Euripides „Alkestis“ (Schauspielhaus Zürich, Pfauen)
Stellvertretend sterben
Euripides “Alkestis“ | Schauspielhaus Zürich, Pfauen
Was, wenn man lebt, weil ein geliebter Mensch sich an seiner Statt opfert? Siegt Freude oder Schuld? Und wofür lohnt es sich, zu leben? Karin Henkel holt das Euripideische Drama Alkestis ans Schauspielhaus und inszeniert eine moderne Version der griechischen Tragödie.
Von Rahel Klauser.
König Admet (Markus Scheumann) will leben, obwohl seine Zeit gekommen ist. Er verhandelt mit den Göttern, und diese zeigen sich kompromissbereit: Wenn er jemanden findet, der an seiner Stelle in den Tod geht, so wird er leben. Seine junge Frau und Mutter seiner zwei Kinder, Alkestis (Carolin Conrad), ist als einzige dazu bereit. Heldenhaft und selbstlos, ein Symbol der grenzenlosen Liebe zu ihrem Mann. “Bis dass der Tod euch scheidet“: Ein Eheversprechen, das sie hält, bis zum bitteren Ende.
Bittere Vorwürfe in dunklen Stunden
Als die Stunde ihres Todes aber näher rückt, da ist es mit der Heldenhaftigkeit vorbei. Alkestis will nicht sterben, doch dafür ist es zu spät. In ihrem Todeskampf spuckt sie ihn an, flucht, macht ihm Vorwürfe, und stellt Forderungen. Er dürfe sich keine neue Frau suchen, da diese nicht gut zu den Kindern wäre. Und er müsse ihr ewig nachtrauern. Admet steht ihr in Sachen Vorwürfe, zwischen Wut und Verzweiflung hin- und hergerissen, in nichts nach.
Lebendig, aber nicht glücklich
Dass im Endeffekt er ganz allein für ihren Tod verantwortlich und ein Feigling sei, will Admet sich von seiner Familie nicht anhören. Er beschimpft seine Eltern, dass nicht sie das Opfer des Todes für ihn gebracht hätten. Der König versinkt in Selbstmitleid, fühlt sich missverstanden. Nach Alkestis‘ Tod hängen die gegenseitigen Vorwürfe wie dicke Nebelschwaden in der Luft. Der stellvertretende Tod seiner geliebten Frau vermag ihn nicht glücklich zu machen. Er versinkt in Depressionen und denkt an Selbstmord. Was ist das Leben ohne sie noch wert?
Da tritt Herakles (ebenfalls Carolin Conrad), Sohn des Zeus und Freund von Admet, auf die Bühne. Tanzend versucht er, die Stimmung seines Gastgebers zu erheitern und plädiert für das volle Leben im Hier und Jetzt. Sein Erscheinen (inszeniert als Michael-Jackson-Verschnitt) erweist sich für Admet als Hoffnungsschimmer. Der Halbgott hat es in der Hand, Alkestis wieder zurückzuholen: Im Tausch gegen Admets Leben…
Gratwanderung
Alkestis (uraufgeführt 438 v. Chr.) schwankt zwischen Tragödie und Komödie. In dieser Inszenierung will die Wanderung auf dem schmalen Grat zwischen Trauer und Lachen jedoch nicht recht gelingen, die Spannung wird zu wenig subtil ausgelotet. Daran vermögen auch die überzeugenden Leistungen der Schauspieler (insbesondere Carolin Conrad) und das stimmungsvolle Bühnenbild (Henrike Engel) nichts zu ändern.
Weitere Vorstellungen: 20./21./24./25. Februar, 3./6./8./23./25. März
Besetzung: Carolin Conrad (Alkestis/Herakles), Markus Scheumann (Admet), Jean-Pierre Cornu (Vater), Tatja Seibt (Mutter), Gábor Biedermann (Bruder), Ludwig Boettger (Onkel), Emil Trautmann (Kind), Anna Bogatu (Kind), Pablo Rosat (Kind), Nora Meyer (Kind)
Bühne: Henrike Engel
Kostüme: Klaus Bruns
Licht: Ginster Eheberg
Dramaturgie: Katja Hagedorn
Dauer: 1 h 30 Minuten
Im Netz
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