Sineb El Masrar: „Muslim Girls“

Vollkommen schleierhaft?

Sineb El Masrar: „Muslim Girls – Wer wir sind, wie wir leben“ (Sachbuch)

Alle muslimischen Frauen sind Anhängerinnen von Osama bin Laden, tragen schwarze „Ganzkörperverhüllungen“ und werden von ihren Ehemännern wie Sklavinnen gehalten. Den meisten Menschen ist längst klar, dass es sich hierbei um unzulässige Verallgemeinerungen, wenn nicht gar um Vorurteile handelt. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus?

Von Stefanie Feineis.

muslimgirlsVorurteile beruhen oft auf einem (missverstandenen) Funken Wahrheit. Wir alle sind im Alltag schon Frauen mit Kopftüchern und typisch muslimischer Kleidung begegnet und haben schon einmal gehört, dass der Koran Männern erlaubt, mehrere Frauen zu heiraten. Zudem sind seit dem 11. September Terroranschläge mit möglichen religiösen oder anti-westlichen Motivationen immer wieder in den Schlagzeilen. Möchte man sich nicht mit Gerüchten und Halbwissen zufrieden geben, bleibt nur das persönliche Gespräch mit den ‚fremden Nachbarn‘. Wenn einem jedoch zu diesem Schritt der Mut oder die Gelegenheit fehlen, lohnt sich der Griff zu „Muslim Girls“.

Muslima 2.0

Die Autorin weiss, wovon sie schreibt, schliesslich ist sie selbst als Tochter marokkanischer Einwanderer im deutschen Hannover aufgewachsen. Schon der Titel ihres Buches ist eine bewusste Verknüpfung des westlichen Begriffs ‚girl‘ mit dem eher traditionellen ‚Muslim‘, und macht bewusst, dass die Muslimin heute – die Muslima 2.0, wie El Masrar schreibt – unabhängig, stolz und modern ist. Sie hat ihren Lebensstil individuell und nach ihrem eigenen Geschmack gewählt, ohne Zwang von Vater oder Ehemann; einen Lebensstil, der  sich oft nur minim von dem einer gleichaltrigen Schweizerin oder Deutschen unterscheidet. Daneben stellt die Autorin aber auch deutlich heraus, dass es ‚das‘ Muslimgirl nicht gibt und dass Verallgemeinerungen, egal welcher Art, niemals die ganze Wahrheit wiedergeben.

Nicht ohne… die ganze Wahrheit

In ihrem Buch hat sich El Masrar – seit 2006 Herausgeberin des einzigen multikulturellen Frauenmagazins –  zum Ziel gesetzt, mit den Vorurteilen gegenüber muslimischen Frauen aufzuräumen. Dabei betreibt sie auch Ursachenforschung und stellt fest, dass vor allem eines das Bild in den Köpfen des Westens geprägt hat, ebenso nachhaltig wie die Anschläge vom 11. September: „Nicht ohne meine Tochter“, genauer gesagt das Buch und der folgende gleichnamige Film von Betty Mahmoody, die Anfang der 90er ein eher düsteres Bild von einer muslimischen Ehe und dem Leben im Iran zeichneten. Obwohl die Autorin einräumt, dass solche Schicksale möglich sind und die Existenz von Zwangsehe, Ehrenmorden und anderen negativen Vorkommnissen niemals leugnet, lautet ihre Botschaft ganz klar, dass der moderne Islam und seine Vertreterinnen nicht diesem Bild entsprechen.

Mit der Freundin beim Tee

Kopftuch, Schulbildung, Liebe und Sex, die fremde Heimat, Religion – kaum ein Thema, über das El Masrar hier nicht offen spricht. Neben dem informativen und spannenden Inhalt trägt vor allem ihr Ton massgeblich zum Lesevergnügen bei. Nie hat man das Gefühl, sich in einer Vorlesung zu befinden und trockene Fakten sind ebenso ein Fremdwort wie Missionierung und Verklärung. Die Autorin plaudert vielmehr locker, beschwingt und mit einem deutlichen Ton von Ironie, wie eine gute Freundin. Man merkt schnell, dass der Titel des Buches auch Selbstbezeichnung ist und dass sich El Masrar ebenfalls als ‚Muslim Girl‘, als freie, unabhängige und moderne Muslimin sieht. Ihre Botschaft: Augen auf, wir sind längst angekommen.

Eine Fülle an Informationen sowie ein unterhaltsamer und humorvoller Schreibstil machen dieses Buch rundum empfehlenswert für alle, die sich mit dem Thema persönlich auseinander setzen wollen.


Titel: Muslim Girls
Autorin: Sineb El Masrar
Verlag: Eichborn
Seiten: 208
Richtpreis: CHF 23.50


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