass beim ersten Anschauen so viel unerschlossen bliebe, als dann man den Film noch ein zweites Mal anschauen könnte. Die endgültige Fehlspekulation Thomas Buddenbrooks etwa wird, damit es auch die Hannos unter den Zuschauern verstehen, mehrfach vor Augen geführt. Die Geschichte geht etwa so: Kaufmann kauft grosse Menge Getreide, noch am Halm. Feier des 100-jährigen Geschäftsbestehens. Während der Feier 1. Hagel. 2. Telegramm. 3. Bild von Getreide im Hagel. 4. Gespräch über Geschäftsverlust. Jeder halbwegs aufmerksame Zuschauer hätte nach 1 schon gewusst, was es geschlagen hat. Und wieder wären ein paar wertvolle Sekunden gewonnen…
Extra kurz
Die Extras verlängern das Epos nicht wesentlich. Der Bericht über die Weltpremiere ist weniger ein Bericht, denn eine impressionistische Bilderfolge, in der vor allem Selbstgefälligkeit über so viel roten Teppich und blitzende Kameras zum Ausdruck kommt, das Making of ist ordentlich, mehr aber auch nicht, und mit 14 Minuten auch nicht lang genug, um einen einigermassen umfassenden Eindruck der Dreharbeiten geben zu können.
Seit dem 11. September 2009 im Handel.
Originaltitel: Buddenbrooks (Deutschland 2008)
Regie: Heinrich Breloer
Darsteller: Armin Müller-Stahl, Jessica Schwarz, August Diehl, Mark Waschke, Iris Berben
Genre: Drama
Dauer: ca. 145 Minuten
Bildformat: 16:9
Sprachen: Deutsch
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Audio: Dolby Digital
Bonusmaterial: Making of, Bericht über die Weltpremiere in Essen, Trailer
Vertrieb: Warner
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