“Week_End“ nach dem Film von Jean-Luc Godard (Neumarkt Theater, Zürich)

Schlacht im Neumarkt

“Week_End“ nach dem Film von Jean-Luc Godard| Neumarkt Theater, Zürich

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Mit dem Film “Weekend“ hatte Godard das Ende des Kinos im Blick. Jedes Tabu wurde darin gebrochen und allen voran wohl das der Menschlichkeit. Dies auf Seiten der Figuren. Die berühmte Stauszene wiederum hat schon beinahe Marthalersche Ausmasse (oder umgekehrt?) und ist damit grenzenlos theatralisch. Diese Vermischung treffen wir auch an diesem Theaterabend an.

Der Vater der Hauptdarstellerin Corinne (Katharina Schmalenberg) soll endgültig sterben. Wochenende für Wochenende fahren sie und ihr Mann Roland (Matthias Breitenbach) schon aufs Land hinaus nach Oinville und mischen ihm Gift unter den Kartoffelbrei. Sie stellen sich ihr Leben in der Sonne vor – so imaginieren sie es sich gegenseitig – schmieden aber jeder für sich bereits ganz andere Pläne: mit ihren Geliebten. Was mit den Millionen am Ende geschieht, erfahren wir nicht, doch bis dahin wird geredet, gefahren, gemetzelt und gegessen. Roland wird im Suppentopf landen und Corinne wird ihn genüsslich verspeisen, sie fühlt sich wohl bei den Kannibalen.

Das süsse Leben – unerreichbar
Die Bühne besteht aus dem süssen Leben – ganz hinten stehen die Liegestühle bereit, der erwähnte Platz in der Sonne, aus der berühmten Film-Autofahrszene steht das Auto bereit und die Telefonkabine für die Verbindung in die andere Welt, abgeschirmt von den Erlebnissen, die folgen. Und in der Mitte eine Drehbühne, die auch ein Zeitrad darstellt, dahinter ein Hügelsofa, hinter dem Corinne später vergewaltigt werden sollte und als Folge davon Zähne und Blut spuckt. Ist es auch dafür, dass sie sich von ihrem Mann im Suppentopf einen Nachschlag geben lässt?

Die filmischen Elemente im Stück
Der Plot folgt mehr oder weniger demjenigen des Films. Und spielt auch mit den filmischen Elementen, nicht nur durch Videoeinspielungen, die uns etwa die Schlachtung eines Schafes in allen Details vor Augen führt oder der Verbrennung von Emile Brontë, der Frau im Wald, deren Ausführungen Roland und Corinne nicht mehr folgen wollen – sie wollen nach Oinville! –, auch im Stück wird filmisch gearbeitet. Die Telefonszene, in der Roland mit seiner Geliebten redet (Fokus auf ihn, im Hintergrund Corinne mit ihrem Liebhaber, stumm redend), im zweiten Durchgang wiederum Roland am Telefon mit seiner Geliebten, nun aber im Hintergrund Corinne und ihr Liebhaber für das Publikum verständlich ihre Absichten kund tuend.  Und sogar die Filmpause kriegen wir vorgespielt. Die Schauspieler verkaufen Snickers und Saft – erst für einen Franken, dann ganz nach dem ökonomischen Prinzip von Angebot und Nachfrage (oder demjenigen der Sympathie) für zwei Franken.

Der Countdown läuft
Als die beiden in Oinville ankommen, ist der Vater schon tot, jetzt muss noch die Mutter weg. Sie wird in der Badewanne geschlachtet, wie zuvor das Schaf am Haken. Auf der Rückfahrt werden Roland und Corinne von Kannibalen-Guerillas überfallen, Roland landet im Suppentopf und in der Schlussszene essen alle genüsslich daraus. Godard (Jörg Koslowsky) begleitet das ganze Stück als Kommentator und gibt marxistische und rousseau’sche Parolen von sich, zitiert Max Weber und insgesamt werden noch andere unschöne Dinge gesagt, die hier nun nicht zitiert werden sollen.

Es ist heftig, was hier abgeht, am Rande des guten Geschmacks – wie es der Film eben vorgemacht hat – eine Paraphrase des Films sozusagen. Katharina Schmalenberg nehmen wir die kühle Corinne ab, sie scheint ja solche Rollen zu lieben, doch auch die anderen Schauspielerinnen und Schauspieler stehen ihr in keiner Weise nach.

Premiere am Dienstag, den 9. Februar um 20h, Theatersaal

Besetzung: Matthias Breitenbach, Rahel Hubacher, Jörg Koslowsky, Katharina Schmalenberg, Sigi Terpoorten, Sebastian Weber
Regie: Robert Lehniger
Bühne / Kostüme: Irene Ip
Video: Tobias Yves Zintel
Dramaturgie: Britta Kampert

Weitere Vorstellungen: 10., 11., 13., 14., 17., 18., 19., 20., 21. Februar

Im Netz
www.theateramneumarkt.ch


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