Gemeinsam isst man weniger einsam
Der Sunday Morning Breakfast Club
Gemeinsam isst man weniger einsam
Die schottische Hauptstadt Edinburgh wurde während eines Sprachaufenthalts als Au Pair zu meinem zweiten Zuhause – auch wenn es zu Beginn gar nicht danach aussah. Nach einer ersten Phase der Euphorie, machten sich Heimweh und Unverständnis für die lokale Kultur breit. Ich hatte jedoch das Glück, auf den Sunday Morning Breakfast Club zu treffen und fühlte mich schliesslich in der fremden Stadt endlich zu Hause angekommen.
Von Stephanie Santschi
Ein fettiger Fetzen Fish‘n‘Chips-Papier heftet sich an meinen Fuss und ist der letzte Zeuge von den Fressattacken heimkehrender Partygänger, die damit die Wirkung des einen oder anderen Whiskeys zu viel dämpfen wollten. Um die Steinhäuser weht eine steife Brise und so zieht es mich vom verschlafenen Bahnhof hoch zur Royal Mile, den ersten wärmenden Sonnenstrahlen entgegen, die mich geblendet blinzeln lassen.
Richtig aufwecken und auftauen lassen, wird mich dann aber erst meine dampfende Tasse Kaffee und das wohlige Gefühl der ungezwungenen Freundschaft in der Runde der Besitzer der anderen auf dem Tisch stehenden Tassen.
Kontakte knüpfen beim Frühstück
Alleine sein macht einsam. Einwanderer nach Edinburgh schufen dem jedoch Abhilfe: Sie entwickelten aus einer postkirchlichen Teerunde den „Edinburgh Sunday Morning Breakfast Club“.
JP Abrahams, der Organisator der allsonntäglichen Treffen, formuliert die Grundidee des Clubs: „Jeden Sonntag, morgens oder auch mal gegen Mittag, trifft sich eine zufällige Gruppe von Leuten an einem vorbestimmten Ort in Edinburgh. Wir frühstücken zusammen, pflegen zugleich aber auch Freundschaften. Der Club ist jedem offen, der sich von diesem Konzept angesprochen fühlt.“
Zwischen Cappuccino und Rührei mit gebratenem Speck werden so Neuigkeiten über Jobs, freie Wohnungen und Infos über die Eröffnung eines Bankkontos ausgetauscht. Alltägliche Gespräche, die einem im Alltag ankommen und das Heimweh ganz vergessen lassen.
Eggs Benedict und Lebensweisheiten
Neben dem sonntäglichen Frühstück nimmt die Gruppe übrigens auch an monatlichen Ceilidhs teil. An einem solchen Abend mit keltischer Tanzmusik fand ich Zugang zum SMBC: Auf das Tanzen folgte eine Pub-Tour, auf der ich sofort Anschluss an die Gruppe fand, mit der ich dann fast den ganzen Rest meiner verbleibenden Sonntage in Schottland geniessen sollte.
Während dieser Zeit hiess der SMBC eine ganze Schar weiterer Au Pairs willkommen. Viele von ihnen geniessen zwar die neu erlangten Freiheiten fernab der Heimat, fühlen sich oft aber auch allein gelassen, speziell dann, wenn es Unstimmigkeiten mit der Gastfamilie gibt.
Dazu Anaïs Dragna, französisches Au Pair und Mitglied des SMBC: „Üblicherweise ist der beste Ort, um in einer fremden Stadt Gleichgesinnte zu treffen, der Arbeitsplatz oder die Uni. Dort wirst du dann neuen Leuten vorgestellt und dein Freundeskreis erweitert sich. Für uns als Au Pairs jedoch ist die Ausgangslage eine völlig andere, es ist nicht so einfach, jemanden zu treffen. Der SMBC – die Pancakes natürlich eingeschlossen – gehört darum zum Besten, was mir hier passieren konnte!“
Ein Dutzend Nationalitäten an einem Tisch
Die Au Pairs stammen aus allen Winkeln Europas, andere Mitglieder des SMBC aus der ganzen Welt. Mehrere Male haben wir nicht eine Nationalität doppelt – bei über einem Dutzend Frühstückenden. Schottland, die USA, Frankreich, Namibia, Schweden, Kanada, Polen, die Schweiz…Diese Internationalität bereichert die Runde außerordentlich. Verschiedenste Kulturen und Weltanschauungen prallten aufeinander – und es stimmt einfach.
Das Zelebrieren der gemeinsamen Mahlzeit ist eine der weiteren Facetten des Erlebnisses Edinburgh. Traditionell schottische Gaumenfreuden wie Haggis, der übrigens lecker schmeckt – solange man die Zutaten nicht kennt – oder kanadische, polnische und französische Spezialitäten sprechen alle Sinne an.
Jeder Neuling wird als Freund akzeptiert. Nick Toth, Co-Organisator des SMBC meint dazu: “A friend of a friend is a good friend“ – „Wenn du der Freund eines Freundes bist, bist du bei uns herzlich willkommen“. Im selben Boot sitzend wird uns nämlich bewusst, dass unsere Welten gar nicht so verschieden sind: Schließlich kommt es nicht darauf an wo jemand geboren ist, sondern was er aus seinem Leben macht.
Im Netz
Brunch anstatt Frühstück – Andere Gruppe, ähnliches Konzept
Ceilidhs – getanzte Tradition Schottlands
Nachwort
Leider hat sich der SMBC nach drei intensiven Jahren aus diversen Gründen im Herbst 2010 aufgelöst.
Was bleibt? Es sind die Erinnerungen an einige der schönsten Sonntage, von denen jeder einmalig war. Ausserdem ist der SMBC Ausgangspunkt eines über den gesamten Globus gespannten Netzes tiefer Freundschaften, das auch in die Zukunft weiterbestehen wird.