„Séraphine“ von Martin Provost
Verkanntes und unbekanntes Genie
„Séraphine“ von Martin Provost
Anfang des 20. Jahrhunderts arbeitet Séraphine Louis als Zugehfrau in dem französischen Städchen Senlis. Die rare Freizeit verbringt sie mit dem Malen von Bildern. Ihre Gemälde werden von allen belächelt – bis ein deutscher Kunstsammler sie entdeckt. Ein Film nach einer wahren Begebenheit.
Von Fee Anabelle Riebeling.
Heute gilt Séraphine Louis, die auch Séraphine de Senlis genannt wird, als eine der wichtigsten Vertreterinnen der Naiven Kunst, wie man die betont einfachen, unbekümmerten und phantasievollen Arbeiten von Autodidakten nennt. Zwar hängen Séraphines Werke in verschiedenen französischen Museen, doch die Malerin selbst ist weitgehend unbekannt geblieben. Der preisgekrönte Film von Regisseur Martin Provost könnte dies nun ändern.
Zwei Gesichter
Unbeholfen, verschroben, wortkarg und zurückgezogen – so verbringt Séraphine ihre Arbeitstage. Doch in ihrer raren Freizeit bröckelt die Mauer und sie schleppt sich zielstrebigen Schrittes durch Ort und Umgebung. Sie klaut Kerzenwachs aus der Kirche, schöpft beim Fleischer heimlich Blut, sammelt Schlick aus dem Bach und kratzt Rinde vom Baum. In der Nacht mischt sie ihre Beute zu Farben zusammen und malt kräftige Bilder von Früchten, Bäumen und Blumen.

Durch einen Zufall wird sie 1912 von dem deutschen Kunstsammler Wilhelm Uhde entdeckt. Der Entdecker von «Le Douanier» Henri Rousseau, fördert nun auch Séraphine. Bis er zu Beginn des Ersten Weltkriegs Frankreich und somit auch seine Schülerin verlassen muss. Der Film fokussiert Begegnung und Trennung der platonisch Liebenden.
Zweite Phase
Erst 15 Jahre später kehrt er zurück und findet Séraphines Kunst gereift vor. Seine ehemalige Zugehfrau hat ihren Stil weiterentwickelt und malt nun bis zu zwei Meter hohe Bilder, die zu ihrer und zur Beunruhigung aller immer unruhiger werden. Dennoch ist der Kunstsammler nach wie vor von ihr überzeugt und möchte sie in Paris ausstellen. Doch die Wirtschaftskrise vereitelt seine Pläne.
Was nur als Aufschub gedacht war, bedeutet für Séraphines junge Karriere das Ende. Enttäuscht und zunehmend von Erscheinungen heimgesucht, bricht sie zusammen. Sie wird in die Nervenheilanstalt Clermont-sur-l’Oise eingeliefert und zeichnet nie wieder auch nur einen Strich. Ihr Mäzen steht ihr nach wie vor bei und realisiert die versprochene Ausstellung 1929. Dreizehn Jahre später stirbt Séraphine.
Liebeserklärung an die Kunst
„Séraphine“ ist ein unaufgeregtes Porträt dieser zunächst verkannten und viele zu lange unbekannten Malerin. Die gedeckten Farben lenken die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche: Séraphines Werke sind der rote Faden dieser wahren Geschichte, das herausragende Schauspiel ihrer Darstellerin (Yolande Moreau) ein Highlight. Körperhaltung, Mimik und Sprache sind stets überzeugend und waren 2009 den Juroren des französischen Filmpreises Césare eine Statue in der Kategorie „Beste Hauptdarstellung“ wert.
In insgesamt sieben Kategorien gewann Martin Provosts Liebeserklärung einen César: In „Bester Film“, „Bestes Drehbuch“, „Beste Kamera“, „Beste Kostüme“, „Beste Ausstattung“, „Beste Musik“. Die Bandbreite zeigt, welch Meisterwerk nun auf DVD erschienen ist. „Séraphine“ ist ein anspruchsvoller Film: Durch langsamere Schnitte und weniger Dialoge als gewohnt, erfordert das Porträt Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die belohnt wird.
Seit dem 19. Februar im Handel.
Originaltitel: Séraphine (Frankreich 2008)
Regie: Martin Provots
Darsteller: Yolande Moreau, Ulrich Tukur, Anne Bennet
Genre: Drama
Dauer: 121 Minuten
Format: 16:9, 1:1.85
Sprachen: Französisch, Deutsch
Untertitel: Deutsch
CH-Vertrieb: Warner
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