Lev Grossman: „Fillory“

Entzaubert

Lev Grossman: „Fillory. Die Zauberer“ (Fantasy)

Eine Fantasiewelt aus Kinderbüchern wird plötzlich real – nur dass diese Welt bei weitem nicht so perfekt und heil ist, wie geglaubt wurde. – „Fillory“ basiert auf einer viel versprechenden Idee, doch ausser der Idee ist kaum etwas interessant. Die Geschichte ist wenig aufregend, hat extreme Längen und das einzig wirklich Positive ist die sensationelle Lesung von Stefan Kaminski.

Von Andrea Müller-Schmuki.

filloryWer sich für Fantasy, für Magie und Zauberei begeistern kann, den müsste auch Lev Grossmans Geschichte „Fillory“ mitreissen können – würde man denken. Immerhin ist es eine Mischung aus Harry Potter und den Chroniken von Narnia – allerdings für Erwachsene. Doch leider vermag die Geschichte nicht zu überzeugen. Sie ist nicht mehr als ein Abklatsch von guten Büchern, die ungeschickt vermischt und durch Sex und Gewalt aufgepeppt wurden.

Unglücklich

Quentin, 17, ist ein Träumer, er ist hochintelligent und unglücklich. Er soll zu einem Aufnahmegespräch für Princeton, gelangt stattdessen jedoch zum Brakebills College, einer Schule für Zauberei. Die Aufnahmeprüfung besteht er problemlos und er findet mit der Zeit auch Freunde und eine Freundin; glücklich wird er dadurch aber nicht. Nach seinem Abschluss als Zauberer langweilt sich Quentin nur, weiss nicht, was er mit sich anfangen soll. Die Zauberer können alles tun, wozu sie Lust haben, doch Quentin weiss, genau wie seine Freunde, nicht, worauf er Lust hat. Er findet keine Aufgabe, die ihn auch nur teilweise erfüllen würde, und so verbringt er seine Tage und Nächte mit Drogen- und Sexpartys und mit Alkoholexzessen.

Plötzlich, ohne dass er in den letzten drei Stunden der Lesung auch nur eine wichtige Nebenrolle gespielt hätte, taucht Penny auf, ein ehemaliger Schulkollege von Quentin. Er verkündet in langen Sequenzen, dass er Fillory, eine Fantasiewelt aus Kinderbüchern, gefunden habe. Halb skeptisch, halb euphorisch brechen Quentin und seine Freunde auf, um Fillory zu erkunden.

Langatmig

Quentin muss monate- ja sogar jahrelang mühselig die Gegebenheiten auswendig lernen, die einen Zauber beeinflussen und wie sie das tun. Dass hier auch beim Erzählen einige Längen entstehen, könnte sogar beabsichtigt sein, um dem Leser – bzw. Hörer zu verdeutlichen, wie anstrengend und langwierig diese Arbeit doch ist. Dass es dabei jedoch nicht nur für Quentin, sondern auch für den Leser/Hörer mühsam und langweilig wird, dürfte kaum vorgesehen sein.

„Fillory“ ist einerseits mit unnötigen Details und übergenauen Beschreibungen und Beobachtungen gespickt, andererseits werden aber auch immer wieder mehrere Monate einfach so übersprungen, als ob in ihnen nicht das Geringste geschehen wäre. Die Figuren werden nicht greifbar, bekommen keine Tiefe, bleiben blass. Einzig die Konflikte zwischen den Figuren geben der Geschichte mitunter wieder etwas Form. Von der Fantasy-Geschichte bleibt dabei jedoch nicht mehr viel übrig. Vielmehr scheint es sich um die Geschichte einer Gruppe depressiver alkoholsüchtiger Jungerwachsener und ihre Probleme zu handeln.

Lesung: phantastisch

Stefan Kaminski verleiht der Geschichte mit seiner unvergleichlich ausdrucksstarken und nuancenreichen Lesung immerhin wieder etwas Interessantes. Selbst ohne die Namen der einzelnen Protagonisten zu nennen, wird durch die hohe Variabilität von Kaminskis Stimme immer sofort klar, ob der Erzähler oder ein Protagonist und wenn, dann welcher etwas sagt – oder denkt. Genauso kommen in der Lesung die Emotionen der einzelnen Figuren immer wieder zum Ausdruck. Doch leider vermag auch die sensationelle Lesung von Stefan Kaminski nicht die schwache Geschichte von Lev Grossman auszugleichen.


Titel: Fillory. Die Zauberer
Autor: Lev Grossman
Übersetzerin: Stefanie Schäfer
Lesung: Stefan Kaminski
Verlag: Argon
Länge: 6 CDs / 461 Minuten
Richtpreis: CHF 31.90

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