Protestsongs aus der Westsahara

Group Bombino – Guitars from Agadez, Vol. 2

Protestsongs aus der Westsahara

Bild: http://www.sublimefrequencies.com/item.asp?Item_id=51
Bild: http://www.sublimefrequencies.com/item.asp?Item_id=51

Nachdem uns mit Tinariwen die Musik der Tuareg ein erstes Mal in den Bann gezogen hat, erreichen uns  – über das amerikanische Label Sublime Frequencies – neue Klänge aus dem Herz der Tuaregkultur, aus Agadez. Die Band um den Sänger und Gitarrenvirtuosen Ghoumour Oumara Moctar a.k.a Bombino mischt die traditionelle Musik der Tuareg mit psychedelischen Stromgitarren im Stile von Jimi Hendrix und Co auf.

Die Leute von Sublime Frequencies aus Seattle sind im Grunde genommen moderne Schatzsucher und Entdecker. Sie haben sich auf authentische Folkmusik vor allem aus Südostasien, aus dem Mittleren Osten und aus Nordafrika spezialisiert. Unter anderem haben sie in Agadez, einer alten Stadt im Norden von Niger und einem wichtigen Zentrum der Tuareg, die Group Bombino angetroffen.

Der Kopf und das Herz dieser Truppe ist der 30- jährige Ghoumour Moctar, der sich auch Bombino nennt. Er ist aufgewachsen mit den Helden der Tuareg- Musikszene wie Tinariwen und Abdallah Oumbadougou und bekam schon früh Unterricht auf der akustischen Gitarre. Die von ihm gegründete Group Bombino mauserte sich wegen ihren mitreissenden Liveshows in Agadez schnell zu Helden der Szene.

Einer der Gründer von Sublime Frequencies – Hisham Mayet – war schon ein Mal in der Westsahara und in Agadez und hat von seiner ersten Reise Aufnahmen der Group Doueh und der Group Inerane mitgebracht. Immer wieder schwärmten die damals aufgenommen Musiker von dem „Gitarrengott“ Bombino und im Jahre 2007 besuchte Hisham Mayet dann ein zweites Mal die Stadt Agadez.

Agadez ist ein Zentrum der Tuareg und liegt nahe der grössten Uranvorräte von Niger. Niger exportiert jährlich circa 3’300 Tonnen Uran und gilt trotzdem als eines der ärmsten Länder der Welt. Die grössten Uranvorräte liegen im Norden von Niger im Gebiet der Tuareg. Diese haben sich in den ersten Tuareg- Aufständen von 1990- 1995 das Recht so zu leben, wie sie es schon seit Jahrhunderten tun, hart erkämpft. Leider habe die Tuareg keine grosse Vorteile aus den reichen Bodenschätzen gewinnen können. Vielmehr werden ihre Weideplätze und ihre Oasen vermehrt von grossen Bergwerken verdrängt. Auch ist allgemein bekannt, dass das radioaktive Uran nicht unbedingt als gesunder Nachbar gilt.

Im Jahre 2007 sind deshalb wieder Aufstände im Norden Nigers ausgebrochen. Angeführt werden die rebellischen Tuareg von der Mouvement des Nigériens pour la Justice (Bewegung der Nigrer für die Gerechtigkeit), die der Regierung die Verletzung des Friedensvertrags von 1995 vorwirft.

Kurz nachdem Hisham Mayet im Frühjahr 2007 nach Agadez reiste, wurde diese jahrhundertalte Tuareg- Stadt gänzlich von der Aussenwelt abgeschnitten, da die nigrische Regierung den Weg mit Landminen blockierte hat.

Doch Hisham Mayet war zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise wieder zurück in den USA und kann uns deshalb mit der CD Guitars of Agadez Vol. 2 ein Zeugnis dieser vibrierenden, lebendigen Kultur vorlegen. Die meisten Musiker in Agadez spielen auf geborgten oder Gemeinschaftsinstrumenten. Somit spielt die ganze Agadezer Musikszene auf den gleichen paar Instrumenten. Auch lässt die Aufnahmequalität vor allem auf der zweiten Hälfte der CD stark zu wünschen übrig. Nichtsdestotrotz ist die Platte ein beeindruckendes Zeugnis von einer einerseits fremden, andererseits westlich affizierten Musik, die ganz eigenen Regeln und Wegen zu folgen scheint.

Das Album besteht aus zwei Teilen. Die ersten vier Songs stammen laut Booklet aus den Archiven der Group Bambino, die restlichen fünf Tracks wurden von Hisham Mayet 2007 in Agadez an einem Konzert der Group Bombino aufgenommen. In den fünf Livesongs ist die Intensität und die Energie der Band gut zu spüren. Ausgedehnte, psychedelische Gitarrensolis, mehr aufheizende Shouts denn wirklicher Gesang, ein rumpelndes Schlagzeug und ein Songwriting, das stark am Psychedelic Rock der 60er Jahre angelehnt scheint.

Noch fast eindrücklicher sind jedoch die ersten vier Songs. Nur mit akustischen Gitarren, Djembe und ihren Stimmen nimmt uns die Group Bombino mit unter den sternenbehangenen Wüstenhimmel der Sahara. Vor allem Amidinine ist ein Meisterwerk. Während Gitarren und Perkussion einen entspannt-hypnotischen Sog entwickeln, schwingt sich die Stimme in – sogar für unsere westlichen Hörgewohnheiten – ohrwurmartigen Linien darüber.

In diesen ersten vier Songs hört man, dass Bombino, trotz seinen am psychedelischen Gitarrenspiel der 60er Jahren geschulten Solis, stark in der Musik der Tuareg verwurzelt ist. Die entspannten Gitarrenbegleitungen entwickeln einen Sog, dem man sich schwer entziehen kann.

Vor allem in der Zeit der nordafrikanischen Revolutionen ist es durchaus interessant, sich auch einmal die Revolutions- Musik und die Protestsongs der Tuareg zu Gemüte zu führen. Vielleicht kann dadurch auch auf die Aufstände im Norden von Niger hingewiesen werden.

Auch wenn diese Musik von Hisham Mayet im Booklet als Revolutions-Musik beschrieben wird, ist es beeindruckend, welch positive Stimmung von den Songs von Bombino ausgehen, trotz der widrigen Lebensumstände, mit denen die Tuareg täglich konfrontiert sind.


Links:

http://www.sublimefrequencies.com/item.asp?Item_id=61&cd=Group-Bombino:-Guitars-from-Agadez-Vol-2

http://www.plattfon.ch/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert