Ein Besuch in der kleinsten „legalen“ Whiskybrennerei Schottlands
Edradour: Whisky des Widerstands
Ein Besuch in der kleinsten „legalen“ Whiskybrennerei Schottlands
Bild: Gerstenfeld, Quelle: Wikipedia, User Carport
Ist ein Destillationsapparat kleiner als derjenige der Edradour-Brennerei, gilt er als transportierbar und damit als gesetzeswidrig. Dass die „Legalität“ heute von der Brennerei speziell hervorgehoben wird, regt zum Schmunzeln an: Gerade ihre Gründer hatten sich immer wieder der steuerdurstigen Hand von Vater Staat entzogen. Damit stiessen sie aber eine Entwicklung an, welche die Brennerei zu einer Besonderheit der heutigen Whiskywelt macht.
Von Stephanie Santschi
Die Wanderung vom malerischen kleinen Dorf Pitlochry hoch zur Edradour-Brennerei dauert etwa eine halbe Stunde. Für meine aus der schottischen Hauptstadt stammende Begleitung und mich ist schon allein die Aussicht ein Erlebnis: Hier beginnen die Highlands. Unten im Tal liegen Gersten-Stoppelfelder, und am Ufer des Bachs, den wir überqueren, hängen Eiszapfen.
Später wird klar werden, dass wir somit die Grundzutaten für den Single Malt Whisky schon auf dem Weg angetroffen haben: Quellwasser und Gerste sind in Schottland seit jeher erhältlich. Deshalb war es vor 1644 nicht aussergewöhnlich, auf Bauernhöfen Whisky für den Eigengebrauch herzustellen. Doch ab besagtem Jahr machte die britische Alkoholsteuer den Bauern einen Strich durch die Rechnung: Whisky zu brennen wurde plötzlich so teuer, dass viele private Brennereien verschwanden.
„Trinkt auf uns! Zum Teufel mit der Whiskysteuer.“*
Doch nicht alle Whiskybrenner gaben damals auf. In die kaum erschlossenen schottischen Täler kam nur selten ein Vertreter jenes Gremiums, welches ungesetzliche Brennereien aufspüren sollte. Somit konnte es nicht verhindern, dass sogenannte „Black Pots“, illegale Brennereien, entstanden. „Zum Teufel mit der Whiskysteuer“ –dieser Trinkspruchs aus der Region rund um die Brennerei zeigt, dass sich die Bevölkerung nicht gross um Steuern scherte.
Der Widerstand zahlte sich aus: Im Einsehen um die Aussichtslosigkeit des Kampfs gegen die vielen nicht gemeldeten Brennereien, lenkte die Britische Regierung 1823 schliesslich ein. Sie senkte die Alkoholsteuer und lockerte die gesetzlichen Anforderungen an die Mindestgrösse einer Brennerei. Dies erlaubte der bäuerlichen Kooperative rund um die Edradour-Brennerei, ihren Whisky endlich legal zu produzieren.
Fortführung der Tradition
„Am Aussehen und der Funktionsweise der Brennerei hat sich bis heute wenig geändert. Als grösstes Novum könnte der Anschluss an das Stromnetz 1947 betrachtet werden – bis dahin nutzten die Betreiber die Wasserenergie des kleinen Baches, der durch die Brennerei fliesst“, erfahren wir von unserem Guide Neil zu Beginn der Tour, ein offeriertes Glas Whisky in der Hand haltend.
Neil führt uns zum Kühlbecken hinter dem weissgetünchten Brennereigebäude. „Der Bach hilft uns, die Destillierkolben abzukühlen. Als Zutat für den Whisky selbst nehmen wir aber ausschliesslich reines Quellwasser aus den Moorgebieten über uns“ erklärt er. Seine Hand macht eine ausladende Bewegung hangaufwärts.
Plötzlich sticht uns der Duft nach frischem Brot in die Nase. Dieser stammt aus einem Schuppen, den wir sogleich mit Neil betreten. Hier stapeln sich grosse, weisse Jutesäcke voller Gerste in einer Ecke. Und das Metallgitter unter unseren Füssen erlaubt uns Einblicke in den Maischebottich, dem dieser süssliche Duft entweicht.
Hinter dem Maischebottich stehen zwei weitere solche Bottiche, die Washbacks, in denen die Flüssigkeit fermentiert. Ein wortkarger Angestellter prüft abwechselnd den Alkoholgehalt und rührt um. Mehr als ein Grusswort können wir ihm jedoch nicht entlocken. Das Pinienholz des Bottichs duftet nach Lakritz. „Andere Brennereien ersetzten diese Washbacks durch Edelstahlkessel. „Wir glauben jedoch, dass auch dieses Holz den Charakter unseres Whiskys bestimmt“, erklärt Neil.
Das „Herz“ des Alkohols
Über eine Treppe steigen wir hinab in den unteren Teil des Schuppens. Hier bewundern wir zwei glänzende Kupferkolben. Die blasenförmigen Gebilde beginnen auf Brusthöhe und ragen bis ins obere Stockwerk hinauf. Beim Glaskasten mit den Hähnen links davon kommt Neil ins Schwärmen: Hier sei absolutes Können gefordert. Die Alkohole zu Beginn und am Ende des herausrinnenden Destillats seien gesundheitsschädlich, nur das „Herz“ des Destillats dürfe herausgefiltert werden. „Gelingt dies perfekt, schimmert die Flüssigkeit bläulich. Leider ist mir das noch nie gelungen“, fügt er bedauernd an.
Das glasklare Destillat wird erst dann zu einem Edradour-Whisky, wenn es mindestens zehn Jahre in einem Eichenfass gelagert hat. Als kleinste Brennerei Schottlands, und mit dem Bekenntnis zur Handarbeit hat sich Edradour zudem nicht der Massenproduktion verschrieben: Die Jahresproduktion von nur knapp 90‘000 Litern entspricht der Wochenproduktion grosser Brennereien. Im Gegensatz zu jenen Brennereien hat Edradour jedoch die Freiheit, mit verschiedenen Fässern zu experimentieren. Es sind Bourbon-, Sherry-, seltener auch Port- und andere Weinfässer. Einen ganz neuen Weg schlägt Edradour mit Bordeauxfässern ein: Zart pink funkelnder Whisky ist durchaus eine Degustationserfahrung wert.
Wie in jeder Brennerei können Besucher auch im Shop der „Edradour Distillery“ diverse Sorten Whisky probieren. Der leicht torfige, nach karamellisierte Mandeln schmeckende „Edradour 10Year Old“, mundet vorzüglich. Und bleibt noch lange als Erinnerung am Gaumen haften, während wir, von der tief stehenden Wintersonne begleitet, wieder auf dem Rückweg nach Pitlochry sind.
* Trinkspruch aus Edradour. (Englisch: „Here’s to us, and damn the whisky duty.”)
Literatur zum Thema:
Charles Maclean (2004) Scotch Whisky – A Liquid History, Cassel Illustrated (englisch)
Eine ausführliche Dokumentation über die Geschichte des schottischen Whiskys.
Im Netz
The Edradour Distillery (englisch)
Ein Whisky entsteht
Mälzen: Die Gerste wird circa drei Tage in Wasser eingeweicht, und dann auf einem Betonboden zum Keimen ausgelegt und gelegentlich gewendet.
Darren: Trocknen der gekeimten Gerste, traditionellerweise im Rauch eines Torffeuers, welcher sich im Geschmack des Whiskys widerspiegelt.
Maischen: Die gekeimte und anschliessend gemahlene Gerste wird mit heissem Wasser übergossen und eingeweicht. Mittels drei immer wärmeren Waschungen (von 65°C bis 85°C) und regelmässigem Umrühren wird der Zucker aus der Stärke im Malz gelöst.
Fermentieren: Im „Washback“-Kessel findet der Fermentationsprozess statt. Während 50-60 Stunden entzieht zugegebene Hefe der Maische den Zucker und wandelt sie zu Alkohol und Kohlendioxid um. Die Mischung erreicht einen Alkoholgehalt von 5-8 Volumenprozent.
Destillieren: Im „Pot Still“, einer grossen kupfernen Brennblase, wird die fermentierte Maische destilliert. Beim ersten Durchgang, bei dem vor allem der Alkohol von den Getreiderückständen getrennt wird, entsteht ein Destillat mit einem Alkoholgehalt von etwa 20 Volumenprozent. Beim zweiten Brennprozess steigt der Alkoholgehalt auf 70 Volumenprozente, und der frische Whisky ist bereit, in Eichenfässern abgefüllt und gelagert zu werden.
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