„Räuberinnen“ von Carla Lia Monti

Viel Lärm (und Schnäbis) um Nichts

„Räuberinnen“ von Carla Lia Monti

Räuberinnen 1

Einen Schweizer Film, der so viele negative Medienreaktionen und so viel öffentliche Empörung ausgelöst hat wie „Räuberinnen“, möchte man als Filmkritiker fast zum Trotz gut finden. Gelungen ist es nicht – Carla Lia Montis Räuberfilm ist tatsächlich und unabstreitbar kompletter Müll. Vorwürfe der Unmoral, und der skandalösen Darstellung von Sex und Gewalt muss er sich allerdings nicht gefallen lassen – skandalös an „Räuberinnen“ bleibt allein, dass sich über den Film tatsächlich jemand aufregt. Den das eine oder andere Haar kann man dem Film durchaus lassen.

Von Lukas Hunziker.

Die Facebookgruppe „Steuergelder für den Skandalfilm „Räuberinnen“? Nein!“ zählt zwar nur 200 Mitglieder, die Reaktionen, die auf der Seite zu lesen sind, geben jedoch ein gutes Bild davon ab, wie die Schweizer Öffentlichkeit auf den Film reagiert hat. Hauptanstoss ist, dass der Film Fördergelder erhalten habe, die man in „moralischere“ Projekte hätte investieren können, in etwas künstlerisch Wertvolleres, in Leinwandkunst statt Leindwandsauerei. Für manchen Film wäre diese Empörung besorgter Bürger mit elitärem Kunstverständnis praktisch ein Empfehlungsschreiben – nicht zu Unrecht ging so mancher so genannte Skandalfilm nach einigen Jahren in die Filmgeschichte ein. Dieses Schicksal wird „Räuberinnen“ jedoch kaum beschert sein. Leider.

Zur Handlung: Als Meinrad von Bock, ein störrischer Junge im Körper eines übergewichtigen Teenagers, die Heirat mit der adligen Magdalena ablehnt, da er eine Blondine bevorzugt, soll die blonde Emily für ihre Schwester einspringen und von Bocks Frau werden. Emily jedoch ist in den Stallburschen Josef verliebt und sträubt sich gegen die Heirat mit Meinrad. Als dessen Vater sie während der Hochzeitsverhandlungen in ihrer Kammer sexuell belästigt, beraubt Emily ihn mit einem gezielten Biss seiner Vorhaut, und flieht mit von Bocks Kammerdienerin in die Wälder. Da die beiden lieber sterben würden, als weiterhin die Perversionen von Bocks mitmachen zu müssen, entschliessen sie sich, Räuberinnen zu werden. Nach einem fatalen Vorfall in einem Gasthaus-Bordell schliessen sich den beiden weitere von Männern angewiderte Frauen an, und die Räuberinnenbande beginnt sich zu organisieren.

Leinwanderotik mit Schwabbelbäuchen

In den Grundzügen ist die Adaption von Schillers Drama „Die Räuber“ nicht einmal so schlecht gelungen; das fast reine Männerstück in ein trashiges feministisches Märchen umzukostümieren ist eigentlich eine äusserst reizvolle Idee. Stein des öffentlichen Anstosses war aber auch nicht die Story insgesamt, sondern die Details, die zarte Gemüter wohl tatsächlich etwas zu schockieren vermögen, zumindest nach harmlosem Schweizer Klamauk wie „Mein Name ist Eugen“ oder „Achtung, fertig, Charlie“. In „Räuberinnen“ wird mit Stöckelschuhe auf Penisse getreten, Wäscheklammern werden an Männernippel geklemmt, die schon erwähnte Vorhaut fliegt in Zeitlupe durch die Luft, eine Zunge wird rausgeschnitten und Horden dicker Frauen schwenken riesige Brüste durch die Gegend. Wirklich pornographische Szenen – und Porno im Spielfilm ist ja etwas vom Einzigen, das heute noch so richtig skandalös ist – gibt es allerdings keine, Gewaltexzesse, die auch nur annähernd an die aktuelle Gore- und Slasherästhetik herankommen, sucht man ebenfalls vergebens.

Räuberinnen 2

Tatsächlich liegt gerade in der freizügigen Darstellung das vielleicht einzige, was man an „Räuberinnen“ – abgesehen von der Grundidee – loben kann. Carla Lia Monti hat Tabus gebrochen, die bis jetzt kaum ein Schweizer Film zu brechen wagte. Während das Quälen und Abtrennen von männlichen Genitalien vielleicht nicht etwas ist, was wir ab sofort öfters auf der Leinwand zu sehen hoffen, so ist die Darstellung von nackten, übergewichtigen Frauen mit einem starken sexuellen Appetit durchaus revolutionär und bemerkenswert. Es gibt zahlreiche Sexszenen, doch keine davon hält sich an die langweilig gewordenen Regeln traditioneller Leinwanderotik – dicke Frauen mit riesigen Brüsten besorgen es noch dickeren Männern mit fast ebenso grossen Brüsten. Nicht jederman mag das gerne sehen – doch es bleibt ein Stück Realität, das „Räuberinnen“ endlich einmal auf die Leinwand bringt.

Ein Blindgänger, der seine 20 Rappen dennoch wert ist

Das wirklich enttäuschende am Film sind denn auch viel  mehr die oft komplett phantasielose Umsetzung der Story und die fast durchwegs unterdurchschnittlichen schauspielerischen Leistungen. Zahlreiche Szenen kommen unmotiviert und undynamisch daher, und vieles, was wohl lustig sein sollte, ist peinlich und unoriginell. Die Dialoge erinnern allzu oft an schlechtes Schultheater, Szenenabfolgen scheinen willkürlich bis zusammenhangslos. „Räuberinnen“ erinnerte mich wiederholt an meine eigenen erfolglosen Versuchen als Teenager, einen Film zu machen, der halbwegs zusammenhängend ist; die Dialoge sind kaum besser, die Umsetzung der Story ähnlich einfach gestrickt, die Figuren ebenso hölzern, das ganze Projekt genauso unausgegoren. „Räuberinnen“ beging vielleicht den Fehler, sich zu schnell mit einer Szene zufrieden zu geben, weil man ja trashig sein wollte.

Räuberinnen 3
© Studio / Produzent

Sich darüber aufzuregen, dass mit Kulturfördergeld ein schlechter Film gemacht wurde, darf man sich ja kaum – denn auch Filme wie „Achtung, fertig, Charlie“, „Mein Name ist Eugen“ oder „Wilhelm Tell“ waren und sind im internationalen Vergleich totaler Müll. Gar nicht zu sprechen von „The Ring Thing“, im Vergleich mit welchem „Räuberinnen“ geradezu ein Meisterwerk ist. Auch wenn das Resultat enttäuscht, war die Investition in Carla Montis Trashmärchen keine schlechte, und wer jammert, er zahle für einen solchen Mist keine Steuern, kann sich mit dem Gedanken beruhigen, dass seine Steuern in eines der moralischeren Projekte geflossen sind, während jene von niveaulosen Kritikern wie mir für die Penisattrappe verbraten wurde, die im Film zur Verwendung kommt. Mal ehrlich, die Subventionierung des Films belief sich auf 600’000 Franken, das macht pro Schweizer Steuerzahler zwischen 10 und 20 Rappen – dass man diese für „Räuberinnen“ draufgehen liess , sollte in Anbetracht der Millionen, die wir jährlich an Steuern hinterziehen, nun wirklich niemanden jucken – auch nicht die Junge EVP, die hinter der Facebook Gruppe steckt.

Nachdem das Schweizer Mainstream-Kino der letzten Jahre mit beschämender Einfallslosigkeit Ideen aus Hollywood-Mainstream zusammengeklaut und teils mehr, teils weniger erfolgreich mit Schweizer Klischees zusammengeleimt hat, ist „Räuberinnen“ immerhin etwas halbwegs Eigenes, und ganz bestimmt etwas Anderes, als das althergebrachte. So schlecht der Film ist, er geht in gewissen ästhetischen Aspekten immerhin neue Wege, wagt es, bunt, schräg und unverschämt zu sein. Auch wenn die 90 Minuten stellenweise fast zur Qual werden – lieber das als nochmal so etwas wie „The Ring Thing“ oder „Marmorera“.

Bonusmaterial

Die DVD enthält ein halbstündiges, streckenweise durchaus sehenswertes „Making of“. Allerdings wird kaum auf die Reaktionen der Medien und der Öffentlichkeit eingegangen, was zweifellos interessanter gewesen wäre als die belanglosen Beweihräucherungen der Regisseurin, die dann auch noch versucht, ein bisschen Tiefsinn in den Film reinzuinterpretieren. Was man der Crew sofort glaubt, ist, dass der Dreh enorm Spass gemacht hat. Aber Filme, die toll zu drehen, aber peinlich anzuschauen sind, braucht die Kinowelt nun wirklich nicht noch mehr.

Kurz und gut, „Räuberinnen“ ist ein verdienter Flop, über den man eigentlich nur den Kopf schütteln kann. Ein Skandal ist er sicher nicht, eine Provokation so knapp, und wenn, dann immerhin eine interessante. Natürlich wäre es schön, die Schweizer Filmförderung würde mal einem Projekt Geld zuschieben, dass etwas Eigenes kreiert – aber bis wir wie unsere Nachbarländer auch mal für den besten ausländischen Film an den Oscars nominiert sind, müssen wir wohl noch ein paar Mal einen Zwänzgräppler in einen Film wie „Räuberinnen“ investieren.


Seit dem 18. Dezember im Handel.

Originaltitel: „Räuberinnen“ (Schweiz, Luxemburg 2008)
Regie: Carla Lia Monti
Darsteller: Nina Bühlmann, Myriam Muller, Nils Althaus, Mathis Künzler, Sabine Timoteo, Alexandra Prusa, Viktor Giacobbo, Patrick Frey
Genre: Komödie
Dauer: 90 Minuten
Bildformat: 16:9
Sprachen: Mundart/Deutsch
Untertitel: Deutsch, Französisch, Englisch
Bonusmaterial: Making of, Deleted Scenes, Trailer
CH-Vertrieb: Max Vision


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Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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