„No one knows about persian cats“ von Bahman Ghobadi

Stimmen der Hoffnung im Untergrund

„No one knows about persian cats“ von Bahman Ghobadi

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Das Spielen westlicher Musik ist im autoritären System des Gottesstaates Iran kein ungefährliches Unterfangen. Unbeeindruckt von staatlicher Repression schnallen sich junge Teheraner trotzdem die Gitarre um und schreien Lieder der Freiheit in die Welt hinaus. Indierock als Ausdruck der Wut und der Hoffnung – Bahman Ghobadi erzählt in dokumentarischer Manier die Geschichte einer iranischen Band, die sich nicht mit den Gesetzen des Mullahregimes abfinden will.

Von Simon Wottreng.

Sängerin Negar und Gitarrist Ashkan sind zwei in Teheran lebende Musiker. Sie komponieren Rocksongs, doch fehlen ihnen Mitmusiker für eine geplante Tour nach Europa. Nach einem Gefängnisaufenthalt wird Ashkan zudem der Pass abgenommen. Von der Musik der beiden beeindruckt, vermittelt Musikproduzent Nader das Duo aber an einen talentierten Hersteller von gefälschten Pässen weiter, welcher diesem die Ausreise ermöglichen soll. Zur Finanzierung des kostspieligen Unternehmens wird ein illegales Abschiedskonzert für Freunde und Bekannte geplant.

Rebellion im Versteckten

Auf ihrer Suche nach einem geeigneten Schlagzeuger, einem Bassisten und drei Backgroundsängerinnen – eine Strategie zur Umgehung des Verbots alleiniger Frauenstimmen – steigen Negar und Ashkan in die verschiedensten, zu Bandräumen umfunktionierten Keller der Hauptstadt hinab. Hier proben Bands im Versteckten, da ihnen für ihre Leidenschaft Gefängnis droht. Oft haben sie mit Schwierigkeiten wie Denunziationen durch Nachbarn oder Stromabschaltungen zu kämpfen, doch hält sie  dies nicht davon ab, regelmässig die Verstärker aufzudrehen. Stilistisch variiert die vom Grossteil der Bevölkerung ungehörte Untergrundmusik von Britpop über Hiphop bis zu Electro. Das Kollidieren manch westlich geprägter Stile mit dem Kulturverständnis der iranischen Landsleute nimmt zuweilen humoristische Züge an; in einer grandiosen Szene entrüstet sich ein am Rande Teherans lebender Landwirt über den Lärm der probenden Metalband seines Sohnes: Seit die harten Gitarrenriffe und Double-Bass-Beats durch den Kuhstall dröhnten, gäben die Kühe keine Milch mehr!

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

Beeindruckend ist die authentische Performance der allesamt real existierenden Bands. Etablierte Musiker wie die Sängerin Rana Farhan oder der Rapper Hichkas spielten ebenso vor der Kamera wie unbekannte Quartierbands. Ghobadis Entscheidung, weitgehend auf Schauspieler zu verzichten und die Musiker sich selbst spielen zu lassen, zahlt sich aus: Das Publikum glaubt dem Regisseur nicht nur dessen Erzählung, sondern erhält darüber hinaus einen Einblick in das reale iranische Musikschaffen, der ihm bis anhin durch die Restriktionen der Zensur  verwehrt blieb.

Riskante Dreharbeiten

Dass sich die Dreharbeiten unter solch schwierigen Bedingungen nicht so einfach wie in Westeuropa gestaltet hatten, versteht sich von selbst. Der Verleih von 35mm – Equipment erfordert im Iran eine staatliche Konzession. Mangels letzterer griff Ghobadi auf digitale Technik zurück und filmte ohne Erlaubnis. Als selbst aktiver Musiker lernte der Regisseur die Underground-Band „Take it easy hospital“ im Aufnahmestudio kennen. Von deren Risikobereitschaft beeindruckt, kam ihm die Idee, den Alltag iranischer Rockgruppen zu verfilmen. Und prompt erklärten sich die beiden im Londoner Exil lebenden Köpfe der Band bereit, die Hauptrollen zu übernehmen.

Zwei mal wurde der gebürtige Kurde Ghobadi während der Dreharbeiten verhaftet. Dass der Film trotzdem in unsere Kinos kam, ist nicht zuletzt dem Bekanntheitsgrad zu verdanken, welchen ihm frühere Filme wie „A time for drunken horses“ oder „Turtles can fly“ an internationalen Festivals beschert hatten. Heute dürfte es für Ghobadi aus offensichtlichen Gründen schwierig werden, ein weiteres Projekt im Gottesstaat unbehelligt zu realisieren.

Die iranische Rockszene musiziert hingegen weiterhin unter den Strassen Teherans. Katzen gleich, welche vom System als schmutzig bezeichnet werden und deren Mitführung verboten ist, verstecken sich die dortigen Musiker in Nischen und Ecken, wo sie in ihrer Freiheit nicht belangt werden können. Bahman Ghobadi verkündet ihre Stimme mit „No one knows about persian cats“ in aller Welt. Vermögen Künstlergeist und Musik das religiöse Regime auch nicht mit Verstärkergetöse zum Einsturz bringen –  die Hoffnung stirbt zu letzt.

Seit dem 1. Juli 2010 im Kino.

Originaltitel: „Kasi az Gorbehaye Irani Khabar Nadareh“ (Iran 2009)
Regie: Bahman Ghobadi
Darsteller: Negar Shaghaghi, Ashkan Koshanejad, Hamed Behdad
Genre: Drama
Dauer: 106 Minuten
CH-Verleih: Frenetic

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