„Zerstört“ von Karin Slaughter
Totalschaden
„Zerstört“ von Karin Slaughter
Der Titel ist Programm im neuesten Werk der bekannten amerikanischen Bestsellerautorin. Die vertraute Beziehung zwischen Kollegen, ein heiles Familienleben, die perfekte Kleinstadtidylle – all dies wird im wahrsten Sinne des Wortes ‚zerstört‘.
Von Stefanie Feineis.
Eigentlich hat Chief Jeffrey Tolliver gerade gar keine Zeit, um sich in einen neuen Fall zu stürzen. Seine Ehe mit der Medizinerin Sara Linton läuft beim inzwischen zweiten Versuch besser als je zuvor und bald soll ein Kind das Familienglück vollkommen machen. Einziger Wermutstropfen: Sara kann keine Kinder bekommen und somit bleibt nur der langwierige und komplizierte Weg einer Adoption.
Zwischen Ehefrau und Kollegin
Als wäre dies nicht genug, ereilt Sara ein weiterer Schicksalsschlag: Die Familie eines kürzlich an Krebs gestobenen Jungen beschuldigt sie, eine notwendige Behandlung bewusst verzögert und somit den Tod des Kindes verursacht zu haben. Der noch andauernde Kunstfehlerprozess bringt Sara an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Und gerade jetzt, wo sie ihren Ehemann so dringend braucht, erreicht diesen ein Hilferuf: Lena Adams, eine junge Polizistin und frühere Kollegin von Jeffrey, scheint die einzige Zeugin eines brutalen Mordes zu sein. Oder ist sie gar die Täterin?
Drogen und Hakenkreuze
Jeffrey macht sich sofort auf den Weg in die ansonsten verschlafene Kleinstadt Reese, um seiner Kollegin beizustehen. Widerwillig und von Eifersucht gepeinigt, begleitet ihn Sara auf dieser Reise. Als Lena die Anwesenheit der beiden zur Flucht aus dem Krankenhaus nutzt, wird schnell klar, dass dies kein gewöhnlicher Fall ist. Das Auftauchen mehrer Männer mit Hakenkreuztätowierungen weist auf ein Verbrechen in der Neonazi-Szene hin. Zieht etwa Lenas gewalttätiger Ex-Freund aus dem Gefängnis heraus immer noch die Fäden? Und welche Rolle spielt ihr Onkel, bei dem sie einst aufwuchs und der seit dem Tod ihrer Schwester endgültig in seiner Alkohol- und Drogensucht zu versinken scheint?
Kein intakte Familie
Slaughters neuester Thriller bietet einige Überraschungen. Leider haben die wenigsten davon mit der eigentlichen Handlung zu tun. Der Fokus liegt diesmal eindeutig nicht auf dem Verbrechen und den polizeilichen Ermittlungen, sondern auf der Demaskierung des Idylls der ‚heilen Familie‘. Ausnahmslos alle Familien, die hier präsentiert werden, inklusive der der Hauptfiguren, sind heillos zerrüttet, jede auf ihre eigene individuelle Weise. Kein Wunder, dass neben dieser durchaus überzeugenden Darstellung die kriminalistische Handlung zu kurz kommt. Trotz der vielen hakenkreuztätowierten Nebendarsteller spielt Rechtsradikalismus eine überraschend untergeordnete Rolle, und die Entwicklung der Ermittlungen wie auch das Ergebnis am Ende sind leider ziemlich vorhersehbar.
Insgesamt ist dieser Roman eher Gesellschaftsanalyse mit Krimibeigeschmack als ein klassischer Thriller. Wenn man sich jedoch darauf einstellt, ist eine kurzweilige Lektüre immer noch garantiert.
Blanvalet
510 Seiten, ca. CHF 34.90