„The Good, The Bad, The Weird“ von Kim Jee-woon
Peng, peng, PENG!
„The Good, The Bad, The Weird“ von Kim Jee-woon
Der koreanische Western „The Good, The Bad, The Weird“ sucht das Duell mit dem seelenlosen Sommerblockbuster und fährt schweres Geschütz auf: Doch als sich nach viel Gescheppere, Gedröhns und Kawumms der Rauch lichtet, steht der Sieger fest: der Glaube ans Gute im filmgewordenen Knabentraum ist wiederhergestellt.
Von Christof Zurschmitten.
Die ausbleibende Risikobereitschaft im Hollywood dieser Tage hat erschreckende Szenen provoziert. Gestandene Männer sind zusammengebrochen unter dem tränensackumflorten Blick greiser Franchisen, die aus dem Ruhelager der Kindheitserinnerungen vertrieben wurden, um mit ihrem Anblick vorwurfsvoll die Frage zu stellen: „Erkennst du mich denn wieder? Denk nach, schau, wäge, bedenke! Wenn tatsächlich dies aus mir werden konnte – war ich denn jemals, was du in mir sahst?“ Umsorgende Familienväter wurden gesehen, wie sie liebevoll gehorteten Decepticon-Spielfiguren die Arme aus den Gelenken hebelten. Dutzendweise fanden sich um die Jahrtausendwende die abgebrochenen Tragflächen von X-Wing-Modellen im Sperrmüll wider. Und die Zahl der heimlich im Garten verscharrten Fedoras und Lederpeitschen stieg jüngst rapide an.
Allen gebrochenen Gestalten rufen wir freudig zu: An die Spaten, buddelt die Peitschen wieder aus, und die mit ihnen vergrabene Nostalgie gleich mit dazu! Es gibt sie noch, die Filme, in denen Figuren bloss einen Titel brauchen und das Charisma ihres Schauspielers, um sich uns einzuprägen! Die Filme, in denen Explosionen noch echte Haare versengen und Schauspieler sich in wilden Verrenkungen Knochen brechen, dem authentischen Spektakel zuliebe! Filme, die wissen, welche Ideen noch nie zu sehen waren, weil niemand zuvor sie hatte und welche nie umgesetzt wurden, weil sie einfach nur schlecht sind! Wendet den Blick also gen Osten, wo sich am Horizont drei dunkle Silhouetten abzeichnen!
Charisma im Dreierpack
Derjenige, dem die eine gehört, gilt als gut, der Mann hinter der zweiten wirkt verschroben böse, dem Dritten wird nachgesagt, er sei irre. Dem Film reicht das als Ausgangslage auch schon (und wenn er doch noch Charakterentwicklung will, mischt er die Attribute einfach neu). Dem im koreanischen Film beschlagenen Zuschauer dagegen genügt die Strahlkraft der Namen, die hinter den Charakteren stehen: Jung Woo-sung („The Warrior“), Lee Byung-hun („Joint Security Area“), Song Kang-ho („Memories of Murder“, „The Host“)! Und dem Asien-Neuling sei immerhin versichert, dass mit letzteren beiden einer der attraktivsten und einer der talentiertesten Schauspieler ihres Erdkreises aufeinander treffen – Superstarstatus in ihrer Heimat haben alle drei zuhauf obendrein.
Wo organisiert man ein solches Gipfeltreffen? Regisseur Kim Jee-woon („A Tale of Two Sisters“, „A Bittersweet Life“) denkt sich die Mandschurei, einen wüsten Landstrich, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Spielball gleich mehrerer Grossmächte wurde: Russland, China, Korea, schliesslich sogar Japan. Figuren, Schauplatz – fehlt nur noch ein Handlungsgerippe. Da kommt es wie gerufen, dass noch ein anderes Grossereignis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stattfand, nämlich die Pionierzeit in den USA – andernorts auch bekannt als Wilder Westen. Bereits in den 60er-Jahren wurde im wilden Genre-Mashup das Gerangel um die „Frontier“ kurzgeschlossen mit dem koreanischen Kampf um die Unabhängigkeit – und was für die ehrwürdige Tradition des „Manchurian Westerns“ gut genug war, soll für „The Good, The Bad, The Weird“ nicht zu schlecht sein. Fix also noch ein Leone-Western geplündert (von dem ausser einer Hommage im Titel und charakteristisch-markanten Grossaufnahmen herzlich wenig übrig bleibt), und fertig ist ein rudimentäre Form, die nach Herzenslust gefüllt werden kann. Mit allem, was Spass macht.

„Rule of Cool“ als Leitfaden
Natürlich ist die Verbindung von Mandschurei und Western alles andere als nahe liegend – zugleich ist sie aber, und das ist entscheidend, auch nicht zu weit hergeholt. „The Good, The Bad, The Weird“ interessiert sich herzlich wenig für das, was logisch, sondern nur für das, was denk- und machbar ist. Und er setzt sich wohlweislich eigene Grenzen – mit dieser Crew und dem grössten je in Süd-Korea ausgestellten Filmbudget wäre grundsätzlich fast alles machbar gewesen. Dennoch treffen wir auf keine CGI-Kreaturen, die aus unheimlichen Tälern hervorstaken, oder auf Götter, die aus ihren Render-Maschinen entlassen werden, um den Fortgang der Handlung zu erklären. Stattdessen setzt Kim Jee-woons Film aufs Handgemachte, Altbewährte und Liebgewonnene und galoppiert mit ihm unter dem Arm auf und davon Richtung Irrsinn – jedoch nie so weit, dass die „Rule of Cool“ überschritten würde.
Diese besagt bekanntlich, dass die Bereitschaft, den Logik-Detektor auszuschalten, proportional abhängig ist vom Grad der Coolness. Kim Jee-wons Film hält sich daran mit bewundernswerter Konsequenz: Warum zum Teufel sollte ein Marktplatz mitten in der Wüste nicht Taucherhelme feilbieten, wenn sich damit 1A-Schusswechsel basteln lassen?! Wer sagt, dass sich die eine oder andere Splatterfontäne nicht mit einem herzhaft tumben Witz koppeln lässt?! Warum sollte der Böse nicht Anzüge tragen, die für den Wüstensand scheinbar unerreichbar sind, wenn er darin nun einmal verschärft aussieht?! Und wer würde es wagen, auf die Tankanzeige eines Motorrads zu schauen, wenn es einen durch eine völlig irre Fünfzehnminuten-Verfolgungsjagd trägt, an der nicht nur mehr Ross und Reiter teilnehmen, als das Auge überblicken kann, sondern auch noch die freakin japanische Armee mit Ach und Krach und Panzerhaubitze?!
Tableauerinnerung
Es ist nur folgerichtig, dass man sich an den Film denn auch nicht erinnert als eine Geschichte: Man erinnert sich vielmehr an einen Reigen von Attraktionen – für einen Film, der das Spektakel derart sucht und in atemlosen Sequenzen und atemberaubenden Bildern auch immer wieder findet, mag dies das grösste Kompliment überhaupt sein. Was übrig bleibt, ist also die rasant geschnittene und von wirbelnden Trompetenklängen unterlegte Eingangssequenz an Bord eines in seinen Gleisen krachenden Zugs. Der atemlos schwebende Schusswechsel-Flug über den Markt. Die brutal-amüsanten Waffenimprovisation in der Opiumhöhle. Das Rennen um den Schatz, in der manch ein Pferd umknickt, als würde es nie wieder auferstehen wollen. Und der grossartige Showdown, in dem den Schauspielern (die fast alle Stunts selber gemacht haben) die Abgekämpftheit anzusehen ist, und doch sahen sie nie besser aus.
Keine einzige möchte man wissen, jede einzelne hat ihren Platz in der Erinnerung – wo sie sich bereits eingenistet hat und Triebe künftiger Nostalgie ausschlagen lässt.
Ausstattung
Die Ausstattung ist so umfangreich, wie man sich das von einem Blockbuster wünscht: Der Hauptfilm kommt mit deutscher und koreanischer Tonspur sowie Untertiteln in Deutsch und Niederländisch. Zudem gibt es einen Kommentar des Regisseurs und seiner Hauptdarsteller, natürlich auch untertitelt. So weit, so gut. Auf einer zweiten DVD finden sich darüberhinaus gleich mehrere alternative Enden, Deleted Scenes sowie als „Making of“ angekündigte Aufnahmen von den Aufnahmen, die ohne Bearbeitung oder Kommentar entsprechend dürftig bleiben. Ein einigermassen bizarr anmutendes Gespräch rundet die Extras ab, in dem der Regisseur und seine Hauptdarsteller sich gegenseitig am Lagerfeuer nach der Promo-Tour interviewen. Das Interview ist im Ansatz zwar durchaus informativ, zeugt aber von der Erschöpfung oder Schüchternheit der Beteiligten, die froh wirken, das Ganze hinter sich zu bringen. Dennoch – alles in allem eine schöne Edition.
Seit dem 5. März 2010 im Handel.
Originaltitel: heunnom nabbeunnom isanghannom (Süd-Korea 2008)
Regie: Kim Jee-woon
Darsteller: Song Kang-ho, Lee Byung-hun, Jung Woo-sung
Genre: East-Western
Dauer: 125 Minuten
Bildformat: 16:9 (2,39:1)
Sprachen: Deutsch, Koreanisch
Untertitel: Deutsch, Niederländisch
Audio: Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial: vgl. oben
Vertrieb: Impuls
Im Web
Einige Flash-Animationen und viel PR-Gebrabel gibt’s auf der offiziellen deutschen Seite zum Film. Aussagekräftiger ist der Trailer, der mit wuchtiger Musik unterlegt schon als Lackmus-Test gelten kann: Wer das sieht und nicht das kleine Kind in sich hüpfen fühlt, ist für die Nachwelt schon verloren.