Sebastian Stammsen: „Gegen jede Regel“

Bemerkenswertes Debüt

Sebastian Stammsen: „Gegen jede Regel“ (Kriminalroman)

Autor Sebastian Stammsen weiss, wovon er schreibt. Als studierter Psychologe setzt er sich seit Jahren für die psychische Gesundheit an Schulen und Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen (D) ein. So wundert es nicht, dass er seinen ersten Kriminalroman ausgerechnet im Schulmilieu ansiedelt. Aus seiner täglichen Praxis weiss Stammsen jedoch auch, dass vieles oftmals nicht das ist, wonach es auf den ersten Blick aussieht. Er nutzt diese Kenntnis – und legt einen in allen Punkten überzeugenden Erstling vor.

Von Fee Anabelle Riebeling

GegenJedeRegelDer 17-jährige Tobias wird erstochen im elterlichen Wohnzimmer aufgefunden. Nichts deutet auf einen Einbruch hin, was darauf schliessen lässt, dass er seinen Mörder gekannt haben muss. Schwarz gekleidet, Computer-Narr, mit jeder Menge Spiele der Kategorie Ego-Shooter auf der Festplatte – Tobias war offensichtlich ein Einzelgänger. Auch die verstörten Eltern wissen nicht viel über Freunde und ausserhäusige Freizeitaktivitäten zu berichten. Für das Ermittlerduo Markus Wegener und Nina Gerling scheint der Fall klar: Das Opfer war ein Aussenseiter. Der Täterkreis wird entsprechend übersichtlich sein und die Lösung des Falls nicht lange auf sich warten lassen.

Anders als gedacht

Ganz so einfach, wie zunächst vermutet, ist es aber nicht. Sebastian Stammsen beweist in «Gegen jede Regel», dass der Schein mitunter trügt: Denn trotz seines dunklen Erscheinungsbildes wusste der Teenager die Herzen seiner Mitmenschen im Sturm zu erobern: Ob Mitschülerinnen oder Mitschüler, selbst erwachsene Frauen konnten ihm nicht widerstehen – und er ihnen ebenso wenig. Sein Paarungsverhalten als zweigleisig zu bezeichnen, wäre stark untertrieben. Eifersucht als mögliches Mordmotiv ist nicht auszuschliessen.

Doch auch Rache müssen die Ermittler in Betracht ziehen. Denn Tobias war nicht nur aus sexuellem Antrieb im Internet unterwegs: Der Fund einer versteckten Festplatte bringt Wegener und Gerling auf eine neue Spur – und zum Staunen. Denn der 17-Jährige stach auch als Spieler eines Online-Games aus der Menge heraus. Dank unerlaubter E-Mail-Manipulation und geforderten Täuschungsmanövern bot er nach und nach sämtliche Gegner bei „Dominanz“, einem Strategiespiel, bei dem es um nichts weniger als die virtuelle Weltherrschaft geht, aus. Sehr zum Ärger der Konkurrenten.

Showdown am Puls der Zeit

Mit jedem Ermittlungsschritt und jeder Befragung steigt die Zahl potentieller Täter. Und obwohl sich bald abzeichnet, dass der Mörder unter den Mitspielern zu suchen ist, ist der Weg bis zur Lösung des Falles noch lang. Denn Autor Sebastian Stammsen versteht sein Handwerk: Entlang den Abgründen der menschlichen Seele führt er sowohl seine Ermittler als auch die Leser an der Nase herum. Und am Ende ist alles ganz anders als man nur wenige Seiten zuvor noch dachte.

Herausgekommen ist ein komplexer, aber auch durch und durch glaubwürdiger Kriminalroman, dessen Spannungsbogen bis zum Äussersten gereizt und zum rechten Zeitpunkt fallen gelassen wird. «Gegen jede Regel» beweist, dass Vorurteile den Weg zur Erkenntnis verbauen und dass es sich lohnt, auch mal hinter die Fassade zu blicken.

Ein grandioser Auftakt, der auf eine Fortsetzung hoffen lässt.


Titel: Gegen jede Regel
Autor: Sebastian Stammsen
Verlag: Grafit
Umfang: 379 Seiten
Richtpreis: CHF 14.00

One thought on “Sebastian Stammsen: „Gegen jede Regel“

  • 16.03.2011 um 11:29 Uhr
    Permalink

    Ja, auch ich hoffe auf eine Fortsetzung! Die Figur, die mit Markus Wegener geschaffen wurde, ist authentisch und man muss ihn einfach mögen, weil er einer von uns ist. Der Roman setzt sich an vielen Stellen sehr kritisch mit politischen Themen auseinander und ist durch und durch voller Raffinesse. Toll!

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