nahaufnahmen.ch-Filmadvent: 23. Dezember 2010

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„Inception “ von Christopher Nolan

23dezember

Hinter dem vorletzten Türchen geht alles drunter und drüber, und zwar plangemäss und im Takt.

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Christof meint: Christopher Nolan träumt in Planquadraten. Als jemand, der Siegmund Freud aus Prinzip konsequent nur mit dem Nabokovschen Bonmot des „Buschdoktor aus Wien“ adressiert, will und kann ich das nicht weiter interpretieren. Dennoch macht es „Inception“ zum einigermassen bizarren Fall: Ein Film über die urchaotische Welt der Träume, der so brutal wohl geordnet und organisiert ist wie eine ritalin-gesättigte Kindergartenklasse auf dem Schulspaziergang. Natürlich war da diese gewaltige Szene, die auch im Trailer sehr populär ausgestellt wurde – ein Strassenzug in Paris faltet sich in sich selbst zusammen! Die Möglichkeiten schienen grenzenlos. Im konkreten Film gab’s dann jedoch neben einigen Escher-Reminiszenzen und dieser tatsächlich spektakulären Sequenz im Hotel vor allem wahnsinnig viel wahnsinnig sauber geplante Action (Nolan hat dazugehört seit seinen etwas holprigen Vorstössen in den Batman-Filmen), die auch in einem Bourne- oder Bond-Film kaum für Aufsehen sorgen würde. Verschenktes Potential?

Vielleicht. Das ist die eine Seite. Die andere allerdings ist die, dass der Film allen Wahnsinn, allen Einfallsreichtum, alles Grössenwahnsinnige, das ihm inhaltlich und visuell abgeht, auf der strukturellen Ebene wieder einholt: Es ist vielleicht kein irrer Film, aber ein wahnsinnig zerebraler, der reichlich Hirnfutter abgibt. Und wird man sich erst einmal bewusst, dass dies all die Geschichten in den Geschichten in den Geschichten doch immer überschaubar bleiben und auch beim wiederholten Nachbohren weniger Logik- und Handlungslöcher aufweisen, als der durchschnittliche, weit weniger ambitionierte Hollywood-Blockbuster, bleibt einem doch nichts anderes übrig, als Nolan Respekt zu zollen. Wer überrascht werden, wer neue Welten entdecken, dem eigenen und dem fremden Unterbewusstsein und der Welt der Träume näher kommen will, der muss weiterhin abseits des Hollywood-Mainstreams suchen. Bei Nolan gibt’s dafür einen letztlich irre ambitionierten und zielmich wasserdichten Blockbuster – der nicht zuletzt die Hoffnung auferstehen lässt, dass Studios auch Millionen in Projekte investieren, deren Konzept sich nicht auf einem Post-it vollumfänglich skizzieren lassen.

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Lukas meint: Und dennoch haben einige Kritiker an „Inception“ beanstandet, dass die Story eigentlich erst in der Entwurfsphase war, als sie verfilmt wurde. Ein Jahr oder zwei hätte Nolan noch daran feilen sollen, erst dann wäre daraus der grosse Klassiker geworden, den man erwartet hätte. Tatsächlich lädt „Inception“ wie kein anderer Film dazu ein, nach Logikfehlern in der Handlung zu suchen, und man findet auch welche – allerdings jedesmal andere. Und wenn man denkt, man hätte endlich den grossen Fehler gefunden, stösst man in zahlreichen Foren auf Erklärungen, welche die scheinbare Lücke plötzlich doch logisch zu füllen vermögen. Und hey, wenn ein Film dazu führt, dass sich Blogger um die Welt die Mühe machen, ihn zu erklären und seine Genialität zu beweisen, dann muss der Film einfach etwas richtig gemacht haben.

Ebenfalls ein gutes Zeichen sind die „Verschwörungstheorien“, welche sich um „Inception“ ranken. Ist das, was im Film als Wirklichkeitsebene ausgegeben wird, auch nur eine Traumebene? Liegt am Schluss eben doch Mal richtig und Cobb ist derjenige, welcher nicht mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden kann? Wird nicht etwa bei diesem langweiligen Industriellen eine Inception durchgeführt, sondern beim Protagonisten selber? Keine dieser Fragen kann klar mit ja oder nein beantwortet werden, und damit drängt sich die Frage auf, ob „Inception“ nicht vielleicht doch ein verdammt guter Film ist, weil er Deutungsebenen öffnet, welche Nolan nie beabsichtig hatte. Es mag sein, dass  Nolan bei „Inception“ genau wie Ariadne im Film nur das Gerüst konstruiert hat, welches sich mit Details füllten, die komplett dem Unterbewusstsein entsprangen. Auch das aber würde den Film nur wieder noch besser machen.

One thought on “nahaufnahmen.ch-Filmadvent: 23. Dezember 2010

  • 27.12.2010 um 23:47 Uhr
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    Zweifellos ist „Inception“ von Christopher Nolan ein sehr guter Film, aus meiner Sicht sogar besser als „The Dark Knight“. An den absoluten Filmklassiker „Matrix“ kommt er aber nicht ganz ran. „Inception“ ist sehenswert, aber nicht gigantisch!

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