„Tanz 4: Ein Sommernachtstraum“ | Luzerner Theater, Luzern (Hintergrund)
„Tanz 4: Ein Sommernachtstraum“ | Luzerner Theater, Luzern
Von verzauberten Menschen und Elfenwesen
Nach längerer Zeit wird am Luzerner Theater wiedermal ein „Handlungsballett“ gezeigt. Der Choreograph Jochen Heckmann erarbeitet mit den zwölf Tänzerinnen und Tänzern von TANZ LUZERNER THEATER Shakespeares Sommernachtstraum in einer aufwändigen Produktion. Nicht nur die zwölf Tänzerinnen und Tänzern werden in diesem abendfüllenden Stück ihr Können zeigen, sondern auch der Chor des Luzerner Theaters, welches sich in dieser Spielzeit auf spartenübergreifende Produktionen konzentriert.
Von Mona De Weerdt.
Donnerstagabend 21 Uhr, die Hauptproben auf der Bühne des Luzerner Theaters wurden soeben beendet. Geprobt wird für das Tanzstück Ein Sommernachtstraum nach William Shakespeare, der am 1. Oktober 2010 in einer Schweizerischen Tanz-Uraufführung Premiere feiern wird. Die Tänzer sitzen erschöpft im Backstage-Bereich, einige besprechen mit den Kostümbildnern notwendige Änderungen, der Choreograph diskutiert noch mit dem Dirigenten und im Hintergrund wird die Bühne inzwischen von den Bühnentechnikern abgebaut. Die heutige Hauptprobe verlief gut, die Tänzer waren bei der Sache, präzise und konzentriert. Dennoch kam es zu einigen Patzern. Bei einem Sprung wurde eine Tänzerin nicht richtig aufgefangen und stürzte beinahe hin, eine Maske verrutschte, die Kostüme sassen noch nicht perfekt und zu allem Übel hielt eine Hose den Bewegungen nicht stand und riss mit einem lauten Geräusch durch. Diese Dinge müssen nun ausgebessert werden, damit bis zur Premiere alles perfekt sitzt.
Der lange Schaffensprozess
Seit Anfang August probt der Choreograph Jochen Heckmann intensiv mit den Tänzerinnen und Tänzer des Luzerner Theaters an der Inszenierung. Zuvor hatte er sich lange auf diese Produktion vorbereitet, den Sommernachtstraum mehrmals gelesen und sich unterschiedliche Ballett- und Sprechtheaterinszenierungen des bekannten Stückes angeschaut. Er hat die Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy immer wieder durchgehört, beim Yoga, beim Joggen, vor dem zu Bett gehen. Denn so können sich laut Heckmann die Klänge besser in alle möglichen und unmöglichen Phantasie- und Traumbilder verwandeln, welche er dann auf der Bühne umzusetzen versucht. Die wirkliche Inspiration kommt dann jedoch im Tanzstudio, bei der persönlichen Arbeit mit den Tänzern und der direkten Erprobung von Bewegungssequenzen im Raum. Spontaneität und Kreativität sind die wichtigen Komponenten. Die Inspiration soll gegenseitig erfolgen. Immer wieder werden die Duette, die Solos und die Gruppenformationen geprobt. Einzelne Sequenzen werden übernommen, andere verworfen. In diesem tänzerischen Schaffensprozess ist es wichtig, offen und flexibel zu sein und auch mal etwas bereits Gesetztes abändern und verwerfen zu können. Die Tänzerinnen und Tänzer besitzen diese Fähigkeit, sie können schnell umdenken, das Neugelernte jeweils gut tänzerisch umsetzen und verinnerlichen.
Bitte nur keine Verletzungen
Der Tag der Tänzer ist lang. Pünktlich um 10.00 Uhr beginnt das Training, Montag bis Freitag und oft auch samstags. Meistens trainieren sie klassisches Ballett, ein- bis zweimal die Woche aber auch Zeitgenössischen Tanz. Das Training ist ein wichtiger Bestandteil des Tänzeralltags, denn auch Profitänzer müssen beständig an ihrer Technik feilen. Danach beginnen die Proben, entweder im Ballettsaal oder auf den Probebühnen des 2008 eröffneten Südpols. Oder aber es wird direkt auf der Bühne des Luzerner Theaters geprobt. Letzteres ist optimal, weil die Tänzerinnen und Tänzer das Gespür für den Raum entwickeln und Auf- und Abgänge gezielt einüben können. Die Bühne erscheint klein, teilweise haben die Tänzer wenig Platz neben dem Chor und den ganzen Requisiten. Die Standorte der Requisiten werden mithilfe von Klebern auf dem Bühnenboden markiert, denn die richtige Platzierung der Gegenstände ist gerade bei einer kleinen Bühne sehr wichtig. Es gibt Tage, an denen eine Szene mehrmals hintereinander geübt werden muss, weil sie einfach noch nicht sitzt. Der Chor setzt zu spät ein, der Pianist spielt zu laut, die Tänzer sind nicht richtig platziert, Auftritte erfolgen zu früh oder zu spät. Und immer wieder mahnt der Choreograph die energiegeladenen Tänzerinnen und Tänzer, vorsichtig zu sein und die Bewegungen kontrolliert auszuführen. Insbesondere die Landungen nach Sprüngen müssen sorgfältig erfolgen und bei den Hebefiguren muss aufeinander acht gegeben werden, damit es keine Unfälle oder Verletzungen gibt. Das Risiko von Verletzungen ist stets gegeben und gerade bei intensiven Probezeiten hoch. Deshalb wird jede Rolle doppelt besetzt.
Eine aufwändige Produktion
Jochen Heckmann betont, dass die künstlerische Koordination mehrerer beteiligter Sparten für ihn eine grosse Herausforderung darstellt. Es gilt, den Überblick zu bewahren, die einzelnen Szenen dramaturgisch sinnvoll zu verknüpfen und das Gesamtgeschehen zu koordinieren. Kathleen McNurney, die künstlerische Leitung von TANZ LUZERNER THEATER, und Oliver Dähler, der Choreographieassistent, unterstützen Heckmann bei der Arbeit. Dähler koordiniert die Musik und erstellt eine Partitur. Er notiert, wann welche Requisiten eingesetzt werden und wann und wo Auftritte und Abgänge erfolgen. McNurney beobachtet die Proben aufmerksam, macht sich Notizen und bedankt sich nach Probenschluss stets bei allen Beteiligten. Und das sind viele. Wie viele Menschen an so einer Produktion überhaupt beteiligt sind ist uns meist gar nicht bewusst, wenn wir am Abend im Theater sitzen. Das Sinfonieorchester, der Dirigent, die Sängerinnen und die Tänzerinnen und Tänzer sind diejenigen, die wir während der Aufführung unmittelbar wahrnehmen, sehen und hören. Doch im Vorfeld der Produktion arbeiten die Bühnen- und Kostümbildner eng mit dem Choreographen zusammen. Die Theaterschreiner, die Theatermaler und die Theaterschneiderinnen setzen die Entwürfe in den Werkstätten um. In einer Kostümprobe werden die Kostüme auf die unterschiedlichen Körper der Tänzerinnen und Tänzer zugeschnitten, vor den Aufführungen müssen alle in die aufwändige Maske. Die Leute von der Bühnentechnik bauen die Bühne jeweils auf und ab und die auch die Licht- und Tontechnikerinnen und Techniker und die Inspizienz haben viel zu tun.
Showcasing the dancers
Kathleen McNurney, die künstlerische Leiterin Tanz Luzerner Theater, betont: „In der Spielzeit 2010/11 stehen klar die Tänzerinnen und Tänzer im Mittelpunkt, denn ohne sie gäbe es keinen Tanz! So sollen die Produktionen der neuen Spielzeit die überraschenden Talente der vielseitig begabten Tänzerinnen und Tänzer des Luzerner Theaters hervorheben. Jedes Stück ist ein Tribut an ihre Dynamik, ihre Präzision, ihre Disziplin und ihre künstlerische Leistung.“ Und auch Heckmann schwärmt vom Ensemble: „Ich war sofort fasziniert von der Vielseitigkeit, der technischen Versiertheit und den charismatischen Persönlichkeiten des Ensembles.“ Eben diese unterschiedlichen Fähigkeiten und Persönlichkeiten der Tänzerinnen und Tänzer sollen im Sommernachtstraum optimal zur Geltung kommen. Alle sollen die Möglichkeit haben, den dargestellten Figuren eine persönliche Note zu geben. Die Inszenierung konzentriert sich nicht nur auf die Konflikte der Liebespaare. Vielmehr sollen alle Ebenen miteinbezogen werden: der phantastische Elfenwald, die Welt der Menschen und die Welt der Handwerker. Alle Figuren, eben auch die Handwerker, erhalten in Heckmanns Umsetzung ihren Platz auf der Bühne. Durch sie erhält das Stück eine humorvolle, drollige Komponente, sie bieten einen spannenden Kontrast zu den Liebeswirren. Heckmann versucht, diese Irrungen und Wirrungen zu bündeln und zu kanalisieren, damit dem Publikum eine anteilnehmende, verstehende Rezeption ermöglicht wird. Die Inspiration für die Figuren kommt Jochen Heckmann beim Schreiben. Er verfasst Texte zum Stück, notiert sich Gedanken zu den einzelnen Figuren, was ihm bei der Figurenkonzeption hilft. Insbesondere bei darzustellenden Konfliktsituationen zwischen den Figuren fragt er sich: Was würden sie einander sagen? Und wie kann dies nonverbal kommuniziert werden? Wie können die Gefühle nur durch Bewegung ausgedrückt werden? Um herauszufinden, wie Heckmann dies mit den Tänzerinnen und Tänzern umsetzt, tauchen wir am Besten ab dem 1. Oktober 2010 am Luzerner Theater in den Sommernachtstraum ein.
Premiere am 1. Oktober 2010.
Weitere Vorstellungen am 10., 15., 23., 28., 29. und 31. Oktober, 4., 17., 20., 24. und 28. November, 3., 5., 11. und 19. Dezember 2010.
Dauer: ca. 90 Minuten
Besetzung
Madelaine Crist, Chiara dal Borgo, Cecilia de Madrazo Abad, Rachel Lawrence, Ha Young Lee, Salome Martins, Andrea Maria Mirabile, Davidson Santos de Farias, Samuel Déniz Falcon, Ihsan Rustem, Luca Signoretti, Bert Uyttenhove
Konzept und Choreographie: Jochen Heckmann
Künstlerische Leitung: Kathleen McNurney
Choreographieassistenz: Oliver Dähler
Dramaturgie: Sophie Käser
Musikalische Leitung: Rick Stengårds
Nachdirigat: Florian Pestell
Choreinstudierung: Lev Vernik
Sopran: Simone Stock / Maria Montero
Mezzosopran: Caroline Vitale / Miriam Timmo
Luzerner Sinfonieorchester
Chor und Damenextrachor des Luzerner Theaters
Klavier: Patricia Ulrich
Inspizienz: Lothar Ratzmer
Bühne: Andreas Carben
Bühnenbildassistenz: Kathrin Schulze
Kostüme: Adriana Mortelliti
Licht: Gérard Cleven
Musik von: Felix Mendelssohn-Bartoldy
Im Netz
www.luzernertheater.ch