„Hitlers Arzt Karl Brand“ von Ulf Schmidt
Arzt und Massenmörder
„Hitlers Arzt Karl Brandtt“ von Ulf Schmidt
Die Geschichtsforschung hat den nationalsozialistischen Mediziner Karl Brandtt bisher stiefmütterlich behandelt, obwohl er massgeblich für das Euthanasieprogramm T-4, und somit für den Tod von mehr als 200.000 Psychiatrie-Patienten und behinderten Menschen, verantwortlich war. Medizin- und Wissenschaftshistoriker Ulf Schmidt holt in seiner nun vorliegenden Biografie Versäumtes nach und arbeitet detailliert und anschaulich sowohl den Werdegang Brandtts als auch die Funktionsweise des Gesundheitssystems unter Hitler auf.
Von Fee Anabelle Riebeling.
Karl Brandt, geboren 1904, gehörte einer entwurzelten Generation an, die sich nach dem Ende des ersten Weltkrieges (1914-1918) mit wirtschaftlichen Nöten und unsicheren Umständen konfrontiert sah. Dieses äusserte sich bei dem jungen Medizinstudenten in einem stark ausgeprägten Nationalbewusstsein. Wollte er sich zunächst noch dem im afrikanischen Gabun weilenden Albert Schweitzer anschliessen und ihm „mit äusserster Gehorsamkeit und Loyalität folgen wolte“, so folgte er wie viele andere seiner Generation in den Jahren darauf Adolf Hitler.
Der Weg zur Macht
Es war Anni Rehborn, eine vom deutschen Diktator hoch geschätzte Rekordschwimmerin und spätere Ehefrau Brandtts, welche die Männer 1932 einander vorstellte, doch erst ein Zufall im Jahr darauf brachte diese endgültig zusammen: Als Hitlers Adjutant bei einem Autounfall schwer verletzt wird, leistet Brandtt Erste Hilfe und betreut ihn bis zu dessen Genesung. Von seinen fachlichen Fähigkeiten überzeugt, engagiert Hitler ihn zunächst als Unfallarzt für Auslandsreisen. Doch schon bald steigt Brandtt in den Führungszirkel – und sogar in den engsten Freundeskreis des Diktators – auf. Eine Stellung, die er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs innehatte und in Konkurrenz zu anderen immer weiter ausbaute.
Verantwortlich, schuldig, …
Während der Zeit an der Spitze machte sich der Arzt, der sich selbst stets als „Idealist“ bezeichnete, vor allem im Zusammenhang mit dem Euthanasieprogramm T-4 schuldig. Als Leiter der Aktion war er für die Ermordung hunderttausender Menschen verantwortlich, tat dies aber als Dienst für die Gemeinschaft ab, mit dem er „den Ärzten und der Gesellschaft eine finanzielle, emotionale, ja sogar [eine] ästhetische Bürde ab[nahm]“.
… zum Tode verurteilt
Für seine Zugehörigkeit zu Hitlers engstem Kreis und seine Taten im Dritten Reich wurde Brandtt 1946 im Rahmen der Nürnberger Ärzteprozesse vor Gericht gestellt. Trotz einr Vielzahl prominenter Fürsprecher wurde Brandtt, der sich stets darauf berief ein Opfer zu sein, in drei von fünf Anklagepunkten schuldig gesprochen und zum Tode durch den Strang verurteilt. Die Hinrichtung erfolgte am 2. Juni 1948.
Akribische Quellenarbeit
Der Medizin- und Wissenschaftshistoriker und Autor der Biografie, Ulf Schmidt, schöpft sein Wissen aus unzähligen Quellen und einer Vielzahl an Originaldokumenten und webt so ein unglaublich dichtes und wissenschaftlich belegtes Bild des Arztes Karl Brandt – und des gesamten nationalsozialistischen Gesundheitssystems. Auf 750 Seiten zeichnet Schmidt ein zwar teilweise langatmiges, doch durchaus lesenswertes Porträt – weniger über die Person Brandtts als über die Verwicklung und Integration der Medizin mit den Verbrechen des Dritten Reichs. Private Details und familiäre Erlebnisse im Krieg werden hingegen nur am Rande erwähnt.
„Hitlers Arzt Karl Brandtt“ ist durchweg ein lesenswerter Wälzer, der den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesseln kann – vorausgesetzt dieser bringt ehrliches Interesse mit.
Aufbau Verlag
750 Seiten, ca. CHF 49,50