Douglas Coupland: „Generation A“
Wenn ein Autor seiner Geschichte nicht traut
Douglas Coupland: „Generation A“ (Roman)
In „Generation A“ erzählt uns Douglas Coupland von einer Welt, in der die Bienen ausgestorben, das Ökosystem auf den Kopf gestellt und beinahe die gesamte Menschheit auf Drogen ist. Diese Welt ist der unseren zwar durchaus nicht unähnlich, überspitzte Charakterisierungen und weit hergeholte Plotstrukturen verhindern jedoch ein stimmiges Wiedererkennen.
Von Lisa Letnansky.
Es war 1991, als Douglas Coupland mit seinem Roman „Generation X“ weltweit berühmt wurde und gleichzeitig einer ganzen Generation ihren Namen gab. Es handelte sich um jene in den 1960er und 1970er Geborenen, deren Leben zwar nicht mehr von Kriegen geprägt waren, die aber trotzdem den schwindenden Wohlstand und die niedere ökonomische Sicherheit akzeptieren mussten. Die herrschende Stimmung in Couplands Roman ist dann auch eine Mischung zwischen Wohlstandsneid und Konsumkritik, eine Gemütslage, die mindestens einige Facetten jener Generation durchaus treffend charakterisiert. Hierzulande wurde schon seit Jahren nichts mehr von Coupland publiziert, was bei dem Erfolg seines Erstlings verwundert. Jetzt, beinahe zwanzig Jahre und damit fast eine Generation später, versucht Coupland an diesen Erfolg anzuknüpfen und der nächsten Altersgruppe einen Spiegel vor Augen zu halten.
Äpfel vom Schwarzmarkt
„Generation A“ spielt in einer zwar nicht klar definierten, aber dennoch wohl nicht allzu weit entfernten Zukunft; ausser, dass natürlich einige neue technische Spielereien entwickelt wurden, die gesamte Menschheit nicht nur süchtig nach Nonstop-Kommunikation per Internet und Co. (auch das ist bereits abzusehen), sondern auch nach bewusstseinsverändernden Drogen ist, hat sich vor allem eines geändert: die Bienen sind ausgestorben. Dies hat nicht nur zur Folge, dass Honig nur noch als Chemie-Ersatz auf den Frühstückstischen steht, es hat auch das gesamte Ökosystem auf den Kopf gestellt. Blühende Wiesen und Gärten sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Wenn eine Pflanze, die früher durch Insekten bestäubt wurde, vermehrt werden soll, muss dies jetzt durch mühsame Handarbeit geschehen. Äpfel beispielsweise sind ein unglaublich rares Gut geworden, das praktisch nur noch auf dem Schwarzmarkt zu erstehen ist.
Unmögliche Identifikation
Doch dann geschieht das Wunder, von dem niemand mehr zu träumen hoffte. Fünf junge Menschen werden in weit voneinander entfernten Regionen in kurzen Abständen von Bienen gestochen. Die Regierungen scheinen jedoch nur auf einen solchen Vorfall gewartet zu haben, innert Minuten sind Helikopter und Forscherteams vor Ort, welche die Gestochenen untersuchen und sie danach wochenlang in sterilen Zimmern festhalten, um herauszufinden, warum gerade sie gestochen wurden. Die Geschichte von Harj (Indien), Zack (USA), Samantha (Neuseeland), Julien (Frankreich) und Diana (Kanada) wird immer abwechslungsweise aus deren Ich-Perspektive erzählt. Das Problem dabei ist, dass ihnen jeweils ungefähr das Gleich widerfährt, warum spätestens bei der fünften Wiederholung eine träge Langeweile aufkommt. Coupland versucht zwar angestrengt, die Handlung etwas aufzulockern, indem er den jugendlichen Figuren alles an Komik abverlangt, was er nur finden kann; das Ergebnis ist aber wenn nicht gerade lächerlich, so doch mindestens ernüchternd. Sollte ein Roman über eine Generation doch Identifikationsfiguren vorstellen oder mindestens ein vages Wiedererkennen erlauben, schafft der Autor hier Charaktere, die unglaubwürdiger kaum sein könnten; wahrscheinlich nur die wenigsten Leser werden sich mit einer asthmatischen Fitnesstrainerin, einem nach World of Warcraft süchtigen Sorbonne-Studenten oder einer Sonntagsschullehrerin mit Tourette-Syndrom identifizieren können.
Märtyrer-Bienen
Doch nicht nur die Figuren orientieren sich auffallend wenig an der Wirklichkeit. Auch die Auflösung, die uns Coupland am Schluss zum Sterben und Wiederauftauchen der Bienen liefert, ist eher weit hergeholt. Sogar für einen Zukunftsroman scheint die Vorstellung von den Märtyrer-Bienen, die kleinste Unterschiede in menschlichen Organismus erkennen können, sich diese Menschen aussuchen und sie genau in diesem Moment stechen, in denen sie über das Internet oder Ähnliches mit dem Rest der Welt in Verbindung stehen, um auf sich aufmerksam zu machen und damit sogar den eigenen Tod in Kauf nehmen, ziemlich unglaubhaft. Dass seine Story nicht wahnsinnig viel hergibt, scheint auch der Autor erkannt zu haben. Fast die ganze zweite Hälfte des Romans beinhaltet kurze Geschichten, die sich die Gestochenen auf einer abgelegenen Insel erzählen; denn nach der Meinung der Wissenschaftler schüttet der menschliche Körper beim Geschichten-Erzählen gewisse Moleküle aus, die einen Aufschluss über das Bienen-Sterben geben sollen.
Superman soll die Geschichte retten
Manchmal ganz witzig, kommen diese Geschichten aber nicht über platte Wahrheiten in betont lässiger und jugendlich-frischer Form hinaus, was bereits die Titel andeuten: „Superman und die Kryptonit-Martinis“, „Der Prediger und seine heimliche Fickschlampe“, „Das Ende des goldenen Zeitalters der Münztelefone“. Diese Geschichten lassen nicht nur die Handlung des Romans stocken, sie werfen auch die Frage auf, warum es Coupland nicht bei der Ausarbeitung seiner Theorie bewenden lassen wollte, oder wenigstens nur ein paar und nicht gleich fünfzehn solcher Geschichten auftischen musste. Die einzige schlüssige Erklärung dafür ist, dass er seiner eigenen Geschichte nicht viel zuzutrauen scheint. Die wenigen witzigen oder mindestens schlüssigen Passagen geben dem Leser zwar immer wieder die Hoffnung auf eine neue und spannende Wendung, am Schluss bleibt ihm aber nicht viel mehr als Stirnrunzeln und die kleine Genugtuung, Dutzende neuer Schimpfwörter gelernt zu haben.
Titel: Generation A
Autor: Douglas Coupland
Übersetzer: Clara Drechsler und Harald Hellmann
Verlag: Tropen
Seiten: 333
Richtpreis: CHF 33.90