nahaufnahmen-Filmadvent: 10. Dezember 2010

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„Fish Tank“ von Andrea Arnold

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Das zehnte Türchen sollte man eigentlich nicht öffnen. Zu gross ist die Gefahr, dass man die Faust einer fünfzehnjährigen britischen Teenagerin im Gesicht hat, die es nicht mag, wenn man ihr direkt in die Augen schaut.

Wenn das Britische Kino etwas besser kann als alle anderen Kinonationen, dann sind es Filme über Teenager und deren Lebenswelten. „Fish Tank“, der bei uns Ende 2009 bis Anfang 2010 im Kino lief,  ist wohl sogar einer der stärksten Filme über das Jungsein und Erwachsenwerden der letzten zwei Jahre. Er erzählt die Geschichte der rebellischen, verschlossenen Mia, die in einem Tanzwettbewerb ihre Chance sieht, ihrem sonst perspekivenlosen Leben zu entkommen. Als ihr Connor, der junge Freund ihrer Mutter, hilft, ein Tanzvideo aufzunehmen, verliebt sie sich in ihn und lässt sich von ihm auf dem Sofa entjungfern.

Doch keine Angst, „Fish Tank“ ist kein Film über ein armes, unschuldiges Mädchen, dass vom bösene Wolf verführt wird. Mia wird nämlich bald mehr Opfer als zum Täter, denn als sie herausfindet, dass Conor verheiratet ist und Kinder hat, beschliesst sie sich an ihm zu rächen, und entführt kurzerhand seine Tochter. „Fish Tank“ ist nicht wirklich ein Thriller, und trotzdem wagt man in gewissen Momenten kaum zu atmen. Die Dialoge verstehen muss man dafür übrigens nicht – und kann man auch kaum, zumindest wenn man den Film in der Originalversion schaut: den Essex Akzent dürfte man auf einer DVD eigentlich gar nicht als „Englische Sprachfassung“ bezeichnen.

© Studio / Produzent
© Studio / Produzent

„Fish Tank“ lebt aber ohnehin vor allem von Hauptdarstellerin Katie Jarvis, die darin wohl eines der furiosesten Leinwanddebüts des vergangenen Jahres lieferte. Mit einem Blick sagt die Schauspielerin oft mehr, als man auf zehn Dialogseiten sagen könnte, so dass selbst ein Michael Fassbender neben ihr beinahe blass aussieht. Die DVD von „Fish Tank“ ist für die Schweiz übrigens erst angekündigt, was es auch irgendwie rechtfertigt, den Film in eine „Best of 2010“ Liste aufzunehmen, obwohl er schon Dezember 2009 anlief. Das jüngste britische Teenagerdrama, „Kicks“, hätte den Platz von „Fish Tank“ einnehmen können. Da es mit dessen Intensität aber nicht ganz mithalten kann, gehört „Fish Tank“ hierhin. Jawohl.

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

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