Frances Goodrich, Albert Hackett „Das Tagebuch der Anne Frank“ (Theater Minimax|Theater Roxy, Birsfelden)

Ihr habt doch wenigstens schon gelebt

Frances Goodrich, Albert Hackett “Das Tagebuch der Anne Frank“ | Theater Minimax im Theater Roxy, Birsfelden

t Milena Abrahamse (als Anne Frank) und Renato de Pedrini (als ihr Vater, Otto Frank)
Milena Abrahamse (als Anne Frank) und Renato de Pedrini (als ihr Vater, Otto Frank)

Wie kann man sich dem ergreifenden Dokument über das Schicksal einer jüdischen Familie im Nationalsozialismus nähern und es auf die Bühne bringen? Die gefühlvolle Inszenierung des Theater Minimax, gewährt dem Publikum Einblicke in das Seelenleben eines frühreifen und sensiblen Mädchens, das an der Schwelle zum Erwachsensein steht. Ohne Pathos und Betroffenheitsrhetorik.

Von Béla Riethausen.

1929 geboren, bekam Anne Frank zu ihrem 13. Geburtstag ein neues, unbeschriebenes Tagebuch geschenkt, nur wenige Wochen bevor sie und ihre Familie im von den Nazis besetzten Amsterdam untertauchen mussten. Die darin enthaltenen Briefe an die erdachte Freundin Kitty schrieb sie zunächst nur für sich selbst, um sie dann für eine spätere Veröffentlichung umzuarbeiten.

Der universelle Reiz des Tagebuchs liegt in der Mischung aus den Besonderheiten des Lebens im Krieg (die dauernde Angst vor der Entdeckung, karge Mahlzeiten und Kleidung, die nicht mehr passt und aufgetragen werden muss) und der offenherzigen Auseinandersetzung mit Gefühlen einer Heranwachsenden, die Anne Frank als genaue Beobachterin beschreibt.

Streitgeladene Intimität
Der Inszenierung unter der Regie von Lothar Hohmann gelingt es, genau dies einzufangen, und Milena Abrahamse als Anne Frank lässt ihr Spiel zwischen Lebhaftigkeit und Ernsthaftigkeit wunderbar changieren.

Das Bühnenbild ist zwar etwas zu breit angelegt, um sofort die klaustrophobische, streitgeladene Intimität zwischen Eltern, der Schwester, einer zweiten Familie und einem Zahnarzt zu evozieren, doch das Spiel der Darsteller macht diesen Schwachpunkt mehr als wett. Allen voran Renato de Pedrini  als Vater von Anne Frank. Er spielt Otto Frank lebensnah, als einen hilfsbereiten Gutmenschen und fürsorglichen Vater. Ganz im Gegensatz dazu, die Figur Herr van Daan. Er ist auf sein Wohl bedacht, egoistisch, zeigt keine Geduld mit seinem Sohn Peter (gibt dem wohlerzogenen Sohn etwas Komödiantisches: Lucas Speiser) oder Verständnis für die Sorgen seiner Frau (als alternde Diva glänzend: Sonja Speiser). Am Anfang noch harmlos mit dem penetranten Wunsch nach Zigaretten, dann aber mit der  alle bedrohenden Dieberei des Essens. Daniel Boos verkörpert den Antipoden Otto Frank beklemmend gut.

M. Abrahamse, Lucas Speiser (Peter van Daan) und Mara Schlegel (Margot Frank)
M. Abrahamse, Lucas Speiser (Peter van Daan) und Mara Schlegel (Margot Frank)

Bittere Katastrophe
Als der Zahnarzt Jan Dussel in die kleine Gemeinschaft integriert werden soll, wird das Spiel perfider und die Enge spürbarer, nicht nur, weil sich nun Anne mit dem älteren Mann ihr zu kleines Zimmer teilen muss. Der Zahnarzt hat kein Verständnis für die offenherzige Art der heranwachsenden Anna und zeigt offen seine Feindseligkeit (als verbitterter alter Mann: Percy von Tomёi).

So, wie die Enge immer bedrückender wird, die Konflikte eskalieren, so steuert alles auf die bittere Katastrophe hin, dem Verrat und der Entdeckung.

Am Ende gehen die Darsteller einzeln ab. Anne verharrt als Letzte noch einen Augenblick, schaut sich noch einmal um, so als wüsste sie um ihr schreckliches Schicksal, legt ihr Tagebuch ab, um schliesslich den anderen zu folgen. Ein starkes eindrückliches Bild. Mehr braucht es nicht, um das Schicksal der Familien zu bezeichnen.

Ein kurzes Leben
Anne Frank musste ein ganzes Leben in sehr kurzer Zeit leben. Sie schrieb am 1. August 1944 das letzte Mal an ihre Freundin Kitty. Drei Tage später wurde die kleine Gemeinschaft entdeckt und mit dem letzten Transport, der vom holländischen Lager Westerbork aus ging, nach Auschwitz deportiert. Die FamiIie wurde getrennt. Sie sahen sich nie mehr wieder. Im März 1945 starb Anne in Bergen Belsen.

Als Einziger der acht Hinterhäusler überlebte der Vater, Otto Frank.

Letztes Jahr wäre Anne Frank 80 Jahre alt geworden – heute ein Alter, das sehr viele erreichen …


Besprechung der Aufführung am 22. Januar 2010.Leider keine weiteren Aufführungen in Planung.

Dauer: 90 Minuten ohne Pause

Regie: Lothar Hohmann
Regieassistenz: Laura Haak
Technik: Raphael Brunner
Musik: Thomas Wilde

Besetzung
Milena Abrahamse: Anne Frank
Mara Schlegel: Margot Frank
Renato de Pedrini: Otto Frank
Jacqueline Visentin: Edith Frank
Lucas Speiser: Peter Van Daan
Daniel Boos: Herr Van Daan
Sonja Speiser: Frau Van Daan
Percy von Tomёi: Jan Dussel
Michael Haak: Herr Kraler
Ursula Thöni: Miep Gies

Im Netz
www.annefrank.de

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