„Wenn etwas draussen ist, dann ist es für immer. Also will man auch, dass es gut ist.“
„Wenn etwas draussen ist, dann ist es für immer. Also will man auch, dass es gut ist.“
Goose Interview, Zürich, 25.3.2011
Von Simon Sigg und Rico Steinemann
nahaufnahmen.ch traf sich am m4music mit dem redseligen Goose Frontmann Mickael Karkousse und seinem anfangs eher wortkargen Drummer Bert Libeert zum lockeren Gespräch über Social Media, Musik für die Werbung und die Anfänge als Hardrock Band.
nahaufnahmen.ch: Was haltet ihr vom Konzept des m4music-Festivals, dass es sich hier nicht nur um Musik, sondern auch um einen Austausch zwischen Künstlern, Presse und Industrie handelt?
Mickael Karkousse: Es ist immer gut, wenn ein Festival noch ein gewisses Extra bieten kann. Es ist sicher auch gut für den Austausch zwischen Labels, Managern etc. aber für uns Bands ist es immer ähnlich. Wir sind immer glücklich mit anderen Musikern zusammen zu sein, das verändert sich nicht. Aber für das ganze Umfeld der Bands ist es ein sehr wichtiger Anlass.
nahaufnahmen.ch: Habt ihr ein ähnliches Festival zu Hause in Belgien?
Mickael Karkousse: Es gibt das Eurosonic-Festival in Groningen, Holland, welches durchaus mit dem Festival hier vergleichbar ist. Ich denke auch an das Sonar-Festival in Barcelona. Ich denke, es ist etwas, das sich durchaus etabliert hat.
nahaufnahmen.ch: Habt ihr denn hier einen regen Austausch zwischen verschiedenen Bereichen der Branche? Findet ihr Gefallen daran?
Mickael Karkousse: Nun, so viel machen wir da gar nicht. (lacht) Wir sind hier um Musik zu machen und nicht um über das Business zu sprechen. Wir sind uns schon bewusst, was passiert, dass Bands im Internet aktiv sein müssen, dass sie auf vielen Levels aktiv sein müssen. Ich denke, vor allem für neue Bands eröffnet es viele Möglichkeiten hier. Sie können herkommen und mit Leuten aus dem Business reden und auch lernen, wie das Business funktioniert. Was man von einem Label erwarten kann oder von einer Booking Agency. Es ist ein Festival, wo viele Fragen beantwortet werden können. Denn als eine Band, die gerade anfängt, hat man jede Menge Fragen. Wir hatten jede Menge Fragen.
nahaufnahmen.ch: Lasst uns etwas über die Anfänge von Goose sprechen. Es gibt euch seit dem Jahr 2000, just zu einem Zeitpunkt, als sich das Internet langsam, aber sicher zu einer dominierenden Kraft entwickelte und auch die Einnahmen der Musikindustrie kontinuierlich zurückgingen. Habt ihr zu Beginn je daran gedacht, kommerziellen Erfolg zu haben?
Mickael Karkousse: Wie du gesagt hast, standen wir damals kurz vor dem Internetboom. Aber es war gar nicht unsere Erwartung Alben zu verkaufen. Sogar heute, wenn ich die Zeit zwischen „Bring it on“ (Debütalbum 2006, Anm. d. Red) und „Syringe“ (2010) vergleiche, da haben sich innert kurzer Zeit viele Dinge verändert. Die Zeitspanne der Aufmerksamkeit ist sehr viel kürzer geworden, früher hast du eine Single veröffentlicht und sie wurde ein, zwei Monate im Radio gespielt. Heute veröffentlichst du eine Single und sie „lebt“ vielleicht noch 2 Wochen. Im Internet vielleicht fünf Tage. Du haust sie auf deine Website, einen Blog oder was auch immer, dann hast du einen Haufen Hits die ersten paar Tage, aber das nimmt rapide ab. Das ist natürlich aus unserer Sicht nicht so toll.
Bert Libeert (er spricht also doch): Es gibt einfach zu viele Sachen zu hören. Es ist eine Schande, dass teilweise richtige Qualitätsarbeit einfach vorbeigeht.
Mickael Karkousse: Du musst eigentlich 24 Stunden am Tag vor dem Computer sitzen um nichts zu verpassen. Andererseits hat das Internet auch positive Seiten. Wir können direkt über Facebook und Twitter mit unseren Fans in Kontakt treten. Vor 15, 20 Jahren wurden die Karrieren und die Interaktion zwischen Fans und Künstlern noch viel mehr von Labels und Managern kontrolliert. Das ist auch für uns etwas Neues, vor vier Jahren gab es Myspace und sonst nichts. Und jetzt ist diese ganze Social Media Welt explodiert. Das mussten wir erst selber lernen.
nahaufnahmen.ch: Seht ihr im Grossen und Ganzen diese Social Media Entwicklung als etwas Positives für die Band?
Mickael Karkousse: Ja, schon. Man muss bedenken, dass die Anzahl Fans, die man hat, nicht mit der Anzahl Albumkäufe übereinstimmt. Die Relation zwischen Sales und Anzahl Fans ist verschwunden. Social Media sind darum ein guter Weg zu sehen, wie viele Fans man hat, wer deine Musik hört, auf Facebook sieht man wo die Fans herkommen, ob sie weiblich oder männlich sind etc. Es ist auf jeden Fall eine interessante Sache.
nahaufnahmen.ch: Ihr habt auffallend oft eure Songs für die Werbung zur Verfügung gestellt. Was steckt hinter diesem Vorgehen und wie kommen diese Kollaborationen mit den Firmen zustande?
Mickael Karkousse: Es gibt Agenturen die unsere Musik verschiedenen Firmen präsentieren. Letztendlich ist es ein Weg unsere Musik unter die Leute zu bringen. Fernsehen ist ein machtvolles Medium, aber es ist auch so, dass unsere Musik einfach gut zu Bildern passt. Wir sehen das nicht als etwas Schlechtes an, nur weil ein Song von uns in CSI läuft.
Bert Libeert: Wir machen auch nicht Musik für die Werbung. Das passiert einfach, wir würden uns niemals irgendwie anpassen, damit die Werbung unsere Musik spielt. Wir machen unsere Musik und nachher wird sie gebraucht.
nahaufnahmen.ch: Aber es ist sicher auch eine nettes Nebeneinkommen, oder?
Mickael Karkousse: Oh ja. Aber es zeigt auch, dass die Leute unsere Arbeit zu schätzen wissen. Dabei probieren wir so gut es geht uns selber zu bleiben.
nahaufnahmen.ch: Ihr habt als richtige AC/DC-mässige Hardrock Band angefangen. Wann habt ihr denn angefangen elektronische Elemente in eure Musik einzubauen?
Mickael Karkousse: Das ging eigentlich Schritt für Schritt. Wenn es einen Moment gab, der uns Richtung Elektronik drängte, dann war das vielleicht, als wir „Darkdancer“ von Les Rythmes Digitales gekauft haben. Das waren richtig gute Popsongs, aber sie tönten sehr elektronisch. Das war wohl einer der Knackpunkte, der uns bekräftigte, auch elektronische Elemente auszuprobieren.
nahaufnahmen.ch: Bleibt ihr diesem Sound auch in Zukunft treu?
Mickael Karkousse: Ich weiss nicht. Ich denke, dass kann sich jederzeit ändern. Wenn wir vier zusammen sind, haben wir eine gewisse Energie. Wir gehen unseren Weg und es ist egal, ob wir Gitarren oder Synthesizer brauchen, denn wenn wir zusammen spielen, haben wir einen Vibe und es entsteht „Goose“-Sound. Es könnte weniger elektronisch sein oder elektronischer, es ist einfach „Goose“.
Bert Libeert: Wir sind schon so lange zusammen, wir waren damals Freunde und sind es heute immer noch. Darum gibt es niemanden, der genauso ähnlich tickt wie wir, wir machen diese Musik, weil es zu viert für uns stimmt. Es gibt niemanden, der entscheidet, in welche Richtung wir gehen. Es ist einfach eine natürliche Evolution. Und das ist schön. (lacht)
nahaufnahmen.ch: Es scheint nicht so, als ob ihr euch von der Musikindustrie zu sehr unter Druck gesetzt fühlt. Es hat vier Jahre gedauert, bis euer zweites Album erschienen ist. Vier Jahre in der heutigen Zeit ist ganz schön lang.
Bert Libeert: Nun, wir setzen uns selber unter einen „Qualitäts“-Druck. Wir wollen nur etwas releasen, wenn wir das Gefühl haben, dass es auch einen Wert hat, released zu werden. Wenn etwas draussen ist, dann ist für immer da. Also will man auch, dass es gut ist.
nahaufnahmen.ch: Released ihr jeweils einzelne Teile des Albums schon im Voraus, z.B. auf Facebook oder Myspace?
Mickael Karkousse: Nein, es gibt einen kompletten Informations-Stop.
Bert Libeert: Wir haben uns für eineinhalb Jahre im Studio eingeschlossen, Demos aufgenommen…
Mickael Karkousse: Wir haben in dieser Zeit viel gelernt. Wir mussten uns einfach Zeit nehmen, um rauszufinden was wir tun wollen und wie. Zum Beispiel die Frage, ob wir einen Produzenten engagieren wollen oder nicht. Für lange Zeit dachten wir, wir sollten mit einem Produzenten zusammenarbeiten. Aber irgendwie ging das terminlich nie auf und wir schrieben einfach weiter an unseren Songs. Und am Schluss machten wir dann doch alles selber. Aufnahme, Mix etc. und darauf können wir wirklich stolz sein.
Bert Libeert: Dann wussten wir auch, dass dies niemand besser hätte machen können.
Mickael Karkousse: Jetzt brauchen wir keine Angst mehr zu haben.
Bert Libeert: Am Schluss waren wir sogar glücklich, dass niemand Zeit hatte uns zu produzieren, denn dadurch mussten wir alles selber machen. Und nun wissen wir, dass wir es können. Das macht uns noch stolzer.
Mickael Karkousse: Ja. Wir sind bereit für die Zukunft. Wir wissen, dass wir es drauf haben. Die Frage, ob wir es können, stellt sich nicht mehr. Yes we can! (lacht laut)
nahaufnahmen.ch: Letzte Frage, welches ist euer Lieblingsfestival?
Bert Libeert: Mein Lieblingsfestival ist das Melt-Festival. Wie das aussieht mit den Kränen und den Lichtern, das ist mein Lieblings-Ort. Und das Line-Up ist jeweils auch grossartig. Elektronisch, aber doch auch mit vielen Live-Bands.
nahaufnahmen.ch: Habt ihr denn Zeit, um euch auch andere Bands anzusehen?
Mickael Karkousse: Kommt drauf an, manchmal schon, manchmal nicht. Abgesehen davon ist es einfach schön, im Sommer auf den Festivals unterwegs zu sein. Man trifft hin und wieder Freunde, kann zusammen abhängen.