Der Herz-Klassiker

Der Herz-Klassiker

Dank der „Framingham Heart Study“ wissen wir, was schlecht fürs Herz ist.

Warum immer mehr Menschen an Herzinfarkten starben, wollten die amerikanischen Gesundheitsbehörden Ende der 1940er Jahre wissen. Daher starteten sie in der Kleinstadt Framingham eine gross angelegte Studie. Nach einigen Jahren zeigte sie: Hohe Blutdruck- und Cholesterinwerte verkürzen das Leben. Doch diese Resultate waren erst der Anfang einer langen Reihe von Erkenntnissen, die heute Grundlage für Diagnose und Behandlung von Herzkrankheiten sind.

Von Martin Geiser

„Darf ich noch einen Schokoladenriegel haben?“ ist eine der Lieblingsfragen von Kindern. Den meisten Müttern und Vätern ist jedoch klar: Zuviel Fett ist ungesund. Das kritische Kind hingegen wundert sich – zu Recht – woher die Eltern das denn so genau wissen? Wo der Ursprung liegt, ahnen diese vielleicht nicht, aber diese Erkenntnisse stammen aus Amerika: genauer aus dem Städtchen Framingham in der Nähe von Boston. Dort begann 1948 eine Studie, die mittlerweile zu den Klassikern der medizinischen Forschung gehört, die Framingham Heart Study. Initiiert wurde sie, weil die Gesundheitsbehörde US Public Health Service (PHS) wissen wollte, warum seit Beginn des Jahrzehnts immer mehr Menschen an den Folgen von koronaren Herzkrankheiten starben, also Erkrankungen die die Herzkranzgefässe betreffen.

Die Entdeckung der Risikofaktoren

Das Wissen um die Ursachen dieser Krankheiten, die zu einem Herzinfarkt führen können, war damals lückenhaft. Füllen wollten die Wissenschaftler des PHS diese Lücke mit einer breit angelegten Studie. Dazu luden sie über 5000 Erwachsene, darunter 1644 Paare, zu umfangreichen medizinischen Untersuchungen ein. Alle Studienteilnehmer wohnten in Framingham. Sie wurden auf Herz, Lunge und Nieren geprüft, und zudem ausführlich über ihren Lebensstil, zum Beispiel die Ernährung, befragt.

Es brauchte einige Jahre und weitere umfangreiche medizinische Checks der Studienteilnehmer bis genug Daten vorlagen, um Zusammenhänge zwischen Herzkrankheiten und möglichem Riskoverhalten der Bewohner von Framingham ziehen zu können. Aufgrund dieser Daten erkannten die Wissenschaftler des nun federführenden National Heart Institute (NHI), dass das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, bei hohen Blutdruck- und Cholesterinwerten ansteigt. Doch um diese ersten Erkenntnisse zu bestätigen und weiteren Ursachen auf die Spur zu kommen, nahmen die Studienteilnehmer weiterhin alle zwei Jahre an medizinischen Tests teil.

Mit den Jahrzehnten kristallisierte sich immer deutlicher heraus: Auch Rauchen, wenig Bewegung, falsche Ernährung und Übergewicht waren weitere Risikofaktoren, die das Leben verkürzten. Die Framingham-Studie prägte als erste den Begriff „Risikofaktor“ und führte zur Erkenntnis, dass unser Lebensstil die Lebenserwartung stark beeinflusst. Diese Studienergebnisse aus den 1960er-Jhren haben sich mittlerweile in der ganzen Welt herumgesprochen.

Die nächste Generation

Ermuntert durch den Erfolg der Framingham Heart Study rief das NHI 1971 eine Folgestudie ins Leben. Das Institut rekrutierte wiederum mehr als 5000 Menschen, vorwiegend Kinder der Teilnehmer der Originalstudie sowie deren Partner. Sich an der Fortsetzung der Studie zu beteiligen, war für die Söhne und Töchter der Stadt beinahe selbstverständlich, die Bewohner der Kleinstadt identifizierten sich inzwischen stark mit „ihrer“ Studie.

Ende der 1980er und zu Beginn der 1990er-Jahre sammelten die Wissenschaftler DNS-Proben bei den überlebenden Teilnehmern beider Studien . Dieses Genmaterial ist heute öffentlich zugänglich und mit ihm versuchen Forscher auf der ganzen Welt Gene zu finden, die für bestimmte Krankheiten mitverantwortlich sein könnten. Dabei wird zum Beispiel untersucht, ob Studienteilnehmende mit auffallend guten oder schlechten Lungenfunktions- oder Cholesterinwerten genetische Besonderheiten aufweisen.

Framingham forever

Zurzeit werden die heute noch lebenden Teilnehmer der ersten Studie zum dreissigsten Mal untersucht. Dank der Fülle von Daten, die in den letzten Jahrzehnten bei den immer älter werdenden Teilnehmern gesammelt wurden, erhoffen sich Wissenschaftler nun auch Erkenntnisse zu typischen Alterskrankheiten wie Arthrose, Krebs, Demenz oder Hör- und Sehschwäche.

Nach der Originalgruppe und deren Nachfahren lud das aus dem NHI hervorgegangene heutige National Heart, Lung and Blood Institute eine dritte Generation zu einer Studie ein. Die Untersuchung der über 4000 Teilnehmer begann 2002. Die über sechzig Jahre zurückreichende Sammlung an Daten ermöglicht mittlerweile auch generationenübergreifende Vergleiche. Die Jungen Menschen in Framingham haben zum Beispiel einen deutlich niedrigeren Blutdruck als ihre Grossväter und Grossmütter, sie rauchen auch viel weniger – aber Übergewicht ist weit häufiger.

Inzwischen existieren auch zwei Studiengruppen mit nach Framingham zugewanderten Bürgern anderer Ethnien. Das Ziel all dieser Studien ist weiterhin die Suche nach Risikofaktoren. Heute schliesst dies neben dem Lebensstil jedoch auch Erbfaktoren ein. Zudem ist die Zahl der untersuchten Krankheiten gewachsen.

Insgesamt wurden bis heute über 2000 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, die auf den Daten der Framingham-Studien basieren. Und die Arbeit wird den Forschern wohl auch in Zukunft nicht so bald ausgehen.

 


 

Testen Sie Ihr Risiko

Wenn auch Sie wissen möchten, wie gross (statistisch gesehen) ihr Risiko ist, in den nächsten Jahren einen Herzinfarkt oder einen Hirnschlag zu erleiden, können Sie dies mit dem Beantworten von ein paar Fragen und der Messung einiger weniger Blutwerte tun. Grundlage für das zur Berechnung angewandte Verfahren sind die Resultate der Framingham-Herz-Studie.

Weitere Informationen unter:

Schweizer Herzstiftung:

http://www.swissheart.ch

 

Alles über die Framingham Heart Study:

http://www.framinghamheartstudy.org

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