Henrik Lange: „Weltliteratur für Eilige“

„Romeo und Julia“ im Eiltempo

Henrik Lange: „Weltliteratur für Eilige“ (Unterhaltung)

90 literarische Werke, zusammengefasst in je 4 Bildern, eine grosse Portion Lachen inbegriffen: In „Weltliteratur für Eilige“ von Henrik Lange findet der Lesehungrige statt trockener Worte für einsame Stunden unterhaltsame Bilder für lustige Runden.

Von Franziska Leuenberger.

weltliteraturfüreiligeWas verbindet „Romeo und Julia“, „Gulliver Swift“ und „Der Herr der Ringe“? Genau: All diese Titel gehören zur so genannten „Weltliteratur“ und sind damit zweifellos Gegenstand der Allgemeinbildung. Wie praktisch also, sind diese Werke der „Weltliteratur“, für deren Lektüre der Leser in der Fassung von Henrik Lange glücklicherweise jeweils nicht einmal eine Minute benötigt, alle in einem Werk zusammengefasst, und zwar erst noch sehr unterhaltsam: So endet Shakespeares „Romeo und Julia“, welches der Autor als „Wirklich ein Stück voller Missverständnisse“ kommentiert, zwar auch hier am Ende dramatisch; die bei der Inszenierung des eigenen Todes ihre Augen verdrehende Julia (Autor: „Dann wird es kompliziert“) und der auf die Tat seiner Geliebten „hereinfallende“ Romeo (Autor: „Es (der Plan der Julia) funktioniert!“), bringen den Leser aber unwillkürlich zum Lachen.

Über Liebende und… Tote

Der Autor verdient alleine für seine Idee ein Lob, die ausgewählten und teils sehr komplexen Werke auf einige wenige – und erst noch ironisch angehauchte -Schlüsselstellen zu reduzieren. So ist „Romeo und Julia“ resümierend „wirklich ein Stück voller Missverständnisse“, während es bei „Der Fremde“ von Albert Camus am Ende „nicht gerade ein Happy End“ gibt und bei „Der Glöckner von Notre-Dame“ von Victor Hugo einfach „alle tot“ sind. „Tot“ scheint ohnehin ein Lieblingswort des Autors zu sein. So trägt „Weltliteratur für Eilige“ den Untertitel „Und am Ende sind sie alle tot“. Allerdings passt dieser nicht ganz immer. Nicht nur Darcy und Elizabeth aus „Pride and Prejudice“ hätten nämlich kaum Freude am Ausgang ihrer Liebesgeschichte gehabt, hätte sie so dramatisch wie diejenige von Romeo und Julia geendet.

„Weltliteratur“ – oder doch nicht?

Die Auswahl der Titel, welche laut Lange zur „Weltliteratur“ gehören, die hier „eilig“, wenn nicht sogar „express“ präsentiert wird, lässt denn auch die einzige Kritik der „Weltliteratur für Eilige“ zu. Gerade in der deutschsprachigen Literatur scheint der Autor – ein geborener Schwede – nicht so stark belesen zu sein: Zwar finden sich Patrick Süskind („Das Parfüm“), Franz Kafka („Der Prozess“) oder Elfriede Jelinek („Die Klavierspielerin“) in der Werkliste, nach den Klassikern aus der Schulzeit wie „Die Leiden des jungen Werther“ (Johann Wolfgang von Goethe) oder „Don Carlos“ (Friedrich Schiller) sucht der Unterhaltungssuchende aber vergebens – sei es, dass der Autor nur mit skandinavischer und englischer Literatur aufgewachsen ist oder dass ihm manchmal schlicht die Ideen zur illustrativen Umsetzung der literarischen Werke fehlten.

Originell, unterhaltsam und Reich-Ranicki-frei

„Weltliteratur für Eilige“ kann – wie es der herausgebende Verlag Knaur selbst formuliert – zweifellos als die „originellste und unterhaltsamste Taschenbibliothek aller Zeiten“ bezeichnet werden, deren „Lektüre“ sich am besten in der grossen Runde, während der gemeinsamen Pause am Arbeitsplatz oder beim gemütlichen Spaghetti-Abend eignet, wo sich Literaturkenner köstlich amüsieren und Literaturmuffel möglicherweise tatsächlich etwas über die „Weltliteratur“ lernen können. Wer eine Zusammenfassung eines Literaturkanons à Marcel Reich-Ranicki erwartet, ist mit der neuesten Veröffentlichung von Henrik Lange jedoch schlecht bedient.


Titel: Weltliteratur für Eilige
Autor: Henrik Lange
Übersetzer: Marko Jacob
Verlag: Knaur
Seiten: 192
Richtpreis: CHF 12.90

One thought on “Henrik Lange: „Weltliteratur für Eilige“

  • 16.10.2010 um 12:11 Uhr
    Permalink

    Es gibt viele interessante Beiträge, die gut recherchiert sind ? ein dickes Lob!

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