Wulf Dorn: „Kalte Stille“
Wenn dir die Stille keine Ruhe lässt…
Wulf Dorn: „Kalte Stille“ (Thriller)
Ein Psychiater ist dazu da, Patienten von ihren Ängsten und quälenden Erinnerung zu befreien, oder ihnen zumindest dabei zu helfen, mit diesen umzugehen. Was aber, wenn der professionelle Helfer selbst unter einem Trauma leidet, das ihn nicht loslässt?
Von Stefanie Feineis.
Nach Jahren kehrt Jan Forstner in seine Heimatstadt zurück, um eine Stelle in der psychiatrischen Klinik anzutreten, in der bereits sein Vater als Arzt tätig war. Trotz aller Freundlichkeit knüpft Dr. Fleischer, der Klinikleiter und ehemalige Freund von Jans Vater, die Anstellung an eine Bedingung: Jan muss sich selbst bei einem Kollegen einer Therapie unterziehen, um mit einem persönlichen Drama klarzukommen, das ihn seit seiner Kindheit quält.
Erst der Bruder, dann der Vater
Damals verschwand sein sechsjähriger Bruder Sven plötzlich spurlos, nachdem er dem zwölfjährigen Jan auf einen nächtlichen Ausflug in den Park gefolgt war. Alles, was Jan blieb, ist ein Diktiergerät, das er in dieser Nacht bei sich hatte und seitdem wieder und wieder anhören muss: ein Satz seines Bruders, und dann Stille. Doch damit nicht genug: Wenige Tage nach dem Verschwinden des Bruders starb der Vater bei einem mysteriösen Autounfall. Als sich die Mutter einige Jahre später das Leben nimmt, werden Jans Schuldgefühle noch grösser. Beinahe fanatisch versucht er, Licht in das Dunkel zu bringen, und droht dabei alles zu verlieren: seine Freunde, seine Frau, und zuletzt auch seinen Ruf als Psychiater.
Zu viele offene Fragen
Auch Jahre später kann Jan nicht mit den vielen offenen Fragen umgehen: Was geschah mit seinem Bruder? Ist er tot oder lebt er noch? Und was wollte sein Vater mitten in der Nacht in dem abgelegenen Waldstück? Und Jan ist nicht der einzige, der von Erinnerungen gequält wird: Auch der ehemalige Nachbar Marenburg kann den Tod seiner Tochter Alexandra nicht vergessen, die zu diesem Zeitpunkt Patientin der Klinik war. Kurz darauf wird Jan auch noch Zeuge eines Selbstmordes. Und die junge Frau, die sich vor seinen Augen das Leben nimmt, weist nicht nur überraschende Ähnlichkeit mit der verstorbenen Nachbarstochter auf, sondern war eine Zeit lang ebenfalls Patientin in der Klinik. Carla, eine Freundin der Toten, sucht daraufhin Kontakt zu Jan. Sie ist überzeugt davon, dass es einen Zusammenhang zwischen all diesen Todesfällen gibt. Ist Jan mutig genug, nochmals alles zu riskieren?
Mehrfach ausgezeichneter Autor
Obwohl Wulf Dorn seit seinem 12. Lebensjahr schreibt und mehrere seiner Kurzgeschichten bereits ausgezeichnet wurden, gelang ihm der Durchbruch erst mit seinem Debütroman „Trigger“, dessen Verfilmung nach Information des Verlages bald erfolgen soll. Wie auch bei dem hier vorliegenden Buch handelt es sich um einen Thriller, bei dem die Hauptfigur in der Psychiatrie arbeitet und die Abgründe der menschlichen Seele eine tragende Rolle spielen. Dies kommt nicht von ungefähr, denn der Autor arbeitet seit 1994 selbst in einer psychiatrischen Klinik. Das dort erworbene Hintergrundwissen zeigt sich in jeder Zeile des spannenden Werks.
„Kalte Stille“ ist atemberaubender Thriller mit vielen überraschenden Wendungen und tiefen Einblicken in die menschliche Psyche. Absolute Suchtgefahr!
Titel: Kalte Stille
Autor: Wulf Dorn
Verlag: Heyne
Seiten: 448
Richtpreis: CHF 29.90