„Eisige Nähe“ von Andreas Franz

Abrechnung im hohen Norden

„Eisige Nähe“ von Andreas Franz

Als ein Kieler Musikproduzent tot aufgefunden wird, gerät die Welt der Kommissare Sören Henning und Lisa Santos aus den Fugen: Ohne den Fall gelöst zu haben, werden sie vom Staatsanwalt gestoppt. Doch anonyme Anrufer weisen ihnen den Weg zu weiteren Leichen und halten sie dazu an, undercover weiter zu ermitteln. Ohne Frage: Ein neues Meisterwerk von Andreas Franz – vielleicht sein bestes.

Von Fee Anabelle Riebeling

eisige naeheGeht es in Kiel sonst eher beschaulich zu, häufen sich plötzlich innert kürzester Zeit mehr oder minder mysteriöse Todesfälle. Bereits vom Fall des ermordeten Musikproduzenten Peter Bruhns und seiner gerade der Minderjährigkeit entwachsenen Geliebten abgezogen, sind den Kommissaren Henning und Santos auch hier offiziell die Hände gebunden. Obwohl auf der Hand liegt, dass jemand aus den eigenen Reihen eine Klärung des Falls  zu verhindern versucht, wird Ermittlung um Ermittlung zu den Akten gelegt.

Geld, Macht, Sex

Trotz massiver Drohungen vom Staatsanwalt und ernstzunehmender Warnungen von wohlgesinnten Kollegen, ermitteln die beiden Kommissare weiter – auf eigene Faust und ohne jemanden einzuweihen. Dennoch macht ihr Engagement die Runde. Anders können sie sich die anonymen Kontaktaufnahmen nicht erklären. Stündlich geraten sie tiefer in einen Sumpf, aus dem es eigentlich kein Entkommen gibt. Denn das Netz aus Politik, Wirtschaft und Verfassungsschutz ist so engmaschig, dass derjenige, der entwischt, automatisch zum Tode verurteilt ist.

Ohne es auch nur zu ahnen geraten Henning und Santos Schritt für Schritt in die Schusslinie zwischen einem in Kiel ansässigen Menschenhändlerring, dem Auftragskiller Hans Schmidt und den eigenen Kollegen, denen sie bis anhin noch vertraut haben. Sie werden zum Spielball, bis sie nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden können. Erst ein Anruf bei einer Frankfurter Kriminalkommissarin – der Protagonistin von Andreas Franz’ erfolgreicher Julia Durant-Reihe – bringt ein wenig Licht ins Dunkel. Und so die Ermittlungen voran.

Exzellentes Storytelling

Wieder einmal beweist Deutschlands bester Krimiautor, wie wichtig ein gutes Konzept ist: Gekonnt leitet Franz seine Leser über verschiedene Erzählstränge und durch verschiedene Abgründe, aber immer entlang des roten Fadens, der Lösung des Falls entgegen. Nach und nach gibt er die unzähligen Charaktere zur Identifizierung frei und deckt die Strukturen der Verschwörung auf. Ihm gelingt es dabei nicht nur die bereits im ersten Kapitel aufgebaute Spannung zu halten, sondern sie kontinuierlich zu steigern. So sehr, dass es im letzten Drittel kaum mehr möglich ist, das Buch auch nur für einen Moment aus der Hand zu legen.

Doch ein guter Aufbau wäre nichts ohne eine glaubwürdige Geschichte. Aber auch hier bleibt sich Autor Franz treu: Wie schon so oft zuvor, liess er sich auch dieses Mal von der Realität inspirieren. Er arbeitet wahre Fälle und Begebenheiten ein und so begegnet der Leser auch einer alten Unbekannten, genauer gesagt: ihrer DNA: Bei den Ermordeten wird genau der genetische Fingerabdruck gefunden, der zwischen 1993 und 2008 europaweit mehr als 100 Ermittler auf Trab hielt und angeblich von kontaminierten Wattestäbchen stammte. Doch das ist nicht die einzige wahre Begebenheit, die Franz’ Fantasie beflügelt hat.

„Eisige Nähe“ ist ein solider, spannender und überzeugender Kriminalroman. Geeignet für Einsteiger und Fans.


Knaur Verlag
582 Seiten, ca. CHF 29.50

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