Adam Soboczynski: „Glänzende Zeiten“

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

„Glänzende Zeiten“ von Adam Soboczynski (Essaysammlung)

Unsere Welt ist ordentlich und glatt. Hier herrscht Disziplin, und Gesundheit ist unbedingt erstrebenswert, das Maß aller Dinge. Der Feuilletonist Adam Soboczynski unterstreicht diese These  in „Glänzende Zeiten“ mit nahezu jedem Satz und übt so gleichzeitig Kritik an dem homogenen Einheitsbrei, den unsere Gesellschaft Tag für Tag mit Vorliebe verschlingt.

Von Ferdinand Laudage.

glänzendezeitenAdam Soboczynski ist Feuilletonredakteur bei „Die Zeit“ und sorgte schon mit seiner ersten Veröffentlichung „Polski Tango“ in der deutschsprachigen Literaturlandschaft für einiges Aufsehen. Seine Reisereportage, die unter anderem politisch inkorrekten Polen-Witzen auf den Grund geht, basiert auf realen Begebenheiten. „Glänzende Zeiten“ hingegen ist komplett fiktiv, und doch ist es für den Leser nicht schwer, sich selbst wiederzufinden.

Harsche Kritik an der Normierung der Welt

„Fast ein Roman“ steht auf dem Einband und angesichts des großartigen, kurzweiligen Erzählstils liegt die Vermutung auch nah, dass man es hier mit einem fiktiven, auf Spannung angelegten Werk zu tun hat. Doch schon nach den ersten Seiten wird deutlich, dass es sich „Glänzende Zeiten“ um eine Essaysammlung handelt. Immerzu präsentiert der Autor aufs Neue kantige Gestalten, die in ihrem grauen Alltag zweifelsohne anecken. Jeder seiner Protagonisten offenbart seine Probleme mit der Gesellschaft und deren Normen, jeder thematisiert auf eigene Weise seine Sorgen und Existenzängste und trauert vergangenen und „glänzenden Zeiten“ nach.

Als Fahrradfahren noch ohne Helm gestattet war, als man das Rauchen in Kneipen noch nicht verboten hatte, als das Fleischessen noch normal war und keine Besonderheit darstellte: Diese wahre, „heile“ Welt vermissen Soboczynskis Protagonisten in den einzelnen Episoden und kritisieren gleichzeitig die überkorrekte Gegenwart, in der sie leben müssen. Zu sauber und zu ordentlich erscheint ihnen das Hier und Jetzt. Verhasst ist allen voran der Asket, er ist der „Feind des Lebens“, vereint alle Tugenden in sich. Er ist das Ideal, nach dem die Menschheit zu streben hat, schließlich steht er für die Perfektion in Soboczynskis Gegenwart.

Pathos mit Humor vorgetragen

Hervorzuheben ist der außergewöhnliche Stil des Autors. Soboczynski verschachtelt, wo er nur kann. Kommata nutzt er inflationär. Seine Bandwurmsätze machen ein flüssiges Lesen nicht sonderlich einfach, die volle Konzentration des Lesers ist gefragt. So eckig und kantig schreibt Soboczynski – und unterstützt damit die perfekte Darstellung seiner eigenwilligen Protagonisten.

Bis hierhin könnte man meinen, Soboczynskis Geschriebenes sei ausschließlich pathetisch. Doch diese Vermutung stimmt bei Weitem nicht. Es ist im Grunde der bitterböser Humor des Feuilletonisten, der jedem seiner Essays das gewisse Etwas verleiht. So vermag der aus Polen stammende deutsche Journalist stets dann dem Leser die Augen zu öffnen, wenn es von Nöten ist. „Glänzende Zeiten“ ist eine „menschliche Komödie“ und sollte unbedingt von demjenigen gelesen werden, der sich auch oft fragt, wo die Gesellschaft heute eigentlich angekommen ist.


Titel: Glänzende Zeiten
Autor: Adam Soboczynski
Verlag: Aufbau
Seiten: 224
Preis: CHF 25.90

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert