„Die Schlinge“ von Pavel Kohout

Liebe in Zeiten des Kommunismus

„Die Schlinge“ von Pavel Kohout

Ein junger Dichter und engagierter Vertreter der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei bekommt den Auftrag, gerade jenen Mann zu beschützen, der zwischen ihm und seiner grossen Liebe steht. In seinem packenden historischen Roman verflicht Pavel Kohout eine Dreiecksbeziehung mit den Gründerjahren der kommunistischen Tschechoslowakei um 1948.

Von Lukas Hunziker.

dieschlingeJan Kohout ist einer der angesehensten jungen Männer der Kommunistischen Partei, nicht nur wegen seines politischen Engagements, sondern auch wegen seiner kämpferischen und leidenschaftlichen Gedichte. Neben dem Kampf für eine starke, neue Tschechoslowakei unter kommunistischer Führung hat Jan nur Eines im Sinn: die bildschöne Schauspielerin Kamila, der er schon vor dem Krieg verfiel, endlich ganz für sich zu gewinnen. Obwohl sich zwischen den beiden vor und in den Kriegsjahren eine leidenschaftliche Beziehung entwickelt hat, fällt es Kamila jedoch schwer, sich von ihrem Mann zu trennen, der ihre erste grosse Liebe war. Felix Fischer ist jedoch nicht nur Kamilas Mann, sondern gleichzeitig auch einer der führenden Köpfe der Sozialdemokraten, und unter diesen einer jener, die einem Zusammenschuss mit der Kommunistischen Partei kritisch gegenüber stehen.

Als einer der Kritiker der Verbrüderung der Linksparteien gerät Fischer bald ins Schussfeld der Kommunisten. Diese beauftragen schliesslich Jan, Fischer zu versichern, dass dieser trotz, oder gerade wegen seiner kritischen Position ein Mann sei, den sie gerne mit am Verhandlungstisch hätten. Jan wird somit unfreiwillig zum Vermittler zwischen seiner Partei und jenem Mann, der einer Beziehung zu Kamila am meisten im Wege steht. Mehr noch, die Gefahr, in der sich Fischer zu befinden scheint, schweisst ihn und Kamila wieder mehr zusammen. Jan sieht seine Hoffnungen auf ein baldiges Liebesglück mit Kamila schwinden, und muss sich gleichzeitig mit der Vermutung auseinandersetzen, dass seine Parteigenossen nicht mit offenen Karten spielen, sondern ihn lediglich für ein politisches Manöver benutzen.

Blick zurück auf die Geburt einer Republik
Ein historischer Roman ist meist dann gelungen, wenn er persönliche Schicksale und geschichtliche Ereignisse glaubhaft miteinander zu verknüpfen weiss – dies hat sich seit Dickens‘ „A Tale of two Cities“ kaum geändert. Pavel Kohout gelingt diese Verknüpfung in „Die Schlinge“ beachtlich gut. Auch wer kaum Kenntnis von der tschechoslowakischen Geschichte hat und nur knapp weiss, dass es mal so etwas wie den „Prager Frühling“ gab, findet sich im Politdschungel der jungen Republik relativ schnell zurecht. Obwohl der Autor in jener Zeit selbst in der Kommunistischen Partei aktiv war – gewisse Parallelen zu Jan sind kaum zu übersehen – verliert er sich nicht in Details, mit denen nur Historiker etwas anzufangen wissen, sondern erzählt sehr direkt und klar, mit welchen Schwierigkeiten der Staat in seiner Formierungszeit zu kämpfen hatte.

„Die Schlinge“ ist damit einerseits ein gelungenes Porträt eines Stücks europäischer Geschichte, andererseits aber auch ein Liebesdrama, das fast genauso spannend ist. Jans Liebe zu Kamila wird zwar sehr distanziert und ohne grosse Gesten beschrieben, ist jedoch wohl gerade deswegen so glaubhaft und nachvollziehbar; Klischees werden vermieden, Gefühle nüchtern, aber ehrlich beschrieben. Sprachlich ist der Roman, und auch die Übersetzung, sehr gut gelungen, einige Sätze ist man fast geneigt zu markieren: „Kamila fügte sich schlicht und einfach an den Kanten zweier Schicksale Verletzungen zu“. „Die Schlinge“ ist spannend, schön erzählt und öffnet ein Fenster in eine Zeit und einen politischen Konflikt, der im Geschichtsunterricht des 20. Jahrhunderts kaum je Erwähnung findet, obwohl er zu faszinieren vermag.


Osburg Verlag
302 Seiten, ca. CHF 34.50

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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