„The Crazies“ von Breck Eisner
Zum Verrückt werden
„The Crazies“ von Breck Eisner
Die Zutaten: Ein Remake. Nichts Neues. Ein Remake eines Horrorfilms. Auch nichts Neues. Ein Remake eines Films, der urplötzlich als Klassiker hochstilisiert wird. Hatten wir schon. Ein Remake eines George A. Romero-Films. Überhaupt nicht neu. Alles beim Alten also in Breck Eisners „The Crazies“?
Von Alexander Sigrist.
Ogden Marsh ist eine typische Kleinstadt im mittleren Westen der USA: man ist freundlich, nett, jeder kennt jeden, Hase und Fuchs sagen einander noch gute Nacht. Bis mit einem Mal das Leben aus den Fugen gerät: Als plötzlich der Ex-Säufer Rory Hamill mit einer Schrottflinte über das heimische Baseball-Feld läuft, eskaliert die Sache so weit, dass Sheriff David Dutten ihn erschiessen muss. Doch da fängt der Spass erst an: mehr und mehr Dorfbewohner drehen durch und wie wenn das noch nicht genug wäre, taucht auch noch das Militär auf und mischt die Verrückten ordentlich mit Maschinengewehren auf.
Kennen Sie George A. Romero „The Crazies“ aus dem Jahre 1973? Nein? Nicht schlimm, es dürfte den meisten so gehen. Romeros Horrorfilmchen um eine durchdrehende Kleinstadt wird zwar nun grossmundig als Klassiker bezeichnet, vor dem Remake, das jetzt in die hiesigen Kinos kommt, kannte den Film jedoch keiner. Kein Wunder, Romeros Film hat zwar gute Ansätze, ist aber meilenweit davon entfernt sich im kollektiven Gedächtnis der Horrorgemeinde einzunisten. Das mag einer der Gründe sein, warum Eisners Remake mit dem gleichen Namen so gar keinen Hype entwickeln kann. Das Original ist unbekannt, die Story erinnert irgendwie an einen x-beliebigen Zombiestreifen und überhaupt hat man so langsam von den ganzen Remakes die Nase voll.

Den Film jedoch aus diesen Gründen in die Tonne zu kloppen, würde ihm einfach nicht gerecht werden – denn, und so unglaublich das auch klingen mag, Eisners „The Crazies“ ist richtig gut geworden. Und das muss man vor allem Eisners Regietalent zuschreiben: der Film ist klasse gemacht, besticht mit tollen Bildern, einem guten Gefühl für Tempo und einer einwandfreien Inszenierung. Ja, was das Schönste daran ist: Eisner gibt sich alle Mühe, nicht einfach einen Action-Film aus seinem Stoff zu machen, sondern lässt den Schauspielern ihren Raum, um sich zu entfalten und ihre Charaktere auszuloten – seit gefühlten tausend Jahren sieht man endlich wieder mal ordentliche Schauspielleistungen in einem Horrorfilm.
Auf Diät
Was „The Crazies“ auch zu Gute kommt, ist, dass die Story kein Gramm Fett zuviel aufweist: ständig wird sie vorangetrieben, ständig passiert was, ständig ist der Film spannend. Hier werden nicht wie im „Dawn of he Dead“-Remake spektakuläre Actionszenen von langweiligen Dialogen unterbrochen, nein, es erscheint alles aus einem Guss: kurze Actionszenen gehen in Splatter über, ruhige Szenen bremsen den Film nie aus und von pflichtschuldigem Auflockerungsszequenzen hält der Film überhaupt nichts. Man möchte Eisners Film gar klassisch nennen, spätestens wenn in der zweiten Hälfte der Horror gar noch psychologisch wird und die Überlebenden sich ständig fragen müssen, wer nun verrückt ist und wer nicht. In solchen Momenten ist in „The Crazies“ wirklich alles beim Alten – bei jenem Alten nämlich, als Horrorfilme noch gut und sogar ein wenig gescheit waren.
Das klingt alles super und ist es auch – dennoch hat Eisners „The Crazies“ nicht ganz das Zeug zu einem Klassiker. Einerseits ist die Story zwar spannend, anderseits vermag sie nicht alle Klischees des Genre zu umgehen. Und von einer inszenatorischen Brutalität und Dreckigkeit eines „28 Days Later“ ist „The Crazies“ doch noch einige Zombie-Bisse weit entfernt. Trotzdem: im direkten Vergleich zum Funsplatter-Remake „Dawn of he Dead“ ist „The Crazies“ ganz klar der bessere Film. Breck Eisner legt einen atmosphärisch dichten Film vor, der klassisch inszeniert ist, dann und wann mitreisst, Angst macht und immer gut unterhält. Kein Klassiker, aber ein Wohlfühl-Paket für alle Genre-Fans. Und wer weiss, vielleicht legt Eisner ja bald schon einen richtigen Neo-Klassiker vor – es bleibt nämlich auf jeden Fall zu hoffen, dass „The Crazies“ nicht sein letzter Horrorfilm war.
Seit dem 27. Mai 2010 im Kino.
Originaltitel: The Crazies (USA, Vereinige Arabische Emirate 2010)
Regie: Breck Eisner
Darsteller: Timothy Olyphant, Radha Mitchell, Joe Anderson, Danielle Panabaker
Genre: Horror
Dauer: 101 Minuten
CH-Verleih: Ascot Elite
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