„The Imaginarium of Dr. Parnassus “ von Terry Gilliam

Ledgers Letzter

„The Imaginarium of Dr. Parnassus “ von Terry Gilliam

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Ein alter Mann zieht wider aller Umstände und trotz aller Widerstände mit seinem Wandertheater durch die Welt und versucht erfolglos aber unbeirrt ein Publikum für die fantastischen Welten zu gewinnen, die sich hinter seiner Hauptattraktion, einem magischen Spiegel, verstecken. Ganz so autobiografisch, wie das für Gilliams Fans klingt, ist „Parnassus“ aber nicht. Leider.

Von Lukas Hunziker.

Terry Gilliam wurde kürzlich in der NZZ-Folio zum Thema „Grandios gescheitert“ porträtiert. Tatsächlich gehört der britische Regisseur zu den grössten Pechvögel der Filmgeschichte: viele seiner Filme galten als schwer vermarktbar, „Der Baron von Münchhausen“ wurde zu einem der grössten Flops der Filmgeschichte, sein ambitioniertester Film „The Man who killed Don Quixote“ ging nach einer Reihe unglaublicher Drehpannen in Besitz der Versicherung über und während den Dreharbeiten zu „Dr. Parnassus“ starb Hauptdarsteller Heath Ledger. Gilliam hat allerdings das Glück, nur bei den Studios und Geldgebern einen schlechten Ruf zu haben, nicht aber bei seinen Schauspielern. Nach Ledgers Tod stellten sich Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell zur Verfügung, eine kleine Rolle zu übernehmen und damit das Studio zu überzeugen, den Film auch ohne seinen Hauptdarsteller fertigzustellen.

Pakt mit dem Teufel

„The Imaginarium of Dr. Parnassus“ erzählt die Geschichte einer Gruppe von Schaustellern, welche mit ihrer riesigen fahrbaren Bühne durch die Welt zieht. Ein Publikum finden sie jedoch nur selten, statt dessen werden sie von betrunkenen Pubbesuchern mit Flaschen beworden oder von der Polizei weggeschickt. Dr. Parnassus, der die vierköpfige Truppe anführt, hat allerdings gerade andere Sorgen als die fehlenden Einnahmen: Seine Tochter Valentina wird in wenigen Tagen 16 Jahre alt und zwingt ihn damit, sein schreckliches Geheimnis preiszugeben: Durch eine Wette mit dem Teufel erlangte Parnassus einst die Unsterblichkeit. Diese allein liess ihn jedoch nicht glücklich werden, da er sie als alter Mann verbrachte, weshalb er einen Pakt mit dem Teufel schloss: er durfte noch einmal jung sein, musste dem Teufel aber alle Töchter, die er haben würde, nach Vollendung des 16. Lebensjahres überlassen.
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Der Teufel, der im Film den Namen Mr. Nick trägt, macht sich allerdings viel mehr aus Wetten als aus schönen jungen Frauen und bietet Parnassus eine letzte solche an: Wer zuerst fünf Seelen zum Guten oder Bösen bekehren kann, bekommt Valentina. Bekehrt wird jemand dann, wenn er Parnassus‘ magischen Spiegel betritt, in welchem er entweder den steinigen Weg der Erlösung wählt, oder seinem Laster frönt. Zwei Tage scheinen Parnassus jedoch zu wenig, um fünf Freiwillige zu finden, die den Spiegel betreten, und so glaubt er Valentina verloren. Dann jedoch taucht der geheimnisvolle Tony (Heath Ledger) auf, der weiss, wie man ein Publikum auf sich aufmerksam macht – und schon herrscht wieder Hoffnung.

Zu Ende gebastelt

Als Heath Ledger starb, waren alle Szenen, die in der realen Welt spielen, gedreht – was fehlte waren die Szenen in den Fantasiewelten jenseits des magischen Spiegels. Da Tony diesen Spiegel dreimal betritt, kam Gilliam auf die Idee, dass Ledgers Figur in der Fantasiewelt jeweils eine andere Gestalt annimmt – nämlich jene von Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell. Da sich der Film mit Logik und Erklärungen ohnehin zurückhält, funktioniert dies tatsächlich besser als man denkt, auch wenn Tony als Figur dadurch nicht wirklich greifbar wird. Besonders Johnny Depp und Colin Farrell spielen ihre Minirolle sehr souverän, Jude Laws Auftritt hingegen ist eher etwas hysterisch und überspielt.

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

Die drei mögen Gilliams Film gerettet haben, ein Meisterwerk konnten sie daraus aber auch nicht machen. „The Imaginarium of Dr. Parnassus“ unterhält gut, kann sich aber nicht mit den wirklich grossen Gilliam Filmen messen. Die Geschichte des geheimnisvollen Fremden verträgt sich nur schwer mit jener der erfolglosen Schausteller und der Wette mit dem Teufel: die Tragödie der lästig gewordenen Unsterblichkeit von Parnassus wäre um einiges interessanter als jene des gefallenen Wohltäters Tony. Die autobiographischen Anspielungen auf Gilliam sind nur am Anfang da und verschwinden, sobald Tony auftaucht. Kommt dazu, einige Dialogszenen reichlich unausgegoren scheinen, gerade Ledger und Plummer, die Hauptfiguren, überzeugen nicht durchgehend. Wirklich zu überzeugen mögen dafür Tom Waits alias Mr. Nick alias der Teufel, Jungschauspieler Andrew Garfield und vor allem das britische Model Lily Cole, die Valentina nicht nur schön aussehen lässt, sondern auch wirklich gut spielt.

„The Imaginarium of Dr. Parnassus“ ist nicht Terry Gilliams bester Film und nicht Heath Ledgers bester Film. Trotzdem bietet er das, was man sich von einem Gilliam Film wünscht: ungebändigte Fantasie, üppig und chaotisch inszeniert.

Ausstattung der DVD

Neben dem Hauptfilm finden sich auf der DVD ein 12minütiger Mittschnitt der Premiere in London, ein kurzes Interview mit Heath Ledger über den Film, kommentierte Aufnahmen von Ledgers Kostümprobe, eine ebenfalls kommentierte nicht verwendete Szene sowie ein kurzes Feature über die Rettung des Films durch Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell.


Seit dem 23. April 2010 im Handel.

Originaltitel: The Imaginarium of Dr. Parnassus (Frankreich, Kanada 2009)
Darsteller: Heath Ledger, Christopher Plummer, Andrew Garfield, Lily Cole, Verne Troyer, Johnny Depp, Jude Law, Colin Farrell, Tom Waits
Genre: Fantasydrama
Dauer: 117 Minuten
Bildformat: 16:9
Sprache: Englisch, Deutsch
Untertitel: Deutsch
Audio: Dolby Digital 5.1, Dolby Digital 2.0 (Englische Version)
Bonusmaterial: mehrere kurze Features, Deleted Scene, Audiokommentar, Trailer
Vertrieb: Warner

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Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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